Jetzt ist er also da, der Handelskrieg zwischen den USA und China. Wer gewinnt?
Wir haben erst Anzeichen, dass es einen Handelskrieg geben wird. Bis anhin handelt es sich um einen Scheinkrieg.
Weshalb?
Wenn nichts geschieht, werden die Regale im Walmart und bei Homedepot leer sein. Dann muss Donald Trump entscheiden, ob er wirklich einen Handelskrieg will oder nicht.
Hat sich der US-Präsident somit selbst in eine Ecke gemalt?
Er musste zumindest bereits mehrmals den Kurs ändern, beispielsweise beim iPhone. Ansonsten würde es bald dreimal so viel kosten wie derzeit. Die Treffen mit den Chefs von Walmart und Homedepot haben ihm wahrscheinlich ebenfalls die Augen geöffnet.
Die globalen Lieferketten lassen solche Unterbrüche nicht mehr zu, oder?
Wir leben im Zeitalter der Just-in-time-Lieferungen. Das verträgt sich nicht mit der extremen Version der Trump-Zölle, wie er sie am sogenannten «Befreiungs-Tag» verkündet hat. Daher bin ich überzeugt, dass es noch viel Spielraum für Verhandlungen und Änderungen gibt.
Wer hat dabei die besseren Karten?
China scheint besser vorbereitet zu sein. Ich war kürzlich in Pakistan. Da fahren die Menschen BYD-Elektroautos. Ich war auch in Chile. Dort telefonieren die Menschen mit einem Huawei-Smartphone. Nicht nur die Amerikaner konsumieren chinesische Produkte. Die chinesischen Exporte in die USA betragen heute gerade mal noch zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Chinas Position hat sich seit 2016 somit dramatisch verändert?
Die Welt hat sich seit 2016 verändert. Deshalb wird sich die Zoll-Frage in zwei, drei Monaten ganz anders darstellen.
Trump ist jedoch immer noch fest davon überzeugt, dass China auf Gedeih und Verderben auf die Exporte in die USA angewiesen ist.
Trump hat schon mehrmals vollmundig Dinge verkündet, die er kurz darauf wieder umgestossen hat.
Die Sache mit den Zöllen scheint er jedoch wirklich ernst zu meinen.
Trump ist frustriert, weil er ein Ungleichgewicht zwischen Importen in die und Exporten aus den USA feststellt. Dabei denkt er vor allem an China und Deutschland. Gleichzeitig will er auch, dass Europa endlich mehr Verantwortung übernimmt, was die Verteidigungsausgaben betrifft. Wenn es ihm gelingt, diese Ungleichgewichte zu beseitigen, dann betrachtet er dies als Erfolg.
Muss man jedoch nicht eingestehen, dass die chinesische Wirtschaft längst nicht mehr so exportabhängig ist wie noch vor zehn Jahren?
Vor fünf Jahren hat Chinas Präsident Xi Jinping die Losung ausgegeben: «Wir machen es jetzt besser.» Er wollte damit ausdrücken, dass er die Volkswirtschaft neu organisieren will. Teilweise ist ihm das auch gelungen, auch wenn der Konsum immer noch nicht das gewünschte Niveau erreicht hat. China hat immer noch eine zu hohe Sparquote. Ganz im Gegensatz zum Westen, wo die Sparquote zu tief ist. Doch grundsätzlich müssen wir anerkennen: China macht es nun wirklich besser. Und es ist einfacher, die Menschen zum Konsumieren zu animieren, als sie zum Sparen aufzufordern.
Was sind die Folgen dieser Neuorientierung?
Die chinesischen Finanzmärkte haben sich sehr rasch erholt.
Und was ist mit der Immobilienkrise?
Sie hat sich stabilisiert.
China exportiert jedoch nach wie vor sehr viel.
Ja, aber weniger in die reichen G7-Länder und mehr in Schwellenländer wie Brasilien. Deshalb müssen wir eingestehen: Die Wende von Xis Wirtschaftspolitik hat weitgehend funktioniert.
Trump verfolgt das gleiche Ziel. Auch er will die amerikanische Wirtschaft neu organisieren.
Er handelt nach dem Motto: «Macht rasch und zerstört Dinge.» Nur hat er ein Wirtschaftsmodell vor Augen, das aus dem 19. Jahrhundert stammt und nicht der heutigen Zeit entspricht.
Sein Handelsminister Howard Lutnick schwärmt davon, dass dereinst wieder amerikanische Fabrikarbeiter iPhones zusammenschrauben werden.
Es gibt da dieses wundervolle Video, in dem sich die Chinesen über Lutnick lustig machen. Ein Teil der republikanischen Politiker träumt tatsächlich diesen unrealistischen Traum.
Die amerikanische Wirtschaft hat sich am besten vom Schock der Pandemie erholt. Warum muss man überhaupt flicken, was gar nicht kaputt ist?
Und wer soll überhaupt die iPhones zusammenschrauben. Es gibt derzeit in den USA de facto keine Arbeitslosigkeit. Oder glauben Sie, dass ein gut bezahlter Beamter, der jetzt gefeuert wurde, für 15 Dollar die Stunde in der Fabrik arbeiten wird?
Gefährdet Trump die führende Stellung der USA auf dem Weltmarkt?
Zweifellos befinden wir uns an einem Wendepunkt. Ich denke jedoch nicht, dass das Zeitalter des amerikanischen Exzeptionalismus zu Ende ist. Doch wenn das Vertrauen in den Dollar und die amerikanischen Staatsanleihen, die T-Bonds, auch nur leicht angekratzt wird, dann kann dies weitreichende Folgen haben. Amerikanische Vermögenswerte in der Höhe von rund 30 Billionen Dollar befinden sich in ausländischen Händen.
Der Anleihen-Markt hat ja auch heftig auf Trumps «Befreiungstag» reagiert. Hat er deshalb seine Zölle für 90 Tage aufs Eis gelegt?
Die Chinesen haben möglicherweise ein bisschen nachgeholfen, indem sie T-Bonds für rund 50 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen haben. Sie haben damit erreicht, dass die US-Staatsanleihen den Nimbus verloren haben, risikofreie Vermögenswerte zu sein. Derweil hat der Dollar gegenüber dem Gold in den letzten fünf Jahren rund drei Viertel seines Wertes eingebüsst. Das spricht Bände.
Trump will nun in 90 Tagen 200 Handelsabkommen abschliessen. Ist das überhaupt machbar?
Um es höflich auszudrücken: eher nicht. Es dauert in der Regel Jahre, um ein einziges Handelsabkommen abzuschliessen.
Sprechen wir von Europa. Werden wir jetzt von chinesischen Exporten geflutet werden?
Europa hat vor allem ein demografisches Problem und eines mit zu hohen Steuern. Anders als die USA kann es die Staatsdefizite auch nicht damit lösen, dass es in der eigenen Währung Geld druckt.
Muss sich die EU daher in eine politische Union verwandeln?
Es braucht auf jeden Fall Änderungen, um nach wie vor bestehende Hindernisse im Binnenmarkt auszuräumen. Doch dank Trump haben die europäischen Finanzmärkte ein paar gute Monate hinter sich. Was es jetzt noch braucht, ist nachhaltiges Wachstum der realen Wirtschaft.
Wegen des Kriegs in der Ukraine muss Europa massiv aufrüsten. Wird es deshalb zu einem Kriegs-Keynesianismus kommen. Wird die Gleichung Panzer statt VW Golfs aufgehen?
Es wird auf jeden Fall interessant sein, diese Entwicklung zu verfolgen. Kurzfristig wird es sicher Schub verleihen.
Es gibt ja nicht nur den Handels-, sondern auch den Chip-Krieg. Wie wird das Rennen um die künstliche Intelligenz ausgehen?
Der Erfolg von DeepSeek zeigt, dass wir bei der künstlichen Intelligenz noch einen massiven Preissturz erwarten dürfen. Dank China sind die Preise für technische Gadgets bereits massiv gesunken. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, auch auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz.
Wird die künstliche Intelligenz uns auch helfen, unser Demografie-Problem zu lösen?
Vielleicht. Auf jeden Fall ist es die erste Technologie, die nicht die banale Arbeit wegrationalisiert, sondern die intelligente. Wenn bei den anspruchsvollen und gut bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor das Gleiche passiert wie einst bei den traditionellen Industriearbeitern, dann könnten wir ein Problem kriegen. Die Schwellenländer werden davon weniger betroffen sein als wir.
Die liberale Weltordnung zerbricht, die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch: Wie wird dieser Film ausgehen?
Dank seiner führenden Stellung auf dem Gebiet der Elektroautos und der Solartechnik wird China seine Stellung als globale Werkstatt wohl verteidigen können. Bereits heute stellt BYD mehr Autos her als Tesla. Auch die Länder, die wertvolle Rohstoffe wie Kupfer oder Lithium besitzen, werden profitieren. Eine Fabrik kann man in die USA zurückverlegen, eine Kupfermine eher nicht.
Gehören somit viele Schwellenländer ebenfalls zu den Gewinnern?
Auf jeden Fall, vor allem, wenn sich der Dollar noch weiter abschwächen sollte. Darauf warten diese Länder seit zehn Jahren. Deshalb sind die Kurse der Aktienmärkte in diesen Ländern seit Jahresbeginn rund fünf Prozent gestiegen, die amerikanischen hingegen rund acht Prozent gesunken. Das ist das erste Mal seit langem, dass die Finanzmärkte der Entwicklungsländer besser performen als diejenigen der reichen Länder.
Und was, wenn jetzt die USA tatsächlich in eine Rezession fallen, wie immer mehr Ökonomen befürchten?
Mit Ausnahme von Mexiko können die meisten Schwellenländer damit recht gut zurechtkommen. Anders als bei vielen reichen Ländern sind ihre Staatsschulden weit weniger drückend. In den letzten 20 Jahren haben sich die grossen Wohlstandsunterschiede zwischen entwickelten und Schwellenländern verringert.
Diese Entwicklung hat jedoch die Finanzmärkte noch nicht erreicht.
Das hat vor allem mit der aussergewöhnlichen Stellung der USA und der Dollar-Stärke zu tun. Das könnte sich jetzt ändern. Vielleicht hat Trumps absurde Zolltarif-Karte zu einer historischen Wende geführt.
Würde das nicht höchstwahrscheinlich auch Europa mit in den Abgrund reißen, dann würde ich ihm gerne dafür gratulieren.