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Warum Trump jetzt den Sozialisten mimt

Warum Trump jetzt auf Sozialist macht. Donald Trump vor der amerikanischen Flagge in der einen Hälfte und der Sowjetischen Flagger auf der anderen
Bild: watson/keystone/imago
Analyse

Warum Trump jetzt den Sozialisten mimt

Plötzlich will der US-Präsident tiefere Medikamenten-Preise und höhere Steuern für Superreiche.
13.05.2025, 12:2813.05.2025, 13:07
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Donald Trump behauptet zwar, die ersten 100 Tage seiner zweiten Amtszeit seien die erfolgreichsten, die je ein amerikanischer Präsident absolviert habe. Die Amerikanerinnen und Amerikaner sehen das jedoch nicht ganz so: Kein anderer Präsident hatte nach Ablauf der traditionellen Schonfrist je so schlechte Umfragewerte wie Trump. Seine Beliebtheit liegt mittlerweile unter 40 Prozent, selbst die Werte für seine Wirtschaftskompetenz sind in den Keller gerasselt.

Obwohl Trump nicht nochmals gewählt werden und sich deshalb um Umfragen foutieren kann, lässt ihn dies nicht kalt. Der pathologische Narzisst braucht Anerkennung. Deshalb versucht er nun alles, um seinem Ruf als «Anwalt der vergessenen Leute» gerecht zu werden. Konkret bedeutet dies:

  • Trump hat soeben eine präsidiale Weisung unterschrieben, welche die Preise für Medikamente um «bis zu 90 Prozent oder noch mehr» senken soll.
  • Ebenfalls hat er vorgeschlagen, die Steuern für Einkommen über 2,5 Millionen Dollar pro Jahr deutlich zu erhöhen.
  • Er will auch die Lücken im Steuergesetz für Hedgefonds schliessen.

Auch Vertreter der MAGA-Meute schlagen neuerdings klassenkämpferische Töne an, so etwa Josh Hawley. Der Senator aus dem Bundesstaat Missouri fordert in einem Gastkommentar in der «New York Times» die Republikaner auf, die Hände von Kürzungen der Medicaid zu lassen. Dieses Sozialprogramm greift den Ärmsten bei gesundheitlichen Problemen unter die Arme. Um das horrende Defizit im Staatsbudget zu entlasten, spielen die Republikaner mit dem Gedanken, 800 Milliarden Dollar bei diesem Programm einzusparen.

Sen. Josh Hawley, R-Mo., speaks as Pam Bondi, President-elect Donald Trump's choice to lead the Justice Department as attorney general, appears before the Senate Judiciary Committee for her confi ...
Gibt sich klassenkämpferisch: Senator Josh Hawley.Bild: keystone

«In der Summe bedeutet dies: Sollte der Kongress die Gelder für Medicaid kürzen, werden die Arbeiter und ihre Kinder in Missouri ihre Krankenkasse verlieren», stellt Hawley fest. «Und es werden Spitäler geschlossen. Es ist so einfach. Dieses Muster wird sich in allen Bundesstaaten wiederholen.»

Hawley kommt daher zum Schluss: «Wollen die Republikaner die Partei der Arbeiterklasse sein – wenn wir die Partei der Mehrheit sein wollen –, dann müssen wir die Aufrufe, Medicaid zu kürzen, ignorieren und unsere Versprechen an die Adresse der arbeitenden Amerikaner erfüllen.»

Zum gleichen Schluss scheint auch der Präsident gekommen zu sein. «Ich denke, Trump realisiert, dass diese Dinge populär sind, und er ist der Typ, der populär sein will», stellt Liz Pancotti von der Denkfabrik Groundwork Collaborative in der «Financial Times» fest.

Doch sorgt euch nicht. So schnell wird im Weissen Haus nicht die «Internationale» angestimmt werden, und die Superreichen können nach wie vor mit den versprochenen Steuergeschenken rechnen. Trump ist ein Maulheld. Tiefere Medikamenten-Preise hat er schon in seiner ersten Amtszeit angekündigt und nie durchgesetzt, ganz abgesehen davon, dass die rechtlichen Hürden, die es dafür zu überspringen gilt, hoch sind.

Niederlagen im Handelskrieg

Trump denkt auch nicht einmal im Traum an «die vergessenen Leute» und schon gar nicht an die Arbeiter. Er denkt nur an sich selbst. Deshalb handelt es sich einmal mehr um ein Ablenkungsmanöver. Derzeit gibt es dafür reichlich Gründe:

Im Zollkrieg wankt der US-Präsident von einer Niederlage zur nächsten. Zunächst haben die Finanzmärkte seinen «Liberation Day» in einen schlechten Witz verwandelt. Über das Wochenende ist er jetzt von den Chinesen vorgeführt worden. «Die USA haben sich zuerst bewegt», stellt Alicia Garcià-Herrero von Natixis, einer Investment-Bank, in der «Financial Times» fest. «Die Amerikaner haben geglaubt, sie könnten die Zölle ungestraft beinahe grenzenlos in die Höhe schrauben, aber sie haben sich geirrt.»

Noch deutlicher wird das «Wall Street Journal»: «Der Präsident hat einen Handelskrieg mit Adam Smith angezettelt. Er hat verloren», stellt das Blatt nüchtern fest.

Tatsächlich ist die Zwischenbilanz des Handelskrieges aus amerikanischer Sicht verheerend: Gegenüber den wichtigsten Handelspartnern Kanada und Mexiko mussten Konzessionen eingegangen und die vollmundig angekündigten Zölle für den Rest der Welt für 90 Tage auf Eis gelegt werden. Schon vor der provisorischen Einigung mit China mussten iPhones und elektronische Güter von den Zöllen befreit werden. Der Mini-Deal mit dem Vereinigten Königreich hat im besten Fall symbolischen Charakter.

Kurz: Im Handelskrieg hat Trump weltweit für Chaos gesorgt, seine Verbündeten vor den Kopf gestossen, die Finanzmärkte in Aufregung versetzt – und nichts erreicht.

Allmählich wird auch seine offene Korruption ein Problem für Trump. Bloomberg hat kürzlich vorgerechnet, dass er allein mit zwielichtigen Krypto-Geschäften rund eine Milliarde Dollar kassiert hat, zumindest auf dem Papier. Dass er die wichtigsten Käufer seiner Meme-Coin $TRUMP zu einem Diner eingeladen hat, sorgt selbst in konservativen Kreisen für hochgezogene Augenbrauen.

FILE - A 13-year-old private Boeing aircraft that President Donald Trump toured on Saturday to check out new hardware and technology features, and highlight the aircraft maker's delay in deliveri ...
Gehört er bald Trump? Der Katar-Luxus-Jet.Bild: keystone

Das Korruptions-Fass zum Überlaufen gebracht hat jedoch der 400-Millionen-Dollar-Jet, den die Katarer Trump schenken wollen. Ein solches Geschenk verstösst nicht nur gegen die sogenannte Emolument-Klausel in der Verfassung, es wäre auch unmöglich, diesen Jet sicherheitstechnisch in vernünftiger Zeit so umzurüsten, dass er als Air Force One zum Einsatz kommen könnte. Zudem weisen Kritiker darauf hin, dass Katar die Hamas, die Huthis und den Iran unterstützt.

Trump lässt dies kalt. «Sie geben uns den Jet gratis», erklärte er an einer Pressekonferenz. «Ich könnte sagen, ‹Nein, nein, nein, gebt ihn uns nicht. Ich will lieber eine Milliarde oder wenigstens 400 Millionen Dollar dafür bezahlen›, oder ich kann sagen, ‹vielen Dank›.»

Diese Argumente erinnern mehr an einen Mafia-Boss als einen amerikanischen Präsidenten. Sie werden auch von der MAGA-Meute nicht mehr geschluckt, zumal Trump noch vor Tagen die Amerikaner davor gewarnt hat, sie müssten möglicherweise in den kommenden Monaten den Gürtel enger schnallen und ihre Töchter sich kommende Weihnachten mit zwei, drei Puppen begnügen.

FILE - Ben Shapiro, center, leaves the Ohel Chabad-Lubavitch after a visit from Republican presidential nominee former President Donald Trump, Oct. 7, 2024, in New York. (AP Photo/Yuki Iwamura, File)
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Kritisiert Trump: der einflussreiche konservative Kommentator Ben Shapiro (Mitte).Bild: keystone

Immer öfter werden auch Vergleiche mit dem Geschrei um Hunter Biden laut, das konservative Medien und die Republikaner noch vor Kurzem aufgeführt haben. Ben Shapiro, ein einflussreicher Kommentator der Rechten, formuliert es wie folgt:

«Ist das alles gut für Präsident Trump? Ist es gut für seine Agenda? Ist es gut, den Sumpf trockenzulegen und dafür zu sorgen, dass gehandelt wird? Die Antwort ist nein. Ist es nicht, ist es nicht. Wenn wir wollen, dass Trump Erfolg haben wird, müssen diese schmierigen Dinge ein Ende haben.»

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109 Kommentare
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Der Micha
13.05.2025 12:50registriert Februar 2021
«Ich könnte sagen, ‹Nein, nein, nein, gebt ihn uns nicht. Ich will lieber eine Milliarde oder wenigstens 400 Millionen Dollar dafür bezahlen›, oder ich kann sagen, ‹vielen Dank›»

Dieses Kleinkindgebrabbel... Er könnte sich auch an die Gesetze halten und sagen: "Nein, wir nehmen dies nicht an..." Aber selbst für das Mindestmaß ist Trump einfach nur inkompetent und korrupt.
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sivetech
13.05.2025 12:54registriert April 2020
Ein Präsident der nichts erreicht ausser Chaos zu stiften; schon als "Geschäftsmann" hat Trump auf ganzer Linie versagt.
Mehrere Casinos, welche wortwörtlich Gelddruckmaschinen sind, sind durch ihn pleite gegangen; so inkompetent muss man erst mal sein!
Diese Witzfigur ist eine Schande für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Der Gegenwind kommt und er wird kommen in Form eines Hurrikanes.
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cabli
13.05.2025 12:44registriert März 2018
Seine „Berater“ haben offensichtlich ein Auge auf die Umfragewerte geworfen und den Puls der MAGA Meute gespürt. Es sieht offensichtlich nicht gut aus und die Midterms sind auf dem Radar. Ein Verlust der Mehrheit im Senat will auch das stabile Genie nicht riskieren.
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