Einige Publizistik-Professoren und ein (kleiner) Teil der watson-Kommentatoren sind besorgt: Viel zu viele Trump-Artikel, klagen sie. Selbst wenn sie kritisch sind, nützten diese Artikel dem pathologischen Narzissten im Weissen Haus, und für die Medien seien sie klassisches Clickbait, will heissen ein unsauberes Mittel, User mit Geschichten ohne Relevanz anzulocken. Deshalb die Forderung, man solle dem Möchtegern-König weit weniger Platz einräumen.
Was mich betrifft: Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage. Ich schreibe oft über Trump, sehr oft in diesen chaotischen Tagen. Und ja, die Geschichten werden gut beachtet, nicht Heidi-Klum-nackt-Level, aber ganz ordentlich. Haben die Kritiker somit recht?
Nicht ganz. Sehen wir uns doch die jüngsten Beispiele genauer an.
Über das Wochenende hat Trump ein mit künstlicher Intelligenz kreiertes Bild auf seiner Webseite veröffentlicht, das ihn als Papst zeigt. Wenige Tage nach dem Tod von Franziskus ist das nicht nur geschmacklos, ja vielleicht gar Gotteslästerung, es ist auch völlig sinnfrei. Trump ist nicht katholisch, zum dritten Mal verheiratet und dürfte höchstens das Umschlagblatt der Bibel je gelesen haben.
Auf den ersten Blick haben die Kritiker in diesem Fall recht. Es scheint keinen Grund zu geben, dieses Foto zu veröffentlichen und die obligatorische Ausrede Trumps, er habe keinerlei Kenntnis davon gehabt, kann man sich ebenfalls schenken. Trotzdem ist dieses Bild mehr als ein weiterer Versuch, die Gegner zu trollen, wie es neuerdings heisst.
Der Katholizismus, insbesondere die konservative Variante, ist im MAGA-Lager mächtig auf dem Vormarsch und bildet immer mehr einen wichtigen Pfeiler des christlichen Nationalismus. Steve Bannon bekennt sich beispielsweise dazu, auch die Fox-News-Moderatorin Laura Ingraham. Patrick Deneen, Politologe an der katholischen Elite-Universität Notre Dame im Bundesstaat Indiana, ist ein bedeutender Vordenker der neuen konservativen Welle. Unter dem Einfluss seines Förderers Peter Thiel hat sich auch Vize-Präsident J.D. Vance zum konservativen Katholizismus bekehren lassen.
Mehr noch. Trump ist nicht zufällig zum Begräbnis von Papst Franziskus gereist. Derzeit versuchen mit viel Geld ausgestattete Lobbyisten aus den USA, das Konklave davon zu überzeugen, einen Konservativen zum Nachfolger von Franziskus zu erküren. Ihr Wunschkandidat ist dabei Kardinal Péter Erdő aus Ungarn, der auch den Segen seines Premierministers Viktor Orbán hat.
Man kann somit das Trump-KI-Papst-Bild als schlechten Scherz sehen, aber auch als einen Versuch einer Annäherung von MAGA an die katholische Kirche – und das kann man nicht als Trolling abtun.
Trump scheint kürzlich den Film «Escape from Alcatraz» gesehen und dabei den Entschluss gefasst zu haben, das legendäre Hochsicherheitsgefängnis auf einer Insel vor San Francisco wiederzueröffnen. Auch das ist auf den ersten Blick völlig idiotisch. Der letzte Insasse hat Alcatraz bereits vor 62 Jahren verlassen.
Die Gebäude sind völlig verlottert und teilweise eingestürzt. Das Gefängnis müsste damit mit grossem Aufwand saniert werden, und selbst dann wäre der Betrieb äussert kostspielig, denn es liegt auf einer Insel und müsste vom Festland aus versorgt werden. Weil Alcatraz mittlerweile ein Museum ist, das sehr viele Touristen anlockt, müsste die Stadt zudem auf dringend benötigte Einnahmen verzichten.
Schliesslich ist auch der von Trump verbreitete Mythos, keinem sei je die Flucht aus dieser Anlage geglückt, schlicht falsch. Als die U.S. Army Alcatraz als Militärgefängnis betrieb, büxten mindestens fünf Insassen erfolgreich aus.
Auch hier stellt sich somit die Frage: Warum auf eine weitere Trump-Lüge eingehen? Weil der US-Präsident meisterhaft versteht, mit Symbolen umzugehen. Wie sonst kaum etwas steht Alcatraz für Law and Order. Oder wie Trump sich ausdrückt: «Es repräsentiert etwas, das gleichzeitig schrecklich und schön, stark und miserabel ist. Es hat viele interessante Qualitäten.»
Eine Wiedereröffnung von Alcatraz, rational gesehen ein Unsinn auf Stelzen, ist so gesehen von grossem Wert, wenn es darum geht, die harte Recht-und-Ordnung-Politik zu verkaufen. Gleichzeitig lenkt es auch davon ab, dass die USA im Begriff sind, in El Salvador eine Art Konzentrationslager einzurichten, und Trump mittlerweile offen eingesteht, notfalls auch die Verfassung zu missachten.
Das jüngste Kapitel in Trumps Zoll-Farce ist seine Ankündigung, auf Filme, die im Ausland gedreht worden sind, einen Strafzoll von 100 Prozent zu erheben. Anlass dafür ist die Tatsache, dass die Filmproduzenten zunehmend Hollywood meiden, weil es ihnen zu teuer geworden ist. Mehrere Blockbuster der jüngeren Vergangenheit, beispielsweise der Animationsfilm «A Minecraft Movie» und die jüngste Folge von «Mission Impossible», sind in London aufgenommen worden.
Dass Trump ausgerechnet das heimische Schaffen in Hollywood schützen will, ist unwahrscheinlich. Tinsel Town gilt als Hochburg der Linksliberalen, die den US-Präsidenten aus tiefstem Herzen verachten. Vielmehr ist darin ein erster Schritt zu sehen, auch im Film-Business den Liberalen die Macht zu entreissen und Hollywood wie die Elite-Universitäten Columbia, Harvard & Co. unter konservative Kontrolle zu bringen.
Gleichzeitig kann auf diese Weise wiederum trefflich davon abgelenkt werden, dass die USA zwar, was Güter betrifft, ein hohes Handelsdefizit, dank Hollywood jedoch auch ein beträchtliches Plus bei den Dienstleistungen aufweisen.
Ja, über Trump wird viel berichtet, möglicherweise gelegentlich zu viel. Doch der Mann ist nun mal der Präsident des mächtigsten Landes der Welt, und er macht kein Hehl daraus, dass er die USA in einen autoritären Staat verwandeln will. Dieser Realität können wir uns nicht verschliessen, auch wenn wir als Schweizer keine Möglichkeit haben, etwas daran zu ändern. Zudem hat weder ein einzelnes Medium noch gar ein einzelner Journalist die Möglichkeit, den Trump-Tsunami zu stoppen.
Über Clickbait zu jammern, ist daher eine Illusion. Als Journalist kann ich wenigstens versuchen, in der von Trump und der MAGA-Meute mit Scheisse gefluteten Medienzone das Signal vom Lärm zu unterscheiden und die Hintergründe der scheinbar sinnlosen Lügen zu erhellen.
Was ich kritisiere ist, dass oft der Fokus auf Nebensächlichkeiten gelegt wird und Trump so mit dem „schau, ein dreiköpfiger Affe!“-Ablenkungs-Trick durchkommt.
Es besteht der Verdacht, dass DOGE-Mitarbeiter vertrauliche Daten aus Behörden exportiert haben, gegen jegliche Sicherheitsvorschriften. Dazu ist kaum etwas zu lesen. Dafür umso mehr „so lacht das Internet über Trump“.
Oh doch, können wir!
Ich meide US- Produkte und Dienstleistungen wo immer möglich, Reise nicht in die USA, ...
Wenn das gaaanz viele machen, wird es einen Effekt haben 💪