Da sitzen wir also. Draussen auf einer grossen Wiese einer alten Burg. Vor uns erstreckt sich der Zürichsee. Die Sonne scheint. Primeli, Löwenzahn und Blumen, von denen ich nicht weiss, wie sie heissen, tauchen die Kulisse in schon fast kitschige Perfektion.
Vor uns ein Bogen. Mit weissen und rosa Blumen dran. Sehr hübsch. Noch hübscher ist Lena, die da drunter steht. Im weissen Kleid, das ihren Babybauch ebenfalls ins absolut perfekte Licht rückt.
Wir sind hier, weil Lena heute Lukas das Ja-Wort geben will. Und er ihr. Davon gehen wir zumindest aus. Ich kenne das Brautpaar fast nicht, Sandro dafür umso besser.
Lena ist nämlich seine Ex. Sandro und Lena waren knapp fünf Jahre zusammen. Ich weiss, dass Sandro keine so geliebt hat, wie er Lena liebte. Die Trennung, sie machte damals Schluss, setzte ihm massiv zu. Der Sex mit der Ex machte es nicht besser.
Mich gab es zu dieser Zeit schon in seinem Leben. Zu dieser Zeit hatten Sandro und ich vor allem Trost-Sex, Rebound-Sex, you name it. Manchmal war er so heartbroken, dass wir gar keinen Sex hatten.
Und das will was heissen.
Lena und Sandro vögelten lange. So lange, bis Lukas in Lenas Leben kam. Dann war sie raus und Sandro sad.
Der Kontakt zwischen den beiden brach dennoch nie ab. Heute, sagen sie, sind sie echt gute Freunde. Was ich easy finde, was Lukas easy findet. Man kann sich ja schliesslich wirklich einfach gern haben, wenn man sich mal geliebt hat.
Kein Wunder also, dass ich total gechillt bin, als die Einladung zur Hochzeit ins Haus flattert. Läuft ja auch alles super. Bis wir eben in der dritten Reihe sitzen und Lena und Lukas beim Happy-Family-Werden zuschauen. Ehegelübde inklusive.
Wer mich kennt, weiss, ich bin nah am Wasser gebaut. Ich heule ja schon bei Werbungen. Wie soll ich also hier jetzt nicht weinen? Also sitze ich da und bin gerührt und finds herzig und hab Tränen in den Augen.
Aber nicht nur ich weine. Sandro weint ebenfalls. Mehr noch: Der flennt! Warum flennt er? Will er Lukas sein? Sind wir hier in einem Film, bei dem er in der Schlussszene merkt, dass die Braut eigentlich SEINE Traumfrau ist? Meine Tränen versiegeln. Sie machen der Panik um mein Herz herum Platz.
Ich schaue unsicher rüber. Sandro nimmt mich nicht wahr. Ich nehm seine Hand. Er drückt sie. Dann heult er wieder.
Hmmm.
Nach der Trauung stürmt er zu ihr und umarmt sie lange. Sie drückt zurück und flüstert ihm was ins Ohr. In meinem Kopf: der Film. Hauen sie gleich zusammen ab? IST DAS KIND GAR NICHT VON LUKAS?
Dann kommt Sandro zu mir. Soll ich fragen, frage ich ihn. «Nein», sagt er. «Ems, es ist nicht Lena. Ich will nicht Lena. Mir wird hier nur gerade vor Augen geführt, was ich gerne hätte. Kind und eigentlich auch Hochzeit, die Liebe feiern, zusammen sein, aus einem Baby einen tollen Menschen formen …!»
Ich verstehe.
«Ich weiss, dass ich dieses Leben mit dir nicht haben werde. Das ist okay, Ems. Ich will dich. Ich will dich vor allem anderen, das ich gerne will. Aber an Tagen wie heute machts mich traurig!»
Ich verstehe so sehr.
Wir setzten uns etwas abseits auf eine Mauer und blicken auf den See. Wir sind gerade herrlich zusammen traurig, als Lena unsere Tristesse unterbricht. Ob sie schnell stören darf.
Logisch.
«Sandro», sagt sie, «wir bräuchten noch einen Götti für das Kleine da!» Sie zeigt auf ihren Bauch. Lukas steht nun auch da und schaut Sandro erwartungsvoll an.
Dieser ist nun ausser sich und ich bin auch krass emotional und so sind es auch Lena und Lukas und holy Shit, alles crazy grad.
Logisch will Sandro.
«Erster Joint nicht vor 15, gell!?», sagt Lena. Und Lukas doppelt nach: «Bier mit 14 ist dafür easy.»
Okay, sie haben den Richtigen gewählt. Und sie haben einander gewählt. Auch richtig.
Das echte Leben schreibt eben doch die besseren Happy Ends als Hollywood. Jetzt gehe ich Babyfinkli lismen. Oder doch einfach nur online ein Plüschtier bestellen.
So oder so. Ende gut, alles gut. Ganz ohne hollywood’sche special effects.
PS: Hier 1 Werbung, bei der ich zum Beispiel IMMER heule. Bitte, gern geschehen. Und da, ein Nastüechli, nimm!
Sorry Emma, ist alles erfunden und erlogen. 😆😆😆
Oder wo bitte, soll die Sonne geschienen haben?
Bitte liebe Menschen, falls ihr auch solche Vorstellungen habt (Eltern, Lehrer usw.):
Verzichtet darauf Kinder „formen“ zu wollen. Begleitet sie dabei, ihre eigene Form finden zu können. Glaubt mir, auch dabei richtet ihr noch genug Schaden an, aber vielleicht hält er sich etwas in Grenzen.
Tränen versiegen - versiegeln tun die gar nichts. Vielleicht besiegeln, aber da wär die Bedeutung auch wieder anders.