Ich fühlte mich selten so jung wie letzten Freitag. Nicht, weil ich keinen Alkohol trank und deshalb meine Leber wie neu war oder weil ich mir statt einem Döner einen grünen Smoothie auf dem Nachhauseweg bestellte, sondern weil ich in Real Life eine Frau kennenlernte. Nicht via Tinder, nicht via Bumble, nicht via all dieser anderen Apps, die heute ja anscheinend «so viel besser als die alten sind», sondern in echt. Offline. Analog. Out in the world.
Sich so kennenzulernen, passiert ja heute so gut wie nie. Das ist mir eigentlich auch egal, ich finde es okay, ist das vorbei, dieses ewige Klönen, ach ach, Apps sind so was Schreckliches, ist doch so oberflächlich, nur alles per Bild, und dann dieses Hin- und Herschreiben, jammer jammer, ich kann's nicht mehr hören. Natürlich sind die Kennenlerngeschichten nun eher öde, aber einige von uns sind ganz froh, wenn das erste Treffen auf einem Bildschirm passiert. Wieso? Weil wir im echten Leben die massiv schlechtere Falle machen.
Item.
Ich war Boccia spielen. Pardon, Pétanque. Oder wie es die ganz Coolen nennen: Boule. Dieses Kugelwerfen hat ja plötzlich die Stadt erobert. Vor einigen Jahren haben alle Pingpong, pardon, Tischtennis gespielt, dann sind alle mitten im Winter in den See gesprungen, Eisbaden, auch so ein Hype, habe ich nie begriffen, ich meine, wie bescheuert muss man sein, dass man sich das antut, vor der Arbeit, frühmorgens ins kalte Wasser, als hätte man nichts Besseres zu tun, aber gut.
Jetzt sind plötzlich die Hälfte meiner Freunde, vor allem die Typen, nur wenig Frauen, keine Ahnung, warum das so ein Männerding ist, eventuell auch nur meine Wahrnehmung, ging nicht durchzählen, jedenfalls verbringen alle plötzlich ihre Feierabende auf Kiesplätzen. Wer den «Sport» richtig ernst nimmt, davon gibt es erstaunlich viele, schliesst sich irgendeinem Club an, was das bedeutet, weiss ich nicht, aber es wird ständig erwähnt, also ist es wohl wichtig.
«Immer diese langen Einleitungen, er kommt nie zur Sache, was habe ich denn eigentlich gelesen, mimimi ...» – ich bin hier am Stimmung-Schaffen, Leute! Atmo-Talk!
Wir befinden uns also auf einem Pétanque-Platz. Feld. Bahn. Kies und Kugeln. In meinem Team, wir sind zu dritt, ist ein Typ, ein ganz verbissener, der putzt seine Kugeln immer mit einem Tuch ab, bevor er wirft, völlig übertrieben, aber gut, er war auch für 80 % unserer Punkte verantwortlich, kann also nichts sagen, und dann ist da noch, nennen wir sie ... Pascale.
Pascale ist lustig und nett und sauschlecht im Pétanque. Wirklich sauschlecht. Statt die Kugeln zu werfen, rollt sie sie. Nie weit genug. Wirklich nie. Sei ihre Taktik, sagt sie irgendwann. «Ich mache eine Mauer!» Wir amüsieren uns. Der Kugelpolierer regt sich auf. Nicht offensichtlich, aber ich bin sicher, innerlich kocht er. Ich finde Pascale gut. Und nach jedem Bier noch besser.
Nach dem letzten Spiel, wir verlieren haushoch, finde ich sie äusserst attraktiv. Hanna würde es einen «Crush» nennen, aber ich mag das Wort «Crush» nicht. Pascale aber mag ich. So als Person. In real life. Hätten wir uns auf einer App getroffen, hätte ich wohl nicht nach rechts gewischt, aber das ist, gebe es ja zu, ein Problem der Apps: Menschen wie Pascale entwischen (ENTWISCHEN, come on!) uns, weil man sie nicht lachen und reden hört und auch nicht Pétanque spielen sieht.
Wir gingen alle in eine Bar, irgendwann waren alle anderen weg, Pascale und ich waren noch da. Es war wie früher, Summer of 2010.
Um zwei schloss die Bar. Wir gingen nach Hause, kein Knutschen, kein nichts. Bisschen schade. Fand ich. Aber wir waren ja nicht auf einem Date. Und ich wusste nicht mal, ob sie Single war. Ich wusste auch nicht, was sie wollte, ihre Zeichen waren, wie das so oft ist, eher vage. Und ich will sie natürlich nicht in eine unangenehme Situation bringen. Darüber haben wir ja schon geredet. Waren wir uns alle einig.
Am nächsten Morgen hatte ich auf Instagram eine Anfrage. Souveräne Rechercheleistung, fand ich, und sagte ihr das auch. Läuft smooth, entschied ich. Und lag falsch.
Es gibt nichts, das meine Generation besser kann als sinnlos rumeiern. Nicht, weil wir das alle cool finden. Ich kenne niemanden, der sich nicht aufregt, dass keiner mehr «Nägel mit Köpfen» macht. Und doch macht es niemand. Alle machen vage Pläne. Alle halten sich «im Loop».
Ich bin da nicht besser, don't get me wrong.
Pascale und ich hielten uns also «auf dem Laufenden». «Und was machst du so heute?» – «Das und das. Und du so?» – «Ah, toll. Ich mache das und das.» Ätzend. Wir verabredeten uns nicht, wir sagten nur, was wir taten. Vielleicht in der Hoffnung, dass der eine sagt, ach ja, da gehe ich auch hin, wenn der andere eine Party nennt, die man ebenfalls besuchen will.
Da sie ihr Leben sehr aktiv auf Instagram teilte, wusste ich auch immer, ob sie ihre Pläne umsetzte. Aber wirklich geholfen hat das natürlich wiederum nicht. Ich wollte ja nicht demonstrativ irgendwo aufkreuzen, wo sie war. Wäre etwas übertrieben gewesen.
Und dann, meine liebe Community, und hier erwarte ich Applaus, denn wir alle wissen, dass es zwar keine Meisterleistung ist, aber doch viel zu selten vorkommt, dann habe ich, obwohl ich nicht wusste, ob sie Single war, und sie nicht so super offensichtlich Interesse bekundete, aber mich ja immerhin auf Instagram suchte, was ich zu meinen Gunsten auslegte, dann habe ich ihr geschrieben, ob sie mit mir schwimmen gehen wollte. Wollte sie. Hatte aber keine Zeit. Aber gerne «ein andermal».
Ich würde mal sagen, sie hat einen Freund.
Aber vielleicht liege ich falsch. Wie dem auch sei: Ich halte euch auf dem Laufenden.
So long,
Ben
Einfach Mal ein bisschen Geduld haben, vielleicht klappt es oder nicht. Im schlimmsten Fall wirst du ein besserer Spieler .