Ich fliege morgen nach New York ... Beim Tippen dieses Satzes wird mir leicht übel, deshalb ist es auch gut möglich, dass ich in letzter Sekunde alles abblase und nicht in einem Flieger, sondern mit 17 Promille auf meinem Sofa sitze. Aber aktuell ist der Plan folgender: Ich fliege morgen Samstag um 9 Uhr in Zürich ab. Um 14 Uhr lande ich am JFK Flughafen. Ich gehe in ein Hotel, das mir Hanna empfohlen hat, weil Hanna New York liebt und behauptet, in Wahrheit New Yorkerin zu sein. (Sie ist aus einem Kaff im Aargau, kleiner Unterschied, aber egal.) Ich war erst einmal in New York, das ist viele Jahre her, ein Familienurlaub und woran ich mich am meisten erinnern kann, ist eine «Sex and the City»-Tour, wozu uns meine jüngere Schwester gezwungen hat.
Ich sollte etwa um 16 Uhr im Hotel sein und dort schreibe dann eine Nachricht an Sie*. Oder ich rufe an. Oder ich gehe ... Okay, das ist alles noch etwas unklar. Ziel ist, Sie* zu sehen und mit ihr zu reden. Klarheit schaffen, Lösungen finden, vielleicht, wenn's gut läuft, zwischendurch Sex* haben, aber man soll ja nichts erwarten, heisst es jedenfalls immer und ich denke, dass das kompletter Bullshit ist, denn wenn man nichts erwartet, erwartet man ja auch was, nämlich nichts. Am Sonntag fliege ich um 16 Uhr zurück, damit ich um 6.30 Uhr wieder in Zürich und um 8 Uhr bei der Arbeit bin.
Bevor ihr aufschreit: Ja, das ist absoluter Klimablödsinn und ich habe vor lauter schlechtem Gewissen meinen halben Februarlohn an entsprechende Organisationen gespendet. Und ich bin die letzten drei Jahre kein einziges Mal geflogen. Macht es nicht wirklich besser, ich weiss, weil ich nun für gerade mal 24 Stunden Aufenthalt einen Übersee-Flug hinlege. Ich wollte es trotzdem erwähnen. Drei Jahre!
Ich will an dieser Stelle ebenfalls sagen, dass dies alles Hannas Idee ist. Der ganze New-York-Trip, meine ich. Hanna fand, ich würde nie rausfinden, «was Sache ist», wenn ich nicht Face to Face reden kann. Face to Face hat sie gesagt und angefügt, dass Facetime nicht gelte. Man müsse solche Dinge in Fleisch und Blut klären.
Hanna hat auch gesagt, dass ich ihr die Schuld geben darf, wenn der Trip ein Reinfall ist. Was das bringt, sei dahingestellt und ich weiss, dass ich klinge, als würde ich mich rechtfertigen wollen, aber Tatsache ist: Ich will mich rechtfertigen. Ich finde mein Vorhaben so dermassen aussergewöhnlich, dass ich mich, noch bevor alles angefangen hat, dafür verurteile.
Wichtige Information: Sie* weiss nicht, dass ich komme.
Dies, weil ich nicht weiss, ob sie wollen würde, dass ich sie in New York besuche. Und ich weiss nicht, ob ich wissen wollen würde, wie sie reagiert, würde ich sie fragen. Ich glaube, es ist besser, sie direkt zu sehen. Face to Face. Sahen wir uns, war es bisher immer gut. Darauf vertraue ich.
Nun zu der wichtigen Frage: Warum tu ich das? Ich, der grosse Gesten hasst. Ich, der im vorletzten Text klar deklariert hat, dass er nicht «so ein Typ» ist, der als romantischer Akt einer Frau hinterher fliegt und dann Liebeslieder vor dem Balkon singt. Bevor ihr fragt: Nein, ich habe keine Gitarre dabei. Ich kann noch nicht Gitarre spielen.
Ich tue es, glaube ich jedenfalls, so ganz sicher bin ich mir auch nicht, aber ich glaube, ich tue es, weil es mich die letzten zwei Wochen so dermassen verfolgt hat. Weil ich es wirklich nicht schaffe, herauszufinden, was ich will, was sie will und was das alles sollte. Egal, wie sehr ich überlege und studiere.
Ich verstand ihre WhatsApp. Ich verstand, dass Sie* wütend war. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie diesen Blog liest. My bad. Ich hätte mir mehr Mühe machen können, ihre Identität zu verschleiern. Ich habe ihr geantwortet und mich entschuldigt. Sie hat nur «Schon okay, bin ja eh weit weg» geschrieben, was mich etwas überrascht hat, weil es in ihrer langen WhatsApp davor nicht ganz nach «schon okay» klang. Aber nun gut. Sie kann ja ihre Meinung ändern.
Ich wollte mich zuerst ablenken und habe intensiv auf Tinder rumgewischt. Stutzig gemacht hat mich, dass ich in drei Tagen kein einziges Mal rechts gewischt habe. Und noch skeptischer wurde ich, als Hanna fand, ich solle endlich aufhören, darüber zu reden und Hanna beklagt sich nie, wirklich gar nie, wenn ich über Frauen rede. Das war gestern und wir hatten, als wir darüber sprachen, schon einige Bier intus. Hanna sagte: «Wenn ich einen Flug finde, der unter 500 Franken ist, gehst du und klärst es. Und sonst verlange ich, dass du sie jetzt auf der Stelle anrufst.» Sie fand einen Flug. Er war nur knapp 400 Franken und ich fand die Vorstellung anzurufen so schrecklich, dass ich zustimmte und sie den Flug buchte.
Ich weiss nicht wirklich, was ich mir von diesem Trip erhoffe. Was ich mir wünsche, ist, dass in meinem Kopf wieder Ruhe herrscht. Dass endlich wieder alles normal ist.
Wish me luck!
So long,
Ben