Cleo scheisst es an. Dass sie zurzeit keinen richtigen Sex haben kann, schlägt ihr aufs Gemüt. Dabei kann die Gute echt gut mit Trockenphasen umgehen. Zumindest wenn Normalität herrscht.
So aber in der Isolation findet sie das Singlesein und die Sexlosigkeit uncool. Am Bett-Gspusi fehlt es ihr eigentlich nicht. Cleo schläft seit einiger Zeit mit irgendeinem Karsten, den sie uns nicht vorstellt. Weil: nichts Ernstes. Und deswegen auch nicht tauglich, um die die 2-Meter-Abstand-Regel zu brechen.
Gestern frage ich sie beim Facetime-Znacht, wies ihr geht. Sie strahlt. Ihre Backen sind rot, ihr Teint gesund. Sie hat jetzt Internetpornos entdeckt. 20 Jahre später als alle anderen. Bis anhin hatte sie es nicht so mit Pornos. Jetzt aber will sie schon fast auf's Dessert verzichten und mich abwürgen.
So nicht, Cleo.
«Tinderst du?», frage ich. «Nöö», sagt sie. Anfangs dachte sie, oh geil, viel Zeit zum schreiben und chatten. Lässig. «Doch dann merkte ich, das führt nirgends hin!» Brieffreunde suche sie schliesslich nicht. Letzte Woche aber hat sie mit einem Kandidaten Videotelefonie-Dating gemacht. «War easy, aber jetzt auch nicht der Oberknaller!»
«Sehnst du dich nach einer Beziehung?», will ich wissen. «Nein!!!!!!!!! Eine Beziehung jetzt, wenn man nicht wie du, gerade frischverliebt ist, ist doch schrecklich. Also das ist doch das Ende der Beziehung. All meine Freunde, die in festen Händen sind, drehen durch! Dein Lover ist 24/7 mit dir!»
Ich weiss, was sie meint.
«Ich fühle mich dennoch einsam. Einsamer als sonst, das gebe ich zu», sagt sie.
Ich weiss, was sie meint!
Kann sie aus der ganzen Situation, ausser Pornos, irgendwie doch noch was Gutes ziehen? «Wenn die Krise vorbei ist, werden ganz viele neue Singles auf dem Markt sein. So gesehen, ist die Krise meinem Leben dienlich.»
Das ist MEINE Cleo.
Alex ist grundsätzlich eines für Frauen: Gift! Alex sieht wahnsinnig gut aus, ist enorm charmant, klug, belesen, witzig! Und null bindungsfähig! Ich musste schon einige Frauen trösten, die sich in ihn verliebt und nicht bekommen haben. Also zumindest nicht angezogen. Und für länger als ein paar nette Wochen.
Ich derweil habe nie mit Alex gevögelt. Ich bin ihm zu klein, er mir zu cool. Was super ist, weil wir so schon seit Ewigkeiten in der Friendzone viel Spass haben.
Alex ist jedenfalls Tinder-King. Der hat eine Treffer-Quote von sicher 90 Prozent. Und von den 90 Prozent, die er dann auch im real life datet, landet er sicher mit 70 Prozent im Bett.
Alex ist nie einsam. Und Alex hat immer Sex. Ausser jetzt. Ist auch das Einzige, das ihn anscheisst. «Weisst du», sagt er, «wenn Sex nicht einfach so verfügbar ist, dann ist es das einzige, das ich mir für mein Leben wünsche.»
(Dä Hans im Schnäggeloch hät alles, was er will. Und was er hät, das will er nöd und was er will, das hät er nöd…. La la la…!)
Alex wohnt alleine. In einer winzigen Wohnung ohne Bilder an der Wand und ohne Zimmerpflanze neben dem Bett. Fehlt dir niemand zum kuscheln beim Netflix schauen? «Null!», sagt er. An Aufmerksamkeit mangle es ihm nämlich nicht.
«Die Tinderellas drehen ab», erzählt er. «Jede will stundenlang chatten, deepe Gedanken austauschen, mental kuscheln irgendwie, weisst du, wie ich meine?», fragt er.
Ich kann's mir vorstellen, ja.
Alex hat dadrauf keine Lust. Er will einfach bumsen. Und kann nicht. Weil Corona. Scheiss Corona. Masturbieren findet er keinen adäquate Ersatzlösung. Jetzt schon Frauen für danach «rekrutieren», mag er auch nicht.
Ja, was macht der Gute dann so? «Viel Playstation und Stoya bild- und video-googeln, um dann am Schluss eben doch tammi-gopferdeckel-namal zu masturbieren!»
Am meisten «Sorgen» in Sachen Sex und Corona mache ich mir ja um meinen schwulen Nachbar. Ich kenne niemanden, der so viel Sex hat und so glücklich, zufrieden und zen wie mein schwuler Nachbar ist.
Ich bin mir sicher, dass «Grindr» alleine von meinem Nachbarn, dem Power-User, überleben kann.
Dank dieser und anderen Apps und Foren, die ich nicht ganz schnalle, steigen bei meinem Nachbarn auch regelmässig «Partys», die weit in den Sonntagmorgen dauern. Mich stört das nicht. Ich nehm's den Dudes auch (fast) nicht übel, wenn sie fälschlicherweise bei mir statt ihm klingeln. Morgens um 3. Oder 4 oder sogar 5.
Jetzt aber will ich wissen, wie es der Nachbar ohne Sex aushält? Einen Freund hat er nämlich nicht – «Ich bin doch nicht irr!» – also frage ich. Er antwortet ewig nicht.
Dann ruft er mich an. Oben ohne. Seine Frisur ist verwuschelt, an der Zigi im Mundwinkel zieht er genüsslich. «Hatte grad einen sehr geilen Cyber F*ck», sagt er. «Wir waren zu dritt.» Ein Pärchen und er. Die beiden kennt und bumst er schon länger.
Jetzt hatten halt die zwei Sex vor der Webcam, während es sich mein Nachbar selber gemacht hat. «Grossartig», findet er. Easy kommen, ohne danach nach Hause gehen zu müssen oder andere nach Hause schicken zu müssen.
Ich lache.
Er meint es ernst. Corona und Isolation und so scheisst ihn schon sehr an. Sexuell aber sei das unproblematisch. Also zurzeit zumindest. Wie lange er es ohne richtigen Körper aushält, weiss er nicht. Daran will er nicht denken.
Lieber daran, wie geil es sein wird, wenn er dann wieder richtig kann. «Stell dir das mal vor, das wird unser aller bester Single-Sex. Wir werden ausgehungert und unendlich dankbar sein. Fällt dir eine bessere Voraussetzung für krassen Sex ein?»
Eine Frage, die ich gerne dir, lieber User, weitergebe. Bis es aber soweit ist: Wie handelst du das Singleleben und die Sexlosigkeit zurzeit?
Und dann noch eine Joker-Frage: Liest du noch oder bild- und videogoogelst du «Stoya»?
Machts gut, Freunde, und bleibt unbedingt gesund,
Gleichzeitig wirken die drei auf mich wie Stellvertreter einer Gesellschaft, die gegen aussen ein "hey, Hauptsache Sex, Beziehung ist viel zu anstrengend" Bild abgeben wollen...unverletzlich, emotional unabhängig. Insgeheim dann doch jedes Mal verletzt sind, wenn sich keine richtige Nähe einstellt.
Emotionale Nähe und Verbundenheit entstehen nur, wenn wir uns getrauen verletzlich zu sein und Verletzlichkeit zuzugeben.
Fassadäres Getue führt nur dazu, dass wir uns noch seltener verstanden fühlen...Klingt für mich danach.