Es gibt Dinge, die habe ich in meinem Leben selten bis nie erlebt. Zum Beispiel Versöhnungssex. Also so der Klassiker: Problem, Streit, Sex. Problem nicht gelöst, aber Streit fertig.
Da ich ja kaum Beziehungen hatte, also eigentlich nur eine, wenn man Lara nicht mitrechnet, kenne ich das nicht wirklich. Mit der Frau, die wir hier nicht mehr erwähnen, hatte ich eher so «Wir schweigen uns an»-Streits, die dann nicht in Sex, sondern einer unterkühlten Verabschiedung ohne Körperkontakt endeten. Mit den anderen Frauen, mit denen ich längere Zeit Sex hatte, hatte ich keine Streits, weil ich ein Gespräch, bevor es nur ein kleines bisschen hitziger werden konnte, sofort beendet und das Weite gesucht habe.
Am meisten habe ich mit Hanna gestritten. Früher jedenfalls. Als wir noch studierten und zusammen wohnten. Da stritten wir sicher einmal die Woche. Ich behaupte, meistens hat Hanna den Streit forciert. Sie ist deutlich streitlustiger als ich. Haben nicht wir gestritten, stritt sie mit einem anderen Mann in unserer WG. Sie sagt auch selbst, sie löse jeden Streit mit Sex. Ihre Beziehungen bestanden aus Sex und Streit und Sex und Streit. Sie waren eher kurz und laut und am Schluss endeten sie dramatisch und dann hatte sie doch noch ein paar Mal Sex mit diesen Männern, obwohl eine Versöhnung wirklich keine Option mehr war. Der After-Breakup-Sex war eher so wie ein Hitzgi, plötzlich da und wenn er mal angefangen hat, muss man sich entweder auf den Kopf stellen oder erschrecken lassen, damit er wieder verschwindet.
Bevor ihr da wilde Theorien aufstellt: Hanna und ich hatten trotz Streits nie Sex. Hanna ist meine beste Freundin, für all die, die das schon vergessen haben oder neu hier sind.
Warum wir so viel stritten, obwohl es keine Aussicht auf Sex gab? Ich glaube, Hanna und ich wollten einfach noch das Leben, das wir kannten, weiterführen. Wir kommen beide aus Familien, in denen laut gestritten wird. Egal, wie nichtig das Problem ist, es wird sofort die Lautstärke hochgedreht. So schnell, wie sie oben ist, geht sie wieder runter. Meine Schwestern und ich, aber auch meine Mutter, mein Vater war sicher am leisesten, aber wir anderen konnten uns aufs Übelste beschimpfen und drei Minuten später war es, als wär nie etwas passiert. Bei Hanna flogen manchmal sogar Esswaren durch die Gegend. Das war bei uns nicht erlaubt.
Nun hatten Lara und ich unseren ersten Streit. Der Grund, so fand ich, war kein Grund zum Streiten: Ich hatte den Nachmittag frei, lag an der Limmat in der Sonne, Lara wollte später dazu kommen, sagte, sie werde sich melden, wenn sie fertig sei mit der Arbeit, ich hatte das Handy auf lautlos, sie kam an die Limmat, fand mich nicht, sie war auf der anderen Seite, und als ich zurückrief, war sie schon wieder weg und wütend, denn ich hätte ja wissen sollen, dass sie sich melden würde und dass sie dann wissen muss, wo ich sei, denn so sei sie ja total sinnlos an die Limmat gekommen.
Sie warf mir vor, ich hätte gar nicht gewollt, dass sie käme, was ich absolut bescheuert fand. Ich lag ja da allein rum, warum hätte ich nicht wollen sollen, dass sie sich neben mich legt? Damit ich allein neben fremden Menschen liegen kann? Null Sinn, sage ich ja.
Sie wollte den Abend für sich. Fand ich okay. War aber, wie ich nun weiss, falsch von mir. Hätte ich nicht okay finden sollen. Ich hätte, wie sie fand, das Gespräch suchen, bei ihr vorbeigehen sollen. Aber wie soll ich wissen, dass «Ich will allein sein» ein Codewort für Zweisamkeit ist?
Wir sahen uns am nächsten Tag und irgendwie eskalierte die Situation. Sie schimpfte rum, ich sei nicht beziehungstauglich, ich fand, sie übertreibe, irgendwann wollte sie rausgehen und ich sagte, okay, eventuell war ich etwas laut, aber ich fand, dass das doch eine Scheissidee war.
Der Streit endete damit, dass ich mich entschuldigte, dass ich das Handy auf lautlos hatte und sie ausführlich erklärte, dass wir wohl eine andere Streitkultur hatten, denn sie würde es wirklich nicht tolerieren und hätte das auch nie so zuhause kennengelernt, trotz südländischem Temperament, nein, sie wolle nicht, dass es laut werde. Ich nickte.
Ich dachte, nun, da wir das Problem nicht wirklich gelöst, aber den Streit immerhin beendet hatten, können wir vögeln. Es war zwar nicht ganz so, wie ich mir das vorstellte, wo man sich laut fluchend die Kleider vom Leib reisst, aber nun gut, besser als nichts.
Ich legte los. Lara machte mit. So halb. Sie war angespannt, fast abweisend, vielleicht braucht's ein bisschen, dachte ich. Falsch. Wir hatten noch alle Kleider an, als sie sich wegdrehte. Sie könne jetzt nicht mit mir schlafen. «Ich muss zuerst alles setzen lassen», sagte sie. «Ich bin doch nicht so schnell wieder in einem anderen Mood!»
Ich gab auf, wir schauten einen Film. Irgendeine langweilige Komödie. Wenig Handlung, viele Missverständnisse. Ich schlief nach der Hälfte ein. Am nächsten Morgen war Lara wieder bester Laune. Sex hatten wir aber trotzdem nicht.
So long,
Ben
Ein sehr erwachsenes Verhalten 😂!!!
"weil ich ein Gespräch, bevor es nur ein kleines bisschen hitziger werden konnte, sofort beendet und das Weite gesucht habe"
Alles gesagt für heute.