Zum ersten Mal trafen sich Eva und Adele 1988 an einer Bohème-Party in Italien. Eva, so sagt Adele, sei damals noch «ein Typ» gewesen, allerdings als Marlene Dietrich verkleidet, sie selbst ein Punk, die beiden fanden sich und tanzten die ganze Nacht lang. Am Ende der Nacht holte Eva einen Koffer mit Polaroids aus ihrem Camper, es waren lauter Fotos von Eva in unterschiedlichen Frauenkleidern. Adele mochte die Bilder. Und die beiden wurden ein Liebespaar.
1989 verbrachten sie viel Zeit in Griechenland, wo sie einen gemeinsamen Film drehten und darüber zuhause den Mauerfall verpassten. Dafür passten sie sich aneinander an: Der Punk Adele wurde damenhafter und die Dame Eva punkiger, sie rasierten sich die Schädel und schminkten sich identisch.
Am 11. April 1991 beschlossen sie, bis dass der Tod sie scheide, als «Zwillinge aus der Zukunft» aufzutreten. Und als «Hermaphroditen» von einem anderen Stern. Sich geschlechtlich nie mehr festlegen zu lassen. Und ihre Zwillingsartigkeit nicht nur mit Make-up, sondern auch in aufwendigen, immer bunteren Kostümen auszuleben. Sie feierten dafür eine Hochzeits-Performance – beide im Brautkleid.
Bis zuletzt gab es sie nicht mehr ohne einander. Adele verliess die gemeinsame Atelier-Wohnung in Berlin Charlottenburg neben der Deutschen Oper nur im äussersten Notfall alleine, Eva gar nicht.
Im Atelier fertigten sie Bilder, Installationen und Videos an und wurden damit ziemlich reich, doch ihre eigentliche Kunst war die Performance, die Aktionskunst im öffentlichen Raum. An Kunst-Events wie der Art Basel, an Biennalen, Vernissagen oder in Alltagssituationen, auf der Strasse, beim Einkaufen.
Und weil Eva massgebend war bei der Kostümierung, weil sie es sich gewünscht hatte, für immer als «Dame» aufzutreten, wirkten die beiden wie ausserirdische, kahlköpfige Dragqueens. Drei Stunden dauerte die Verwandlung, das Rasieren, das Schminken, das Anziehen, Tag für Tag für Tag, im Urlaub erlaubten sie sich etwas leichteres Make-up, «beruflich» musste es schon mal bis zu 36 Stunden halten.
Es sei gefährlich gewesen, damals, in den 90er-Jahren, so auf die Strasse zu gehen, erzählen sie in einer ARD-Dokumentation, sie hätten im ungeschützten offenen Raum ihre Furchtlosigkeit trainieren müssen. Und sie erfanden ihre Waffe: ein scheinbar unbekümmertes, freundliches, zur Kommunikation einladendes Lächeln. Sie hätten sich damit immer wieder aus gefährlichen Situationen «herausgelächelt». Ihre Message war die Befreiung von allen Normen, ihre Strategie eine allumarmende Liebenswürdigkeit und Wärme.
Die einen beschimpften sie als hohlen Kitsch. Quasi die Blue Man Group des Kunstbetriebs. Für die anderen waren sie avantgardistische Amazonen, über die Dutzende von Dissertationen geschrieben wurden.
Über die bürgerlichen Namen der beiden Künstlerinnen ist nichts bekannt. Auch nicht über ihre Geschlechtsidentität oder ihr Alter. All das ist fluide. Dafür haben sie auf Wikipedia andere Angaben zu sich selbst verewigt: Eva sei 176 und Adele 161 Zentimeter gross, heisst es da, Oberweite, Hüfte, Taille sind ebenfalls festgehalten. Man könnte für sie nach diesen Angaben Kostüme entwerfen.
Selbstverständlich waren die beiden Lieblinge der Medien, sie schmückten jedes Bild, sie wussten das genau, und sie machten sich ihr Dasein als wandelnde Attraktion zu Nutze. Wurden, lange bevor es soziale Medien gab, zu einem sozialen Medium.
Wer ihnen begegnete, lief unweigerlich Gefahr, von ihnen angesprochen und darum gebeten zu werden, ein Foto von ihnen zu machen. Und ihnen dieses Foto im Anschluss zu schicken. Über die Jahre sammelten sie so tausende von Bildern. Getreu ihrem Slogan «Wherever we are is museum».
Nun ist Eva gestorben. Sie habe nach einer Operation an der Lendenwirbelsäule keine Kraft mehr gefunden, sagt Adele. Am Mittwoch schrieb sie auf Instagram: «EVA ist heute zurück in die Zukunft gegangen. Sie hat diese Welt verlassen und die ewige Bühne betreten. Ihr Glaube an die Kraft der Kunst war unendlich.» Adele will die gemeinsame Kunst weitertragen. 201 mit Eva begonnene Leinwände warten auf die Vollendung und eine Stiftung soll gegründet werden.
Genau zwei Monate nach dem Tod der Rosenstolz-Sängerin AnNa R. hat das queere Berlin erneut eine legendäre Figur verloren. Vielleicht singt AnNa R. jetzt auf einem fernen pinken Stern für Eva «Liebe ist alles». Zurück in einer Zukunft, in die wir irgendwann alle auch eingehen werden.
Ruhe in Frieden Eva... Und lache ab und an für uns mit...