«Top Gun» machte das Militär wieder cool. 1986 verzeichnete das US-Militär einen leichten Anstieg an Eintritten, in einigen amerikanischen Städten standen sogar Recruiter vor den Kinos und haben begeisterte Männer abgefangen. Doch die Beziehung zwischen Hollywood und dem US-Militär hat schon viel früher begonnen und hat sogar einen Namen: Military Entertainment Complex.
Auf Deutsch wird diese Zusammenarbeit auch Militainment genannt. Filmemacher können in Los Angeles in das Entertainment Liaison Büro gehen und sagen, dass sie für einen Film etwa Militärflugzeuge benötigen. Im Gegenzug verlangt das Militär das komplette Skript. Es kommt nicht selten vor, dass diese ganze Szenen neu schreiben und Inhalte abändern, wie es in der Dokumentation «Theaters of War: How the Pentagon and CIA took Hollywood» heisst.
Die US-Regierung richtete 1917 ein «Komitee für öffentliche Information» ein, um Richtlinien für die Medien zu formulieren und die Unterstützung im Land für ihren Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu fördern.
Der Zweite Weltkrieg brachte dann denn Ball so richtig ins Rollen. Dann wurde das Entertainment Liaison Büro vom US-Verteidigungsministerium (DoD) gegründet. Bis heute ist sein Ziel, die Armee in den Unterhaltungsmedien gut aussehen zu lassen. Das DoD schreibt auf seiner Webseite, sie wollen «militärische Geschichten akkurat darstellen und sicherstellen, dass in Hollywood-Drehbüchern keine sensiblen Informationen preisgegeben werden».
Das Militär zielte mit seiner Propaganda auch auf Kinder ab, so erhielten Kinder in der Show «The Mickey Mouse Club» exklusive Einblicke in die Arbeit des Militärs. Einige Kinder durften etwa ein Atom-U-Boot besuchen, wie «Der Spiegel» schreibt.
1941, vier Jahre nach dem Angriff auf Pearl Harbor, tat sich Walt Disney mit dem amerikanischen Militär zusammen und unterstützte dieses auf alle möglichen Arten. Er stellte nicht nur Disneys Gebäude zur Verfügung, sondern erstellte auch militärische Trainingsfilme. Anfang der 1940er-Jahre strahlte Disney mehrere militärische Ausbildungsfilme aus, die Millionen von Amerikanern über den Krieg aufklärten.
Zwischen 1942 und 1945 überprüfte das Entertainment Liaison Büro 1652 Drehbücher und überarbeitete oder verwarf alles, was die USA ungünstig darstellte, einschliesslich Material, das die Amerikaner als «gleichgültig gegenüber dem Krieg oder als Kriegsgegner» erscheinen liess.
«Der Leiter des Büros war Elmer Davis, der sagte: ‹Der einfachste Weg, eine Propaganda-Idee in die Köpfe der meisten Menschen zu bringen, ist, sie über das Medium eines Unterhaltungsfilms laufen zu lassen, wenn sie nicht merken, dass sie manipuliert werden›», sagt Tanner Mirrlees, Professor für Kommunikation und digitale Medien an der Ontario Tech University.
Hollywood hatte seinen Marschbefehl vom Militär erhalten, und während des Krieges, so sagt er, «wurden Leute, die ausgebildet worden waren, um Seife, Müsli und Haushaltsgeräte zu verkaufen, nun vom Staat angeworben, um der amerikanischen Öffentlichkeit den Krieg zu verkaufen».
Und diese Mission dauere bis heute an. Die Beziehungen, die während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges zwischen den US-Regierungsstellen und Hollywood geknüpft wurden, haben die Art und Weise, wie Geschichten über das Militär erzählt werden, bis heute geprägt.
«Viele Filme [Hollywoods] sind in das amerikanische Militär verstrickt. Und sie werden gemacht, um das amerikanische Militär zu verherrlichen», so Mirrlees. «Kein Land auf der Welt produziert so viele Bilder von sich selbst als militärischem Helden wie die Vereinigten Staaten. Das ist ein einzigartiges kulturelles Phänomen.»
Wer über die Beziehung zwischen dem Militär und Hollywood spricht, kommt um den Namen Philip M. Strub nicht herum. Dieser war drei Jahrzehnte lang beim Pentagon Filmbeauftragter und übte Einfluss auf tausende Filme, Serien und Videospiele aus. Dazu gehören «Iron Man», «Man of Steel», die «Transformers»-Franchise und «Der Morgen stirbt nie». Dem zweiten «Transformers»-Film stellte die US-Air-Force F-22-Kampfflieger im Wert von 150 Millionen Dollar zur Verfügung.
Strub war die einzige Person, die darüber entscheidet, ob ein Film das Recht auf militärische Zusammenarbeit in allen Bereichen – vom Zugang zu Informationen und Beratern bis zur Nutzung von Flugzeugen der Luftwaffe oder Schiffen der Marine – erhält oder nicht.
Die Zusammenarbeit mit dem Militär hat für Filmproduzenten gleich mehrere Vorteile: Einer ist, dass der Film sehr viel kostengünstiger produziert werden kann, wenn militärisches Material verwendet werden darf. Dies, weil es auch das Einsetzen von CGI vermindert.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Produktion dadurch oft in der Lage ist, die täglichen Mindestsätze für gewerkschaftlich organisierte Schauspieler zu umgehen (1158 Dollar pro Tag für Filme mit einem Budget über zwei Millionen Dollar). Das Militär stellt neben Kampfjets, Schiffen und Technologien oft auch Soldaten als Statisten zur Verfügung.
Strub verweigert dem Pentagon die Unterstützung von Filmen, die das Militär in einem negativen Licht zeigen, z. B. Szenen, die Drogenkonsum, Mord oder Folter ohne anschliessende Bestrafung beinhalten. Aus diesen Gründen hat Strub die Unterstützung für die Filme «Platoon», «Apocalypse Now», «Zero Dark Thirty» und «Argo» verweigert.
Doch der Einfluss des Militärs ist gross genug, dass wenn ein Kriegsfilm (oder Serie) nicht vom Militär unterstützt wird, oft das Budget nicht ausreicht, um diesen zu realisieren und das Projekt eingestampft werden muss.
Was zunächst wie eine Verschwörungstheorie in einem Film tönt, ist wirklich so: Zu Zeiten des Kalten Krieges entdeckte die CIA, wie effektiv die Arbeit war, welche Agenten, bzw. Hollywood-Persönlichkeiten, die als Agenten tätig waren, für sie leisteten. Ein Beispiel dafür ist Luigi Luraschi. Luraschi arbeitete in den 50er-Jahren für das Studio Paramount Pictures und tauschte sich heimlich mit einem CIA-Agenten über die Darstellung des Geheimdienstes in Filmen aus. Er schrieb regelmässig Drehbücher neu, um die CIA in ein gutes Licht zu rücken.
Doch nur Einfluss auf die Filmemacher zu haben war nicht genug, die CIA wollte vor Ort sein. Im Buch «The CIA in Hollywood» schreibt Tricia Jenkins, dass die CIA ein sehr weites Netzwerk von Drehbuchschreibern wie Tom Clancy bis zu Schauspielern wie Ben Affleck geknüpft hat.
Die CIA soll laut Jenkins dafür sorgen, dass ihre Interessen durchgesetzt werden. Dies funktioniert ähnlich wie bei der Armee: Die Filmemacher bekommen exklusive Einblicke in Dokumente und Gebäude und dürfen sich mit Agenten austauschen. Im Gegenzug dazu wird die CIA positiv dargestellt, damit die Bevölkerung das Gefühl hat, «so schlimm sind die gar nicht». Auch wenn sie vom Militär nicht unterstützt wurden, «Argo», «Zero Dark Thirty» und «Der Anschlag» sind nur einige der Filme, in denen die CIA ihren Einfluss ausgeübt hat.
Ausserhalb der USA ist es nicht so einfach, die Zuschauenden von einem «guten US-Militär» zu überzeugen. Serien wie «SEAL Team», «The Brave» und «Valor» sind «Stimmungsmache mit viel Brustklopfen und Fahnenschwenken», sagt Stephen Mowbray vom schwedischen öffentlich-rechtlichen Sender SVT gegenüber «The Hollywood Reporter». Silke Regier von RTL sagt: «Wirklich patriotische, nationale Sendungen sind für uns sehr schwierig einzuordnen.»
Das internationale Publikum ist für die Studios aber von enormer Bedeutung. Globale Verkäufe machen immer einen grossen Anteil des Gewinns aus.
Damit diese Serien auch in Europa ein Publikum finden, müssen sich amerikanische Studios etwas einfallen lassen. So änderte NBC beispielsweise den Namen der Geheimdienstserie «For God and Country» in Europa zu «The Brave». «Wir haben sehr darauf geachtet, diese Serie für unsere internationalen Käufer nicht als US-Militärserie, sondern als internationale Actionserie zu positionieren», sagt Don McGregor, von NBCUniversal. «Wir wollen die Politik da raushalten.»
Der Angriff auf Pearl Harbor fand 1941 statt.