Jason Momoa steht auf einem Wa'a (einem doppelten Kanu), während unter ihm die Wellen des Pazifischen Ozeans toben, im Hintergrund sind die hawaiianischen Inseln zu erkennen. Er legt seinen Umhang aus Blättern ab und springt ins Wasser. Unter der Wasseroberfläche entfacht ein bitterer Kampf ums Überleben zwischen ihm und einem Hai.
Diese erste Szene aus «Chief of War» setzt den Ton für die ganze Miniserie, die mit atemberaubenden Bildern und einem rein polynesischen Cast einen der wichtigsten Momente der hawaiianischen Geschichte erzählt.
Die historische Serie basiert auf wahren Gegebenheiten, die ausserhalb von Hawai'i nicht gross bekannt sind. Denn vor der Kolonialisierung und illegalen Annexion durch die USA waren die acht hawaiianischen Inseln in vier Königreiche unterteilt: O'ahu, Maui, Hawai'i und Kaua'i.
Und mittendrin Ka'iana, ein berüchtigter hawaiianischer Kämpfer, gespielt von Jason Momoa.
Ka'iana zählt zu den berühmtesten Kriegern Hawai'is. Er wurde 1755 geboren und stammt aus einer königlichen Familie. Seine Mutter war ein Mitglied der royalen Familie von Maui und sein Vater der Sohn des hawaiianischen Königs Keaweikekahiali'iokamoku.
Über seine Kindheit ist wenig bekannt, aber sein Ruf als Erwachsener verbreitete sich auf den Inseln und sogar über Kontinente hinweg. Ka'iana war der erste indigene Hawaiianer, der die Inseln verliess und 1787 mit John Meares, einem britischen Händler, nach China reiste.
Ka'iana faszinierte viele europäische Entdecker und Reisende. Meares beschrieb Ka'iana folgendermassen: «Er war fast 1,95 Meter gross und die muskulöse Form seiner Glieder war von einer herkulischen Erscheinung.»
Nach China ging es weiter nach Alaska, wo Ka'iana auf indigene Amerikaner traf. Ein Jahr später kehrte er nach Hause zurück und Kamehameha, der König der Insel Hawai'i, hatte grosses Interesse am neuen Wissen von Ka'iana.
Doch Ka'iana und Kamehameha verstritten sich und als der König in seiner Mission, die vier Königreiche zu vereinen, in O'ahu einfiel, stellte sich Ka'iana auf die Seite von deren Anführer Kalanikupule.
In der Schlacht von Nu'uanu im Jahr 1795 wurde Ka'iana zusammen mit seinem Bruder und 300 Kriegern getötet. Kamehamehas überwältigender Sieg in der Schlacht von Nu'uanu ebnete den Weg für die vollständige Vereinigung der hawaiianischen Inseln 15 Jahre später.
Der erste Europäer, der auf Hawai'i landete, war James Cook im Jahr 1778. Ein Jahr später kehrte er zurück und wurde bei einer Konfrontation mit Indigenen getötet. Kurz danach erfolgte die Kolonialisierung.
Kamehameha, der nun alle Inseln vereint hatte, war darauf vorbereitet. Gegen Pistolen und Seuchen hatte aber auch ein vereinigtes Hawai'i keine Chancen. In den 1820er-Jahren erreichten erste christliche Missionare die Pazifik-Inseln, Händler und Walfänger folgten. 1853 war die Zahl der Indigenen aufgrund von Krankheiten von 300'000 auf 70'000 gesunken.
1893 führten die US-Marines unter der Anführung von John L. Stevens einen blutigen Staatsstreich durch, um die Kontrolle über die hawaiianische Monarchie zu übernehmen. Sie inhaftierten die letzte hawaiianische Monarchin, Königin Lili'uokalani, und zwangen sie, auf ihren Thron zu verzichten. Sie stimmte zu, um weitere Gewalt zu verhindern.
Stevens schrieb: «Die hawaiianische Birne ist jetzt voll ausgereift und dies ist die goldene Stunde für die Vereinigten Staaten, sie zu pflücken.»
Und genau das ist auch geschehen, nicht aber mit Birnen, sondern mit Ananas. Um die Kontrolle über den Zuckerhandel zu erlangen, wurde Hawai'i als amerikanisches Territorium annektiert. Der Unternehmer Stanford Dole erklärte sich 1898, ohne Abstimmungen zu halten, zum ersten Präsidenten der Republik Hawai'i. Dadurch wollte er sein Ananas-Geschäft aufbauen. Und das, obwohl die Frucht in Hawai'i überhaupt nicht heimisch ist.
Doles Plan ging auf und die Idee, nicht etwa frische Ananas zu verschiffen, sondern diese in Büchsen abzupacken, machte ihn zu einem sehr vermögenden Mann. Dies ist natürlich auf dem Rücken sogenannter «Dreck-Bauern» (also Indigener) und ihrer unerbittlichen Arbeit entstanden.
Wer «Chief of War» schaut, muss Untertitel lesen. Denn in der Serie wird so gut wie nur 'Ōlelo Hawai'i gesprochen. Die Sprache, die vor der Kolonialisierung auf Hawai'i verbreitet war. Nach der Machtübernahme verbannten die USA 'Ōlelo Hawai'i aus Regierungsbehörden und Schulen, es durfte nur noch Englisch gesprochen werden.
Als die US-Regierung 1978 'Ōlelo Hawai'i als offizielle Staatssprache wieder einführte und 1986 das Unterrichtsverbot aufhob, war die Sprache schon fast ausgestorben. 2007 sprachen nur noch rund 300 Personen diese polynesische Sprache. Inzwischen sind es rund 20'000 Personen.
Gerade deshalb ist es besonders sinnvoll, dass in «Chief of War» die Indigenen nur 'Ōlelo Hawai'i sprechen. Es vergrössert auch nochmals die Kluft zwischen dem hawaiianischen Königreich und dessen Feinden, die Englisch sprechen.
'Ōlelo Hawai'i zu lernen war auch eine Herausforderung für die Schauspielerinnen und Schauspieler. Denn eine komplette Serie in einer Sprache zu drehen, die nicht viele Leute beherrschen, war nicht einfach. «Wir haben wirklich hart gearbeitet, denn Authentizität war uns unglaublich wichtig», erzählt Momoa in einem Interview.
Im August 1959 wurden auf Hawai'i Abstimmungen abgehalten – Indigene wurden davon aber ausgeschlossen. Daher kaum überraschend, dass die Urnengänger Hawai'i als 50. Bundesstaat der USA wählten.
Bis heute kämpfen hawaiianische Aktivistinnen und Aktivisten gegen diese Abstimmung. Sie fordern, dass die USA das Land zurückgeben.
1993 entschuldigten sich die USA für den Sturz der Monarchie und erkannten an, dass das hawaiianische Volk sein Land nie formell aufgegeben hat.
2009 wurde ein Gesetzentwurf erarbeitet, der die Anerkennung der hawaiianischen Indigenen auf Bundesebene vorsah. Seither ist aber nichts mehr passiert. Dieses Gesetz würde es den Indigenen ermöglichen, auf Hawai'i eine Regierung zu bilden, die der Bundesregierung auf dem amerikanischen Festland gleichgestellt ist.
Falls dieses Gesetz je durchkommt, würde das bedeuten, dass Hawai'i zum ersten Mal seit dem Sturz der Monarchie über sich selbst bestimmen kann.
«Chief of War» ist eine Miniserie und auf Apple+ verfügbar. Jeden Freitag kommt eine neue Folge heraus.
Der Umstand, dass "Kamehameha" hawai'ianisch ist und nicht ein erfundenes Kunstwort aus Dragon Ball war mir neu.
Seit ihrer Gründung sind die USA in Kriege verwickelt.