Cédric Waldburger, 30-jährig, lebt seit fast drei Jahren ohne Wohnung. Alle seine Besitztümer passen in einen grossen schwarzen Rucksack. 64 sind es an der Zahl – Waldburger zählt akribisch nach und listet alles fein säuberlich in einem Excel-File auf.
Der junge Schweizer Unternehmer ist Minimalist. Er verzichtet auf alles in seinen Augen Überflüssige und behält nur Dinge, die er wirklich braucht. Ein Telefon zum Beispiel – oder ein paar schwarze Zehenschuhe, Grösse 43.
Vor rund sieben Jahren begann der Zürcher, seine vielen Besitztümer als lästig zu empfinden. Er wollte flexibler werden. Und begann zu zählen – und zu reduzieren.
Viel Zeit. Ohne Auto oder Wohnung kann ich mich auf das Wesentliche und tolle Projekte konzentrieren. Ich muss am Wochenende nicht meine Küche putzen, mein Auto waschen oder die Reifen wechseln.
Alle materiellen Dinge, die nicht wesentlich zu meinem Glück beitragen. Wenn ich mir überlege, was mich wirklich glücklich macht, dann sind es Momente, in denen ich etwas gelernt habe oder ein Aha-Erlebnis erlebte – und nicht wegen des Kaufs oder Besitzes von materiellen Dingen.
... Zeit mit Freunden und viele spannende Erlebnisse.
Ich bin sehr konsequent, was meine Besitztümer angeht. Ich würde sogar noch mehr loswerden, wenn ich könnte. In meinem Kopf herrscht aber häufig noch Chaos. Es ist sehr rar, dass ich mich mehrere Stunden am Stück mit nur einem Thema befasse. Ich wünschte, ich könnte auch die vielen Gedanken in meinem Kopf konsequent reduzieren.
Nachhaltigkeit hat viel mit Bewusstsein zu tun. Ich versuche bewusst, an verschiedenen Orten zu sparen. Auch wenn das nicht immer gelingt. Ich fliege sehr viel und belaste damit die Umwelt. Natürlich wäre es nachhaltiger, das Fliegen zu reduzieren. Bislang gibt es jedoch noch keine Technologien, die es mir ermöglichen, eine gute Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, ohne dass ich sie vor Ort besuche. Ich arbeite zwar viel mit Videocalls und Chats, aber da diskutiert man über das Geschäft und nicht über persönliche Dinge.
Ablenkung. Die meisten Menschen führen ein Leben vollgestopft mit Sachen – materielle und immaterielle Dinge. Sie alle brauchen Zeit und Aufmerksamkeit. Das führt dazu, dass wir oft sehr zerstreut sind und kaum zur Ruhe finden.
Weiterhin meine Ziele verfolgen zu können. Ich möchte versuchen, weniger zu fliegen – und mich auf weniger Projekte fokussieren.
Überall, wo ich häufiger bin, habe ich einen Handföhn dabei. Ich suche auch meine Hotels danach aus, ob sie einen Föhn haben oder nicht. Ich kann mich einfach besser konzentrieren, wenn der Föhn laut läuft. Das Geräusch und die Wärme hilft mir, mich zu fokussieren.
*Als watson mit Waldburger das Interview führte, war er noch ohne Wohnung. Unterdessen hat er sich temporär in einer Wohnung in der Nähe von Zürich niedergelassen.