Wieder einmal hat die Duden-Redaktion neue Wörter in die jüngste Ausgabe des Rechtschreibdudens aufgenommen. 3000 neue, offiziell vom Standardwerk der deutschen Rechtschreibung abgesegnete Wörter beglücken fortan unseren Wortschatz. Ein flüchtiger Blick auf die Neuzugänge offenbart, wie es um unsere Welt steht: Affenpocken, Extremwetterereignis, Flugabwehrsystem, Gasmangellage, Ghosting, Russlandsanktion, vulnerabel, Zweinutzungshuhn. Wären wir nicht glücklicher, wir müssten sie nicht kennen?
Wo Neues dazukommt, muss Altes weichen. Das gilt auch für den Duden. 300 gute, alte Begriffe hat die Redaktion aus dem Kompendium geworfen. Wer wie ich Sprache liebt und dazu neigt, an Vergangenem zu hängen, der kann diesen Vorgang nur mit Wehmut betrachten. Gut, dem amtlich-sperrigen Adverb geeignetenorts weine auch ich keine Träne nach. Aber wie soll ich künftig ohne Luftschiffer oder Wellensalat durchs Leben gehen?
Ich will der Duden-Redaktion keine böse Absicht unterstellen – sie folgt lediglich dem Sprachwandel und giesst ihn in verbindliche Form. Doch warum müssen stets wunderbar poetische Lautgebilde wie Knaupelknochen oder Speckhals dran glauben? Der Knaupelknochen – es handelt sich um einen Knochen zum Abnagen – mag vielleicht zu unverdaulich sein für den veganen Zeitgeist, doch immerhin fügt er sich in den Kampf gegen Food Waste.
Doch es ist vergebliche Liebesmüh, sich dem Wandel der Sprache entgegenzustemmen. Tut man dies, findet man sich nur allzu oft in der eher peinlichen Gesellschaft der verbitterten Sprachpuristen, die allerorten den Untergang des Abendlandes wittern. Sind nicht die Fehler von heute die Regeln von morgen? Und gelegentlich muss man den Duden-Leuten ja auch recht geben – etwa, wenn sie eine Ungeheuerlichkeit wie Spagetti aus der Liste der korrekten Schreibweisen streichen.
Ein Wort indes hat die Redaktion verbannt, dessen Verlust besonders schmerzt: Saumsal. Nicht, dass ich es oft verwendet hätte – um ehrlich zu sein, ist dieser Text der erste, in dem ich es gebrauche. Doch darum geht es nicht. Saumsal gehört wie Labsal, Schicksal, Scheusal, Trübsal oder Mühsal zu einer kleinen, aber feinen Gruppe von Wörtern, die von einer längst entschwundenen Zeit zeugen, als Deutsch noch die kreative Kraft besass, kurze und prägnante Begriffe zu schöpfen, die es nicht dem englischen Vetter entleihen muss.
Die längere, vom Adjektiv abgeleitete Saumseligkeit wird uns dagegen noch ein Weilchen erhalten bleiben. Typisch, möchte man ausrufen: mehr Buchstaben, mehr Silben – mehr Quantität, weniger Qualität. Wenn das kein Zeichen unserer Zeit ist.
Immerhin, es gibt noch Hoffnung: Mitunter gestattet die gestrenge Duden-Redaktion einem bereits entsorgten Wort gnädig die Rückkehr in den Kreis der offiziellen Begriffe. So geschehen mit dem hübschen Hackenporsche, der in der 28. Auflage von 2020 weichen musste, aber wieder in die neue diesjährige Ausgabe aufgenommen wurde.
Für Sprachnostalgiker, die sich partout nicht mit dem Verlust liebgewonnener Wörter abfinden möchten, gibt es obendrein eine Duden-Ausgabe, die ihren Bedürfnissen entgegenkommt: «Was nicht mehr im Duden steht» versammelt auf 224 Seiten lauter Wortperlen wie Überschwupper, Zugemüse oder Nebelbild.
Wie bitte?!?