Das, verehrte Damen und Herren, ist der beste Kaffee der Welt:
Okay, nicht unbedingt genau dieser hier gezeigte Kaffee, den ich vor ein paar Tagen an einer Autobahnraststätte nahe Varese vorgesetzt bekam. Das Bild steht stellvertretend für Hunderte Kaffees, die ich seit mehr als 30 Jahren überall in Italien genossen habe.
Hier einer aus einer anderen Raststätte.
Und hier einer auf der Fähre zwischen Luino und Intra auf dem Lago Maggiore.
Und hier einer in einer random Bar in ... ach, ich weiss es nicht mehr.
Hierzulande nennt man so etwas einen Espresso. In Italien lediglich un caffè. (Und falls die Bedienung hinter der Theke merkt, dass es sich beim Kunden um einen Ausländer handelt, fragt sie vielleicht zur Sicherheit nach, ob damit un caffè espresso gemeint ist.)
Alles daran ist perfekt: die Menge, die Temperatur, der Geschmack, die Crema.
Und er kostet 1 Euro 30.
Früher war's noch 1 Euro. Svalutation und so, weisch.
Vor allem aber schmeckt dieser Billigstkaffee hundertmal besser als jeglicher Fünf-Franken-Espresso, wie er einem in jenen hippen «Craft Coffee Roasters»-Läden angeboten wird. Ihr wisst, was ich meine: Ob im Zürcher Kreis 4, ob in Shoreditch in London oder in Silverlake in LA – überall auf der Welt, wo es jene Kaffeeläden mit Menu-Kreidetafeln gibt, auf denen irgendwas von single origin oder house blend blonde roast steht, kann man davon ausgehen, dass der Espresso 1. sauteuer sein und 2. säuerlich schmecken wird.
Disclaimer: Nein, ich bin kein Kaffee-Connaisseur. Ich kenne mich nicht aus mit Single Origins oder Blonde Roasts. Und ich habe mich auch schon mehrmals von Kennern belehren lassen, dass der typische italienische Espresso «eigentlich nicht gut» sei. Dass die traditionelle Arabica-Robusta-Kaffeemischung, die gewöhnlich verwendet würde, «billig und qualitativ eher minderwertig» sei.
Vielleicht mag dies tatsächlich zutreffen. Und trotzdem kriegt jeder verstaubte Truck Stop von Domodossola bis Catania problemlos einen super caffè hin. Mit einer qualitativ minderwertigen Kaffeemischung? Wenn du meinst – aber das Resultat spricht für sich.
Wieso das so ist? Kann es sein, dass ein edler kenianischer Single-Origin-Kaffee sich gar nicht so gut eignet für die Espresso-Kolbenmaschine, sondern eher für andere Kaffeezubereitungsmethoden? (Schliesslich ist ein Pastagericht mit den teuersten Zutaten der Welt auch nicht besser als eine einfache spaghetti aglio e olio.) Die Antwort auf meine Frage überlasse ich besser den Fachpersonen, die korrekt mit Begriffen wie Wasserhärte und Extraktionstemperatur hantieren können.
Zum Schluss aber eine kleine Anekdote: Vor einigen Jahren hatten Quizz-Huber und ich ein ziemlich lustiges Erlebnis in einem Zürcher Gourmet-Coffeeshop (uns wurde ein «fruchtig-floraler» Espresso empfohlen, dieser kostete fünf Franken, schmeckte sauer und Dani wurde angeschnauzt, als er nach Zucker fragte). Ich wurde von der Redaktionsleitung angehalten, einen Kommentar dazu zu verfassen ...
... Und ein paar Monate später flatterte eine Pressemitteilung ins Haus, just jener Coffeeshop habe die Kaffeebrauer-WM World Brewers Cup gewonnen! 😳🫣🤦♀️
Boom! Lag ich also komplett falsch?
Okay, zu meiner Verteidigung ging es beim World Brewer's Cup gemäss Richtlinien explizit nicht um die Espresso-Extraktionsmethode, sondern um andere Zubereitungsarten. Aber ich will hier in keinerlei Hinsicht in Abrede stellen, dass dieser schicke Zürcher Kaffeeladen, stellvertretend für die zigtausenden ähnlichen Gourmet-Coffeeshops weltweit, nicht über höchstes Fachwissen verfügt. Und die gewonnene Vielfalt, welche die Hipster-Kaffeekultur der Welt geschenkt hat, ist zu begrüssen. Ja, der Kunde soll ein grösseres Angebot erwarten und auch zwischen Geschmacksnoten und House Blends auswählen dürfen. Vielfalt ist stets eine Bereicherung und das Bessere ist der ärgste Feind des Guten.
Bloss ist in diesem Fall der stinknormale italienische caffè eindeutig das Bessere.