- Film: «Everything Everywhere All At Once»
- Regie: Daniel Kwan und Daniel Scheinert für «Everything Everywhere All At Once»
- Hauptdarstellerin: Michelle Yeoh in «Everything Everywhere All At Once»
- Nebendarstellerin: Jamie Lee Curtis in «Everything Everywhere All at Once»
- Nebendarsteller: Ke Huy Quan in «Everything Everywhere All At Once»
- Originales Drehbuch: Daniel Kwan und Daniel Scheinert für «Everything Everywhere All At Once»
- Schnitt: Paul Rogers für «Everything Everywhere All At Once»
- Internationaler Film: Edward Berger für «Im Westen nichts Neues»
- Kamera: James Friend für «Im Westen nichts Neues»
- Ausstattung: Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper für «Im Westen nichts Neues»
- Filmmusik: Volker Bertelmann für «Im Westen nichts Neues»
- Hauptdarsteller: Brendan Fraser für «The Whale»
- Make-up und Haar: Adrien Morot, Judy Chin und Anne Marie Bradley für «The Whale»
- Adaptiertes Drehbuch: Sarah Polley für «Women Talking»
- Animationsfilm: «Guillermo del Toro's Pinocchio» von Guillermo del Toro
- Dokumentarfilm: «Navalny» von Daniel Roher, Odessa Rae, Diane Becker, Melanie Miller und Shane Boris
- Kostüm: Ruth E. Carter für «Black Panther: Wakanda Forever»
- Kurzfilm: «An Irish Goodbye» von Tom Berkeley und Ross White
- Kurzer Dokumentarfilm: «The Elephant Whisperers» von Kartiki Gonsalves und Guneet Monga
- Kurzer Animationsfilm: «The Boy, The Mole, The Fox and The Horse» von Charlie Mackesy und Matthew Freud
- Visual Effects: Joe Letteri, Richard Baneham, Eric Saindon und Daniel Barrett für «Avatar: The Way Of Water»
- Ton: Mark Weingarten, James H. Mather, Al Nelson, Chris Burdon, Mark Taylor für «Top Gun: Maverick»
Zwei Fragen stellen sich vor der Oscarverleihung: 1. Hält der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Rede? 2. Hält der neuerdings champagnerfarbene Teppich, was uns von ihm versprochen wurde, also mehr Glamour als der alte rote Teppich?
1. Nein. Der Präsident der Award-Show hat verlauten lassen, dass die Ukraine insgesamt zu weiss sei und deshalb den Diversity-Auflagen der Academy nicht entspreche. Dieses Statement hätte den Oscar für den Schwachsinn des Jahres verdient.
2. Nein. Der neue Teppich ist eine Katastrophe. Beige, weisse, silberne, goldene Kleider heben sich schlecht davon ab und vor allem sieht er nach wenigen Minuten dreckig aus. Erstaunlich, was die Stars alles so an den Schuhen kleben haben. Zweiglein, Blumenblättlein und ganz einfach Dreck.
Kein Mensch auf dem Carpet scheint sich an den Aufruf der Academy nach Nachhaltigkeit gehalten und alte Kleider wiederverwendet zu haben. Wieso auch, wenn die Academy selbst auch keinen alten Teppich recycelt? Nicole Kidman und Keith Urban können wie immer ihre Finger nicht voneinander lassen und haben «den Sohn unseres besten Freundes mitgebracht». Der Sohn spielt zufälligerweise in «The Fabelmans» mit. Beinschlitze sind im Trend. Und Weiss. Tragisch mit dem Teppich. Zum Glück mögen die Kidmans Schwarz.
Hugh Grant fasst eine Frau an den Hintern, und Austin Butler («Elvis») und Barry Keoghan («The Banshees of Inisherin») umarmen sich und können beide echt nicht fassen, dass sie hier sind, ebenso Ke Huy Kwan («Everything Everywhere All At Once»). The Rock hat sich für ein Jackett in Rosé Champagner entschieden, was sich jetzt auch nicht vorteilhafter vom Hintergrund abhebt (der Teppich verströmt die Aura eines abgehalfterten Standesamts). Und Daddy-Sexgott Pedro Pascal hat sich für etwas komplett Unauffälliges entschieden.
Die Farbe des Abends? Trägt Cate Blanchett. Nennen wir sie Pfauenblau. Ihre Silhouette sieht aus wie eine Statuette. Und Michelle Yeoh hat sich einen feenhaft zarten Diamantenstrang ins Haar geflochten.
Gastgeber Jimmy Kimmel kommt als Tom Cruise im Fallschirm vom Bühnenhimmel. Das war's auch schon mit dem Showelement. Kimmel ist einer von den ganz Freundlichen. Er heisst viele willkommen, Kidman, Seth Rogen, mit dem er über Drogen scherzt, Spielberg, James Cameron, der allerdings nicht hier sei, weil selbst ihm die Oscars zu lang wären, oder Rihanna, deren neunmonatiges Baby während der Proben in die Windeln gemacht habe.
Und dann droht er allen, die auf die Idee kommen könnten, ihm heute Nacht eine zu scheuern wie letztes Jahr Will Smith Moderator Chris Rock. Droht ihnen mit den Kampfkünsten von Michelle Yeoh und Spiderman Andrew Garfield und Mandalorian Pedro Pascal.
Guillermo del Toro gewinnt den ersten Oscar des Abends für seinen «Pinocchio», er bedankt sich bei seinen Eltern, «ich bin euer Sohn».
Als Ariana de Bose das Couvert mit dem Namen Ke Huy Quan öffnet, schiessen ihr die Tränen in die Augen. Standing Ovation. Der Preisträger schluchzt. «Meine Mutter ist 84, sie sitzt zuhause und schaut zu: Mom, ich habe gerade einen Oscar gewonnen! Meine Reise begann auf einem Boot, ich lebte ein Jahr lang in einem Flüchtlingslager.» Jetzt ist er hier, «es heisst, Geschichten wie diese gibt es nur im Film, DAS IST DER AMERIKANISCHE TRAUM!» Wie schön. Wie schön. «Ich verdanke alles der Liebe meines Lebens, meiner Frau», auch die ist tränenüberströmt.
Mit Jamie Lee Curtis geht auch der Oscar für die beste Nebendarstellerin an «Everything Everywhere All at Once». Der Sieger der Herzen dieses Abends steht fest, auch für Curtis gibt es Standing Ovation, auch sie war wie Ke Huy Quan zum ersten Mal in ihrem Leben nominiert. «Ich bin Hunderte», sagt sie, ihr ganzes «Dreamteam», aber auch das Publikum, das den Film schon gesehen hat. Ihre Eltern, die Hollywood-Legenden Janet Leigh und Toni Curtis waren beide für je einen Oscar nominiert, ihre Tochter ist die erste in der Familie, die ihn gewonnen hat.
«Navalny» wird bester Dokumentarfilm. Genau, wie wir das vorhergesagt haben. Der Protagonist des Films, der russische Oppositionsführer Alexei Navalny, sitzt derweil irgendwo in Russland in Isolationshaft. Seine Frau Julija Nawalnaya und seine Kinder sind anwesend. «Alexei, ich träume von dem Tag, an dem du frei sein wirst, und vom Tag, an dem unser Land frei sein wird», sagt seine Frau unter Tränen.
WE JUST WON AN OSCAR
— Dasha (@Dasha_Navalnaya) March 13, 2023
Dad, this is for you❤️ pic.twitter.com/PGnVHs1eTB
Mit dem Kamera-Oscar für James Friend geht die erste Trophäe an den Antikriegs-Kriegsfilm «Im Westen nichts Neues».
Bei aller Begeisterung, die der Saal «Everything Everywhere All At Once» entgegenbringt, aber der Song «This Is a Life», dargeboten von Stephanie Hsu und David Byrne ist Katzengejammer auf hoffentlich ironisch gemeintem Niveau. Oder, sagt unsere Anna Böhler, «als würde man Heidi Klum singen lassen. Zum Glück tröstet uns Jimmy Kimmel mit einem herzigen Eselchen, angeblich dem aus «The Banshees of Inisherin».
So sah das übrigens früher aus, wenn die Nominierten für das beste Kostüm präsentiert wurden. Mit Supermodels.
Annual request for the #Oscars to return to the fashion show format when presenting Best Costume Design pic.twitter.com/8cA1DWq8gf
— Kareem Yasin (@thekareem) March 10, 2023
Heute passiert gar nichts, aber Ruth E. Carter ist die coolstmögliche Gewinnerin mit den verrücktesten Schuhen und der ältesten Mutter (101 Jahre).
In Sachen Show definitiv der Höhepunkt ist die Darbietung von «Naatu Naatu» aus dem indischen Film «RRR». Bollywood in Hollywood und wieder Standing Ovation, dieser Saal ist enorm feierwütig.
Here's the energetic performance of "Naatu Naatu" from #RRR at the #Oscars. https://t.co/ndiKiHeOT5 pic.twitter.com/Lf2nP826c4
— Variety (@Variety) March 13, 2023
Salma Hayek und Antonio Banderas verleihen den Oscar für den besten internationalen Film. Waren die eigentlich mal zusammen? Der Oscar geht an «Im Westen nichts Neues». Das war zu erwarten. Regisseur Edward Berger hat übrigens eine Schweizer Mutter. Im Vorfeld der Oscars sagte er, dass er es nicht mag, wenn sein Film jetzt in einen Zusammenhang mit der Ukraine gesetzt wird, das sei ihm zu viel der gesellschaftlichen Verantwortung.
Einer der Macher des animierten Kurzfilms entschuldigt sich «bei meinem Hund, den ich in einem Hotelzimmer zurückgelassen habe».
Lady Gaga ist auf abgeschminkt geschminkt. Und singt ihren Song «Hold My Hand» aus «Top Gun: Maverick» im Garagenlook, in einem Deux-Pièces, das aus einem schwarzen T-Shirt und einer schwarzen Jeans mit grossen Löchern besteht. Es geht ihr darum, dass auch gebrochene Menschen Helden sein können. Starke Performance, auch wenn sie das mit der Gebrochenheit viel zu persönlich nimmt. Standing Ovation, natürlich.
Andy MacDowell und Hugh Grant hatten mal was zusammen! Also in einem Film. «Four Weddings And A Funeral», vor 29 Jahren. Und seit 29 Jahren benutze MacDowell Feuchtigkeitscreme, er nicht, sagt Grant deshalb sehe er heute aus «wie ein Skrotum». Auch der Ausstattungs-Oscar geht an «Im Westen nichts Neues». Und der für die Filmmusik. Die ist aber auch wirklich super. Bis jetzt sind das vier Oscars für Netflix.
My favorite reunion of the year 😍#oscars pic.twitter.com/lskEE8godH
— Patrick Heidmann (@patrickheidmann) March 13, 2023
Elizabeth Banks, die den Film «Cocaine Bear» gedreht hat, also einen Film über einen Bären auf Kokain, ist heiser wie verrückt und stolpert fast über ihr Ungetüm von Kleid, begleitet wird sie von einem Riesenbären. Der Oscar für Special Effects geht verständlicherweise an «Avatar: The Way of Water».
Rihanna steht («Lift Me Up» aus «Black Panther: Wakanda Forever») in einem braunen Fellnest, vielleicht ist es auch ein Designer-Katzenbett, jedenfalls passt es zum Kokainbären. Es ist weder ihr bester noch ihr schlechtester Auftritt, nicht zu vergleichen mit der Superbowl-Halftime-Show, aber für Standing Ovation reicht's natürlich.
Daniel Kwan, der mit Daniel Scheinert den Oscar für das beste originale Drehbuch entgegennimmt, sagte einmal: «Lass uns meine Mutter in ‹The Matrix› schreiben!» Das Resultat kennen wir. Es dürfte genau so herausgekommen sein, wie er sich das gedacht hat. Aber Spielberg hätte ihn auch verdient. Wird er leer ausgehen? Und was ist mit «Tár»? Und den «Banshees of Inisherin»? Sarah Polley gewinnt in der Kategorie Adaptiertes Drehbuch für «Women Talking», alle Frauen feiern sie.
«Top Gun: Maverick» gewinnt den Ton. Tom Cruise ist übrigens nicht anwesend, er muss «Mission Impossible 8» drehen beziehungsweise macht nur Dinge, die ihm auch ein Erfolgserlebnis vermitteln. Und dass «Top Gun» nicht bester Film wird, ist allen klar. «Naatu Naatu» wird bester Song, sehr gut!
Nach dem Schnitt geht auch die Regie an «Everything Everywhere All At Once», sie danken und danken und danken ihren Eltern, das dürfte der Durchmarsch sein. Einerseits schön, andererseits ungerecht. Zwei Filme hätten damit die meisten Preise unter sich ausgemacht. Vielleicht geschieht noch eine Überraschung – in dieser überraschungsarmen Nacht?
Jessica Chastain (nicht beinfrei) und Halle Berry (sehr beinfrei) zeichnen die beste Schauspielerin und den besten Schauspieler aus. Bei den Herren ist es offen zwischen Austin Butler («Elvis») und Brendan Fraser («The Whale»), bei den Damen zwischen Michelle Yeoh («Everything ...») und Cate Blanchett («Tár»).
Fraser gewinnt! Und ist völlig fertig! Er bescheinigt seinen Konkurrenten «walgrosse Herzen». Er hat es in seiner Karriere nicht leicht gehabt, er ist belohnt worden. Schön.
Und Michelle! Also Michelle Yeoh! Vom Hongkonger Trash-Action-Kino über «Crazy Rich Asians» zum Oscar mit The Daniels. Mit einem Film, der jede einzelne ihrer vielen und vielen verrückten Rollen zu ehren scheint. «Für all die kleinen Mädchen und Jungen, die aussehen wie ich und heute Abend zuschauen, das ist ein Hoffnungsstrahl», sagt die 60-Jährige, «und Ladies, lasst euch niemals sagen, dass eure besten Jahre vorbei sind.» Sie schreibt Geschichte, noch nie hat eine asiatische Schauspielerin einen Oscar gewonnen.
Und dann? Wird die cineastische Verrücktheit auch noch bester Film. Nichts, kein einziger Oscar für «The Fabelmans», die irren Iren von Inisherin und «Tár». Das muss bitter sein. Und damit schliessen wir die Berichterstattung.
Ist das die Fortsetzung von 'Everything Everywhere All At Once'?