Mehr live-Feeling, weniger woke Witze. Mit diesen beiden Differenzen zu seinem Vorgänger Dominic Deville ist Stefan Büsser als Late-Night-Moderator beim Schweizer Fernsehen SRF angetreten. Denn die Show wurde am Sonntagabend um 18 Uhr aufgezeichnet und um 21.50 Uhr auf SRF ausgestrahlt. Da bleiben 24 Stunden weniger Zeit, um an den Aufnahmen rumzuschnipseln, als das bei «Deville» der Fall war. Es wurde denn auch keine Anmoderation wiederholt und kein Versprecher korrigiert. Mit Bundesrat Albert Rösti als erstem Gesprächspartner blieb das live-Gespräch aber eher unüberraschend.
Er habe sich ehrlich gesagt am Vorabend schon gefragt, ob «ächt das e schloui Entscheidig» gewesen sei, sagte Albert Rösti, denn eine Late-Night-Show berge immer ein Restrisiko. Aber Büsser machte sein Versprechen, das er vor der ersten Ausstrahlung gegeben hatte, wahr und röstete seinen Interviewpartner nicht speziell heiss. Rösti wurde es trotzdem unwohl als Büsser behauptete, die SVP sei wie eine Sekte organisiert: «Jetzt sind Sie gefährlich unterwegs! Glatteis!».
Dem Bundesrat zu sagen, er haben einen Entsorgungs-Fetisch in Anspielung auf die Wolf-Abschusserlaubnis, die Abschaffung der A-Post und der Senkung der SRF-Gebühren war eine neue Sichtweise und auch der Lacher sass, dass Rösti nach Kandersteg mit Adolf Ogi, nun wegen Luca Hänni wieder nur die zweitbekannteste Person an seinem neuen Wohnort in Uetendorf BE sei.
Rösti schloss seinen Auftritt bei Büsser taktvoll ab mit einem Einsatz am Schlagzeug der Hausband («The Beatz»). Damit wissen nun auch Nicht-SVP-Parteimitglieder: Der Bundesrat ist Schlagzeuger. Wie der neue SP-Bundesrat Beat Jans übrigens auch.
Einen Bundesrat zum Sendestart, diesen Coup muss man dem neuen Late-Night-Moderator lassen. Und nicht nur Rösti war da. Sänger Baschi zog mit «Chum bring en hei» als Superbowler vor der Guggenmusik «Füdlichlüber» aus Wangen ZH in einem Ultrakurz-Auftritt durch den Saal. Das Kaufleuten in Zürich, der frühere Aufnahmeort von «Giacobbo/Müller», war ausverkauft.
Im Übrigen war die erste Sendung von «Late Night Switzerland» keine Neuerfindung des Formats, auch wenn Büsser im Vorfeld in der Sendung «G&G» auf SRF gesagt hatte, er sehe sich eher als Unterhalter denn als Satiriker. Für diejenigen, die sich gewohnt gewesen seien, politische Satire serviert zu bekommen, stehe «ein bisschen ein Umstieg auf etwas Leichteres an».
Es gab eingespielte Sketches (übers Dating: mässig lustig), es gab einen gefakten Werbeclip (zum Valentinstag: wirkte etwas abgekupfert von «Deville»), und Büsser hat einen Sidekick, Büssers Podcast-Partner von «Quoten-Männer» Michael Schweizer, der mit dem Laptop auf einem weissen Sofa sass. An «Schweizi» und nicht an «Büssi» gingen die ersten beiden richtigen Lacher, nämlich dass man mit der Fasnacht ja den Winter vertreibe, aber das sei in den letzten Jahren doch schon mit Fliegen und SUVs gemacht worden. Er selber gehe jedes Jahr als Wolf an die Luzerner Fasnacht, «aber abschiessen tu ich mich selber».
Draussen als Reporterin an der Messe «Man's World» war Satirikerin Martina Hügi unterwegs. Die Thurgauerin hatte 2020 einen Auftritt bei «Deville», jetzt wird sie regelmässig die Real-Satire in die Late-Night-Show holen. An der Männer-Messe hatte Hügi ein leichtes Spiel und fragte ungerührt, wegen eines an der Wand aufgestellten Motorboots, ob da ein Mann so parkiert habe oder ob das so sein müsse. Ein Fitnessgerät zum Bauchmuskeltraining wurde unter ihren Kommentaren flugs zum Gebärstuhl: «schnuuufed Si!» Ihre Bilanz fiel so bissig aus, als sie sich Stumpen rauchend über die Lungenkrankheit Zystische Fibrose von Büsser lustig machte («Hier braucht man also Grappa, ein grosses Konto und Lungenvolumen. Sorry Büssi»!)
Und wurde Büsser selbst seinem Ruf als nicht ganz so woker Comedian gerecht? Ja, brav eingehalten mit Sprüchen über Hochzeiten zwischen Verwandten, Bärte-Streicheln beim Islamischen Staat und einem Perioden-Witz.
Auch gar nicht woke, nämlich total unaufgeregt und voraussehbar war übrigens das neue Gefäss «Ohne Üben», für das man einen Challenge einreichen kann. Dieses Mal gingen Büssi und Schweizi eislaufen – simpler gehts nicht, wenn man Szenelacher sucht. Zum Schreien war immerhin Büsser im lila-farbenen Glitzerdress.
Zum Dekor wäre noch zu sagen: Es muss ja nicht so durchgestylt sein, wie bei «Deville», aber jede Tasse in irgend einem Schweizer Bünzli-Büro ist lustiger als die Tasse des Moderators mit dem Aufdruck – ja was wohl? – «Late Night Switzerland». Und vom weissen Sofa wird hoffentlich noch eine breitere Version angeschafft: Michael Schweizer und Albert Rösti lehnten sich beide seitlich arg zurück, weil ganz offensichtlich jeder dem anderen zu kuschelig nah war.
Egal wie kuschelig: Nachdem Deville seine Talkgäste abgeschafft hatte, freuen wir uns auf weitere ungescriptete Antworten von Büssers und Schweizers Gästen. Bundesräte vorrätig sind immerhin noch für sechs Sendungen.