Comedians laufen zur Hochform auf, wenn man sie verreisst. Vielleicht gilt diese Regel nun auch für den neuen «Late Night»-Mann des SRF Stefan Büsser. Besonders sicht- und hörbar dann, wenn er Seven, den souligsten Schweizer Sänger, wunderbar gefühlvoll die hämischen Online-Kommentare auf die erste Sendung zu einer gefühlvollen Ballade singen lässt: «Es hät no Luft noch obe, mer chönnts eifach nid, Kotz Emoji.» Bei so viel lockerer Selbstironie schmilzt ja die Kritik gleich weg.
Selbstironie, Spott und bissiger Wochenrückblick – diesen notwendigen Dreiklang jeder «Late-Night»-Show beherrschte das Duo Büsser/Schweizer am Sonntag viel besser als in ihrer Premiere vor einer Woche. Schon als Büsser zu Beginn mit dem Davoser Schlitten an der Leine am Publikum durch den Kaufleutensaal zog, konnte man auf einen bissig-albernen Wochenrückblick hoffen. Mit der schlagzeilenträchtigen Verweigerung der Schlitten-Vermietung an orthodoxe Juden in Davos.
Und tatsächlich: Eine Woche zuvor brachten sie lahme Evergreens wie Dating-Apps oder Besuche an Muskelmänner-Messen und verpassten aufgelegte Gags wie etwa der Brief der Alt-Bundesräte zur AHV. Am Sonntag veralberte Büsser die Kollektivstrafe – mit dem mitgebrachten Schlitten: «Unbedingt zurückbringen, nicht dass dann alle Zürcher keine Schlitten mehr mieten dürfen.»
Und nach dem Prinzip des running gags kam die Verdoppelung gleich hinterher. Bundesrätin Karin Keller-Suter habe in einem Interview erklärt, der Bundesrat verzichte nun auf die Gratis-Skibillette, könne selbst aber gar nicht Skifahren: «Hat sie das Skifahren nie gelernt, oder will ihr niemand mehr Skier vermieten? Glaube ich nicht, bei der Talfahrt der CS ging sie ja auch ganz schön in die Hocke.» Da paart sich alberner Spott über Regierende mit dem hintersinnigen Spott auf Kollektivstrafen. Defekte Panzer in der Schweizer Armee war dann ein süffiges Dessert zum Polit-Rückblick
Das Lächerliche bei sich selbst und in Politik und Gesellschaft zu veralbern: Diese goldene Regel der Comedy beherrschten Büsser/Schweizer am Sonntag doch schon recht souverän – und erst noch ohne die ideologische Brille, welche die Deville-Satiren oft so vorhersehbar gemacht hatten. Sie wagten sogar eine Prise zynischen Witz, wie man ihn früher bei Harald Schmidt so bewundert hatte. Zum Tod von Alexej Nawalny meinte Büsser trocken: «Er war erst 47 Jahre. Aber in Russland ist das ja schon ein biblisches Alter ... für Regimegegner.»
War Büssers Selbstironie bloss gespielt? Egal. Sein Eingeständnis, dass Bundesrat Albert Rösti der Abräumer an der Premiere war, kam sichtbar von Herzen. Eine Niederlage in eine Siegerpointe zu verwandeln, ist dann wohl ein besonderes Glücksmoment.
Rache wäre das falsche Wort. Die Recherche zu Röstis Wunschgemeinde Gurzelen, wo er wahrscheinlich der Berühmteste werden könne, führt halt zur Erkenntnis: Rösti bleibt auch dort nur die Nummer 2. Denn Gurzelen ist die Heimatgemeinde des Malers Ferdinand Hodler. Schliesslich «gehört Christoph Blocher zu den grössten Hodler-Sammlern. oh, ich hatte solche Angst, mich hier zu versprechen.» Tusch vom Schlagzeug – und das Publikum hatte die vulgäre Andeutung verstanden.
Büsser also kann mehr als man nach der ersten «Late-Night» vermuten oder befürchten musste: Spott, Aktualitätsbashing, Lockerheit, Biss, Selbstironie, Albernheit, Mut zum Zynismus und Vulgarität.
Die Witzchen, die hier beschreiben werden, die hörte ich zwar schon, aber die sind auch nicht lustig geworden, mit einmal darüber schlafen.
Und das Verkleiderli spielen ... komm wir machen Drag Queen und Wendy in einen alten Skianzug ... Unterhaltung auf diesem Niveau ging am Bunten-Abend im Skilager.
Bei mir ist in Zukunft der Sonntag Fernsehabend nach dem Tatort wieder zu Ende.
Die Rubrik "Ohne Übung" kann man sich schenken.