1991 in Milwaukee, USA: Ein schmutziger Typ mit Brille macht in einer Schwulenbar in der Nähe seines Hauses Jagd auf sein nächstes Opfer. Er hat es auf Tracy, einen jungen Afroamerikaner, abgesehen und behauptet, er sei Fotograf. Die Vorgehensweise ist zwar nicht sehr durchdacht, aber trotzdem erfolgreich. Denn so gelingt es ihm, Männer in seine Wohnung zu locken – in seine Höhle des Schreckens.
Der schmutzige Typ mit Brille ist Jeffrey Dahmer, einer der berüchtigtsten US-Serienmörder. Und über sein Leben ist eine neue Netflix-Serie erschienen.
Das Regie-Gespann Ryan Murphy und Ian Brennan hat bereits zahlreiche Schicksale von US-Bürgern und stigmatisierten Gruppen inszeniert. Ob «American Crime Story», «Pose» oder «Hollywood» – all diese Serien haben eines gemeinsam: Sie wollen die Funktionsweise von Personen mit unerforschter Psyche verstehen. Und in dieser Manier folgt nun die Netflix-Serie «Dahmer» – ein Psychogramm eines jungen Mannes, der in ein albtraumhaftes Schicksal verstrickt ist, das von einem abwesenden Vater und einer pillenabhängigen Mutter geprägt wurde.
Der Mittzwanziger Jeffrey Dahmer lässt seine homosexuellen und mörderischen Impulse nach und nach die Oberhand gewinnen.
Die Darstellung ist eiskalt, die Inszenierung chirurgisch und Evan Peters schlüpft in die Rolle eines Mannes, der sich nicht in die breite Masse einfügen kann: «Ich bin kein normaler Kerl, ich passe nicht dazu», heisst es in der Serie. Der Schauspieler vermittelt das Gefühl einer unterdrückten morbiden Fantasie, bevor Dahmer sich von seinen Lüsten überwältigen lässt.
Die schauspielerische Leistung ist physisch intensiv, Peters verkörpert Dahmer verstörend. Der Schauspieler Richard Jenkins, der Dahmers Vater spielt, bietet einen emotionalen Kontrapunkt: Ein Vater, der dem Verhalten seines Sohnes völlig hilflos gegenübersteht. Dahmer lässt sich nichts anmerken, bleibt unbeeindruckt, selbst wenn die Polizei ihm die Fussfesseln abnimmt.
Das Hin und Her in der Zeit zwischen den 60er-, 70er- und 80er-Jahren bis 1991, dem Jahr von Dahmers Verhaftung, baut eine spannungsgeladene Erzählung auf, kann den Zuschauer aber auch schnell ermüden.
Das Psychogramm des berüchtigten Serienmörders zeigt einen Mann, der von seinen Trieben und seinen immer schwerer wiegenden Abartigkeiten verwüstet wird. Seine klaffenden Wunden (die durch einen anhaltenden Alkoholismus verdeckt werden), die Ursprünge seines Leidens können bei Zuschauenden Unwohlsein hervorrufen.
Die Faszination für Serienmörder wurde mit der Serie «Mindhunter» von Netflix perfekt festgehalten und beschrieben. «Dahmer» hingegen ist kein Vergnügen, trotz der kraftvollen, furchterregenden Leistung von Evan Peters. Die unheimliche Umgebung, der eisige Blick und die Taten von Jeffrey Dahmer haben das Zeug dazu, Gänsehaut zu bereiten. Episode für Episode wird der seidene Faden des Verstehens eines solchen Monsters entwirrt, was zu einem gewissen Interesse führt, aber auch zu einer ermüdenden Abhandlung.
«DAHMER – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer» kann auf Netflix geschaut werden.