Ich war 15 Jahre alt, als ich meinen ersten Porno geschaut habe. Er gefiel mir nicht. Der Sex wirkte grob. Was der Typ mit der Klitoris der Frau machte, erinnerte mich daran, wie man Gewinnlose aufrubbelt. Um Gefallen an Sexfilmen zu finden, musste ich 23 Jahre alt werden und Erika Lust entdecken. Jetzt, nochmals drei Jahre später, gibt es den wohl ersten gebührenfinanzierten Porno im deutschsprachigen Raum – und ich finde ihn grundsätzlich toll.
Gedreht hat ihn die Pornoregisseurin Paulita Pappel im Auftrag des deutschen Fernsehsenders ZDF Magazin Royale. Dahinter steckt Satiriker Jan Böhmermann. In seiner Sendung am Samstagabend liess er die Bombe platzen. Das Versprechen: ein ethisch korrekter, queerfeministischer Hochglanzporno.
Den Film bekam man dann allerdings nicht direkt in der Sendung zu sehen, aus rechtlichen Gründen. Gleichzeitig seien Pornos im Internet «scheissegal», kritisiert Böhmermann. Dafür erwähnte er mehrmals und sehr ausdrücklich den Filmtitel («FFMM straight / queer doggy BJ ORAL orgasm squirting ROYALE»). Den Porno zu finden, ist wirklich einfach.
Die erste Sexszene beginnt ganz nach heteronormativem Geschmack: Ein Mann und eine Frau beginnen sich auf einem achteckigen, hellblauen Bett zu küssen und auszuziehen. Die Dynamik wechselt, als eine weitere Frau und ein Mann hinzukommen und sich ihnen anschliessen. Dabei wenden sich die beiden Männer mal einander zu, dann wieder den Frauen.
Die Aufnahmen sind in blaues und oranges Licht getaucht, wodurch der Film einen ästhetischen und modernen Touch bekommt. Die Musik im Hintergrund erinnert an den Stil von Billie Eilish, und die Sängerin hat eine ähnlich verführerische Stimme.
Was nicht auffällt und dadurch eben doch, ist die spielerische Inklusion von Verhütungsmitteln. Für den Oralsex mit den Frauen brauchen die Darsteller Lecktücher. Sie schützen vor sexuell übertragbaren Krankheiten.
Ich habe bis jetzt nie ein Lecktuch verwendet und kenne niemanden, der das regelmässig tut. Leider besteht hier das gleiche Vorurteil wie beim Kondom: Es fühle sich nicht gleich gut an. Diesen Eindruck hinterlassen die Pornodarstellerinnen allerdings überhaupt nicht.
Die Darstellerinnen und Darsteller sind alle wunderschön. Sie fragen sich gegenseitig, ob sie sich wohlfühlen und sie wirken entspannt. Der Film ist eine gute Inspiration, wenn man einen Vierer ausprobieren will oder nicht weiss, wie man Verhütungsmittel und Toys natürlich während dem Sex einbringen kann.
Was dem Porno fehlt, ist eine spannende Storyline. Die vier Menschen finden auf dem Bett zusammen, haben Sex, kommen zum Höhepunkt, fertig. Zwar muss ein Sexfilm nicht pauschal eine Fantasie-Geschichte abspielen, aber es hilft, in die Handlung einzutauchen.
Der Film ist wunderschön produziert. Viel innovativer, als feministische Pornos seit geraumer Zeit sind, ist er aber nicht.
Nach dem gut 15-minütigen Film interviewt Böhmermann, der wegen einer Corona-Infektion zu Hause sitzt, die Regisseurin Paulita Pappel. Sie erklärt, wie man in der Industrie darauf angewiesen sei, dass Pornos im Netz so häufig wie möglich angeklickt werden. «Wenn Pornos durch andere Gelder finanziert würden, wären wir viel freier.»
Wie viel die Produktion des fairen Pornos fürs ZDF gekostet hat, wird nicht gesagt. Auf Anfrage beim Sender heisst es, dass Budgetfragen von einzelnen Formaten nicht beantwortet würden.
Das ZDF ist ähnlich finanziert wie das SRF: Die Gelder für den öffentlich-rechtlichen Sender kommen hauptsächlich vom Rundfunkbeitrag, den jeder deutsche Haushalt bezahlt. Dieser beträgt monatlich 18.36 Euro, wovon 4.69 Euro ans ZDF gehen.
Für Filmproduktionen gibt es eine weitere Finanzierungsmöglichkeit: die Filmförderung. Doch die meisten Richtlinien, um sich für Preise bewerben zu können, verbieten pornografische oder gewaltverherrlichende Inhalte. «Warum wird Gewalt mit Sexualität gleichgestellt?», fragt Regisseurin Pappel.
Sie würde sich wünschen, dass Sexfilme gleich akzeptiert wären wie andere Genres. «Pornos haben noch viel Potenzial: Diversität von Körpern, Sexualitäten, Sexualpraktiken und das schamfrei und schuldfrei.» Würden Sexfilme gefördert, würde das unseren Umgang mit Sex und Pornografie verbessern, ist Pappel überzeugt.
Es sieht gerade nicht danach aus, als würde ZDF ein Porno-Format starten. Aber wer weiss. Ein kurzer Blick auf Twitter zeigt zumindest, dass die Sendung beim Publikum nicht schlecht ankommt:
So Leute, Mal Butter bei die Fische:
— Liz (@boesesLiz) March 14, 2022
Ich finde Pornos mega langweilig, wenn ich keine Beziehung zu den zu sehenden Personen habe.
Aber wie kuhl ist bitte der ZDF Porno?! Und: Bitte mehr davon. Mehr nicht cis heteronormative Pornos zu anständigen Bedingungenfür die Mitwirkenden.
Auf dem FSK18-Account kann @janboehm es ja nicht lesen, daher hier:
— Harvestmouse (@fiepfiepfiep) March 12, 2022
Es musste erst das ZDF einen Porno drehen, damit ich ein Lecktuch im Einsatz sehe! Schon dafür danke. Und danke für das ganze Thema ❤️@zdfmagazin #ZDFMagazinRoyale
Die meisten Menschen würden bestätigen, dass es sich ohne Kondom besser anfühlt. Weshalb soll das ein Vorurteil sein?
Sind die Themen für jeden Geschmack, defintiv nicht. Sind es Themen, die häufig verpönt werden oder sich die Medien davor zurückschrecken, sie zu durchleuchten, definitiv.
Ich liebe seinen satirischen, ironischen Blickwinkel und die Einfachheit, mit der er uns über jedes noch so komplexe Thema aufklärt.