Laut der BBC ist der insgesamt sechsstündige Sechsteiler (die 4., 5. und 6. Folge sind ab dem 15. Dezember auf Netflix zu sehen) ein «Liebesbrief an sich selbst» von den Sussexes. Das trifft es ganz wunderbar.
Aus unserer Sicht? Die zwei grössten Opferkekse der Welt, die seit ihrem Weggang aus Grossbritannien 2020 nichts anderes tun, als ihre eigene Geschichte zu verkaufen und damit sehr viel Geld zu verdienen. Sei es mit ihrem Auftritt bei Oprah Winfrey, mit ihrem Netflix-Deal oder mit Harrys Biografie «Spare» (zu Deutsch «Reserve»), die im Januar erscheinen soll.
Aus ihrer Sicht? Die beiden vorbildlichsten jungen Menschen der Welt. Kritische Rebellen. Mitfühlende Wohltäter. Immer wieder sind sie dabei, sich in Afrika zu engagieren, sich selbst zu finden oder sich anderweitig zu verwirklichen. Immer wieder retten sie auf Podien internationaler Organisationen die Welt. Denn da gibt es viel Ungerechtigkeit. Und sie wissen, was das ist. Nämlich, wenn man von einem Palast in London in eine riesige Villa im kalifornischen Millionärslieblingsstädtchen Montecito vertrieben wird.
Gut. Sehr gut. In luxuriösesten Verhältnissen, mitten in der schönsten Parklandschaft. Entzückt steht Vogelfan Harry auf einer der vielen Terrassen und beobachtet Kolibris. Meghan sitzt in Pastell gewandet in einem integral pastellfarben gestalteten Saal, neben sich eine Schale mit rosa und lila Steineiern. Wenn sie nicht malerisch Hühner füttert. So leben sehr reiche Leute in Telenovelas.
Bis jetzt? Nein.
Meghan. Harry. Meghans Mutter Doria. Harrys Mutter Diana. Ziemlich normale Freundinnen von Meghan. Ziemlich elitäre Freunde von Harry. Meghans Nichte Ashley (die Tochter ihrer Halbschwester Samantha). Alle Expertinnen und Experten, die Meghan und Harry für ihre Dokumentation angestellt haben.
Meghans Vater, der für die Klatschpresse posierte und Geld damit verdiente. Meghans Halbschwester Samantha, die ein Skandalbuch über Meghan schrieb und Geld damit verdiente. Eine schrecklich nette Familie. Am Set der gleichnamigen Sitcom, wo ihr Vater als Beleuchter arbeitete, schnupperte Meghan als Kind übrigens zum ersten Mal TV-Luft. Mitschuldig ist natürlich auch das grösste Übel von allen: die Medien, die Medien, die Medien.
Die Royal Family ist ein struktureller Bösewicht, der restlos alle einzelnen Mitglieder unglücklich macht. Oder dafür sorgt, dass sie innerlich versteinern oder zu Eis erstarren. «Für die Familie, besonders die Männer, gibt es diesen Zwang, jemanden zu heiraten, der in die Form passt, als mit dem Herzen zu entscheiden», sagt Harry und meint damit vor allem seinen Vater, der (bis jetzt) wie der Rest der Royals keinen Kommentar in oder zu «Harry & Meghan» abgegeben hat.
Meghan beschreibt ihre erste Begegnung mit ihrer Schwägerin Kate: Das Formelle des äusseren Auftritts habe auch von Kates Seele Besitz genommen, meint sie. Auf gemeinsamen Aufnahmen schaut Kate streng. William kommt in gemeinsamen alten Familienvideos vor, doch Harry erwähnt den Bruder mit keinem Wort. Jedenfalls drei Folgen lang. Kühler gehts kaum.
Ja! Und wie! Harry hat einen gewaltigen Mutter-Komplex, Meghan sei ihr sehr ähnlich, sagt er kreuzverliebt, so warm, so mitfühlend. Er will an Meghan alles wiedergutmachen, was das Schicksal seiner Mutter zufügte. Er will sie und seine Familie beschützen. So, wie er «in zwei Kriegen» sein Land beschützte. Zuhause in Montecito hängt mindestens ein prächtiges Diana-Porträt. Und Meghan lehrt ihren kleinen Sohn Archie, dass es sich bei der märchenhaft gekleideten Frau auf dem Bild um sein Grosi handelt.
Kommen kaum vor und werden auch nicht angegriffen. Etwa, weil die Windsors erst in den Folgen 4, 5 und 6 ausgeräuchert werden? Oder aus Respekt? Aus Angst? Aus Feigheit? Oder vielleicht, weil Harry genau weiss, dass er trotz aller Klagen und obwohl er der Reserve-Prinz ist, selbst auch ein massgeblicher Teil der Firma ist und erst sehr spät so einiges dazugelernt hat? Auf jeden Fall lässt er einen klugen Experten sagen, dass er, Harry, sich «in einer Echokammer aus absoluten Privilegien» befinde, die man nur ungern verlasse.
Kritisiert wird vor allem die Vergangenheit der Monarchie. Das Riesengeschäft mit der Sklaverei etwa, die unter Elisabeth I. so richtig institutionalisiert wurde.
Ja. Und es ist einfach nicht so interessant. Harry und Meghan gingen zu Beginn ihrer Beziehung zweimal zusammen essen. Wow. Gut zu wissen. Und dann facetimten und simsten sie ganz viel und lernten sich auf eine ganz tiefe Art kennen. Und dann machten sie Kurzferien in Afrika. Und dann flog Meghan immer von Toronto nach London, weil sie im Gegensatz zu Harry unerkannt fliegen konnte. Wäre dies nach einem Drehbuch geschrieben, es wäre unterirdisch banal. Und dann ... wurde plötzlich alles «so scary» und nahm «a turn to the dark».
Ziemlich scary. Aber: Alles war vorhersehbar. Die ganze rassistische und boulevardistische Scheisse, die die britische Klatschpresse auf Meghan niederprasseln liess. Der Spiessrutenlauf mit Paparazzi. Das hatte es alles vorher schon gegeben. Und wenigstens gestehen die beiden, dass sie ihre Beziehung völlig naiv der Öffentlichkeit zum Frass vorwarfen.
Das Problem mit der britischen Presse und den Royals ist, wie wir erfahren, Folgendes: Der britische Steuerzahler finanziert die Royals, dafür erwartet er im Gegenzug von ihnen Unterhaltung. Pomp und Persönliches. Nun gibt es eine Übereinkunft zwischen Königshaus und Presse, dass die Pressestellen der verschiedenen «Haushalte» (Harry & Meghan und Kate & William teilten sich den Haushalt im Kensington Palast) die Medien mit positiven Meldungen füttern. Und dass die Royals posieren.
Geschieht dies zu wenig, wird die Presse böse. Was aber nicht heisst, dass die Royals sich von ihr abwenden dürfen. Sie müssen die Hunde, von denen sie gebissen werden, weiterhin füttern. Harry schildert dies sehr drastisch. Die Lösung? Man wandert nach Amerika aus und kreiert dort seinen eignen Medienrummel.
Ein pastellfarbiger. Von zwei Menschen, die gerne einteilige Tier-Pyjamas tragen. Und die sich jetzt gerade in der vielleicht selbstgerechtesten und weltfremdesten Phase ihres Lebens befinden. Weil sie keine Lust hatten, ein System, das seit über 1000 Jahren regiert und an dem neben der Pracht viel Blut und Schuld klebt, von innen heraus umzugestalten.
Sie sind gewiss keine schlechten Menschen, gerade die unbeschwerte Meghan von früher ist sehr sympathisch. Aber dass sie jetzt nichts mehr tun, als ihre Geschichte zur ganzen Geschichte zu machen, das zeugt schon auch von einer äusserst privilegierten Selbstwahrnehmung.
«Harry & Meghan» läuft jetzt auf Netflix.
Und wie sich zwei so dermassen privilegierte Menschen hinstellen und jammern können dass sie so unglaublich arme seien muss mir auch noch jemand erklären...