Am diesjährigen 1. Mai wurde ein 26-Jähriger in Zürich von einem Gummischrot-Geschoss der Polizei getroffen und erblindete danach. Ob er als Demonstrant vor Ort war oder nicht, wird derzeit untersucht.
Mit seinem Schicksal ist der junge Mann nicht allein. Wie viele Menschen in der Schweiz durch Gummischrot-Geschosse der Polizei ihr Augenlicht verloren haben, hat die Zürcher Augenärztin Anna Fierz in der Fachzeitschrift Ophta zusammengetragen – zumindest die bekannten und öffentlich zugänglichen Fälle.
Wie viele Fälle es wirklich sind, ist schwierig zu sagen. In der Schweiz gibt es nämlich keine offizielle Meldestelle für Unfälle mit Gummischrot.
Seit 1980 gab es in der ganzen Schweiz 29 Personen, die bekanntermassen durch Gummischrot am Auge verletzt wurden. Von ihnen sind elf Personen erblindet.
Gemäss den Recherchen von Fierz passierten die meisten Verletzungen während der vergangenen 20 Jahre in Basel oder Bern.
In der Stadt Zürich wurden 15 der 29 Fälle dokumentiert, acht Menschen sind erblindet. In Zürich ist auffällig, dass sich fast alle bekannten Fälle zwischen 1980 und 2003 zugetragen haben. Danach kam es erst 10 Jahre später wieder zu einem Vorfall und schliesslich am diesjährigen 1. Mai.
Je nach Geschoss muss die Polizei einen Mindestabstand von 5, 10 oder 20 Metern einhalten. Doch auch dieser Mindestabstand verhindere keine schwerwiegenden Verletzungen an den Augen, wie Fierz schreibt. Der Grund: Der Mindestabstand orientiert sich an einem Wert, der aussagt, ab welcher Distanz ein Geschoss nicht mehr die Wucht hat, ins Gewebe einzudringen. Aber laut Fierz kann man auch dann erblinden, wenn das Geschoss bloss am Auge abprallt.
Dazu komme der Faktor, dass die Polizei mit Gummischrot nicht auf spezifische Körperstellen zielen könne. Fierz schreibt:
Seit dem Vorfall am diesjährigen 1. Mai fordert eine nationale Petition auf Campax ein Verbot von Gummischrot-Geschossen in der Schweiz. «Diese Munition ist extrem gefährlich und kann schwere körperliche Schäden verursachen», steht im Petitionstext.
Die Schweiz wäre nicht das erste europäische Land mit einem offiziellen Gummischrot-Verbot. Im Gegenteil: In anderen europäischen Ländern wie Finnland, Norwegen, Dänemark, Österreich und der Mehrheit der deutschen Bundesländer existiert dieses Verbot bereits.
Erstellen Betroffene eine Strafanzeige, sei es fast unmöglich, vor Gericht damit durchzukommen, schreibt die Augenärztin. Denn Staatsanwälte stellten immer wieder infrage, ob die Schäden überhaupt von Gummischrot kommen oder nicht etwa durch Steine oder eine Fahnenstange verursacht wurden. Meistens enden die Verfahren frühzeitig.
Manche Verletzte, heisst es im Artikel von Fierz, hätten zudem alternative Unfallhergänge erfunden, da sie sich vor Konsequenzen der Versicherung fürchteten, wenn sie sich als Teilnehmende von unbewilligten Demos oder Fanmärschen «outen».
Wie schwierig eine Strafanzeige gegen einen Polizisten oder eine Polizistin ist, zeigt ein Artikel der Republik aus dem vergangenen Jahr. Im Artikel kommen sieben Betroffene zu Wort und sprechen über ihre Erfahrungen und Verletzungen am Auge durch Gummischrot. Alle Verfahren wurden eingestellt, die Polizisten freigesprochen und eine Richterin weigerte sich sogar, belastendes Videomaterial anzuschauen. Einem Betroffenen wurden sogar noch die Anwaltskosten des Polizisten aufgedrückt.
(oee)
Solange 80% der Leute hierzulande so ein Mindset haben, wird sich die Polizei bestätigt fühlen, dass diese Art der Gewaltanwendung notwendigt ist.
Man muss nicht dabei sein, sondern nur daneben und es kann Dich erwischen. Ja, man kann sogar nur da wohnen oder einfach einkaufen wollen. Arbeitsweg.
Der Grundsatz Gummischrot gehört als Grundsatz einfach weg.