Die Aargauer Freisinnige Maja Riniker ist neue Präsidentin des Nationalrates. Sie wurde am Montag mit 170 von 184 gültigen Stimmen zur für ein Jahr höchsten Schweizerin und Nachfolgerin von Eric Nussbaumer (SP/BL) gewählt.
Turnusgemäss geht die Führung der grossen Kammer damit an die FDP. Der Kanton Aargau stellt das Präsidium des Nationalrates das achte Mal seit 1919. Bisher vier Männer und nun auch vier Frauen übten das Mandat aus. Die bisher letzte Frau auf dem Bock im Nationalratssaal war im Amtsjahr 2021/22 die Aargauer Grüne Irène Kälin.
Rinikers 170 Stimmen sind ein überdurchschnittliches Resultat. Der langjährige Mittelwert liegt bei um die 155 Stimmen.
Den Stimmenrekord als Nationalratspräsidentin hält die Waadtländerin Isabelle Moret (FDP). Sie wurde 2019 mit 193 von 198 gültigen Stimmen gewählt. Die bisher wenigsten Stimmen erhielt die damalige Schwyzer CVP-Nationalrätin Elisabeth Blunschy 1977, nämlich 111.
Sie sei «eine ganz normale Schweizerin, die mit beiden Füssen auf dem Boden steht» und die nach der Wahl «bewegt, stolz und gleichwohl etwas baff» dastehe: Mit diesen Worten wandte sich die neue Nationalratspräsidentin Maja Riniker erstmals an den Rat.
Das Motto der Nationalratspräsidentin lautet: «Zusammenhalt durch Vielfalt». Laut Riniker bedingen sich die Vielfalt und der Zusammenhalt. Das eine sei ohne das andere in der Schweiz nicht möglich. Alles zu vereinheitlichen, sei nicht besser. Es brauche eine Vielfalt, die in alle Richtungen lebe und neue, lokale, eigene Lösungen hervorbringe.
Diese Vielfalt zeige sich auch im Saal: Die verschiedenen Sprachen und die geografischen Gegebenheiten bei den Nationalratsmitgliedern zuhause seien ein Teil davon.
Die Aargauerin sprach sich in ihrer Antrittsrede zudem dafür aus, die Demokratie zu lehren, zu pflegen und zu verteidigen. Sie sei eine fragile Errungenschaft, deshalb wolle sie das Verständnis für die Demokratie in der Schweiz stärken. Ein neues Informations- und Besucherzentrum beim Berner Bundesplatz soll dabei helfen. Das Vorhaben befindet sich in Planung.
Für die kommenden zwölf Monate wünschte sich die FDP-Politikerin von ihren Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat tragfähige und nachhaltige Entscheide für die Zukunft des Landes. «Unser Land hat es nötig», sagte die neue «höchste Schweizerin». Um dies zu erreichen, seien die drei Tugenden Mut, Weisheit und Kraft nötig.
Sie hielt ihre Rede in den Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Musikalisch umrahmt wurde die Wahl der in Suhr bei Aarau lebenden Politikerin vom Chor der Alten Kantonsschule Aarau. Dieser trug ein Medley, bestehend aus vier Liedern aus allen Teilen des Landes, vor.
Der Appenzell Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (FDP) ist neuer Ständeratspräsident. Er ist zum Auftakt der Wintersession der eidgenössischen Räte zum Nachfolger der Basler SP-Ständerätin Eva Herzog gewählt worden.
Caroni erhielt am Montag im Bundeshaus 43 Stimmen, was ein gutes Resultat darstellt: Der Durchschnitt der Stimmen für die Wahl des Ständeratspräsidiums liegt bei etwas über 42 Stimmen.
Der 44-jährige Rechtsanwalt und Lehrbeauftragte an der Universität St. Gallen sitzt seit Dezember 2015 im Ständerat. Er wohnt in Herisau. Bevor Caroni Ständerat wurde, war er vier Jahre lang Nationalrat. Appenzell Ausserrhoden stellte schon mehrere Ständeratspräsidenten - die letzten waren Otto Schoch (1995/96) und Hans Altherr (2011/12).
Der Ständeratspräsident leitet die Verhandlungen des Rates, legt im Rahmen der Sessionsplanung die Tagesordnung fest, leitet das Ratsbüro und vertritt den Rat nach aussen.
In seiner ersten Rede als Präsident der kleinen Kammer hat der Appenzell Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni am Montag die Wichtigkeit der Institutionen für den Fortschritt hervorgehoben.
Die Welt sei zugleich schlecht und gut, sagte Caroni in der Ansprache kurz nach seiner Wahl. Als Sorge nannte er, dass weltweit viel zu viele Menschen von Despoten unterdrückt würden: «Die Autokratie ist wieder auf dem Vormarsch und der freiheitliche, demokratische Rechtsstaat unter Druck.»
Doch der «berufsmässig düstere Blick» von Politikerinnen und Politikern auf die Welt dürfe einen nicht blind werden lassen für all den Fortschritt auf der Welt, so der Ausserrhoder Ständerat. Als Beispiel nannte er die Entwicklung der Kindersterblichkeit.
1848 habe die Kindersterblichkeit in der Schweiz geschätzt rund 20 Prozent gelegen, die Lebenserwartung bei 40 Jahren. «Heute haben wir mit 65 statistisch noch 20 gute Jahre vor uns.»
Grundlage des Fortschritts sei das Credo der Aufklärung: «Dass der Mensch, wenn man ihn nur lässt, mit seiner Vernunft unser aller Dasein verbessern kann». Um die Kraft des Fortschritts in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zu entfesseln, brauche es Freiheit und Sicherheit: «Diese erhalten wir durch Institutionen des Zusammenlebens, die uns Menschen den Rücken frei halten vor Unfreiheit und Bedrohung durch die Feinde der Aufklärung.»
Der Mensch sei per se weder Engel noch Teufel, fuhr Caroni fort: «Welche Seiten er ausleben kann oder ausleben darf und wie es in der Folge uns Menschen geht, hängt nicht zuletzt von den Institutionen ab.»
Die Schweizer Politik sei darauf angelegt, dass niemand zu viel Einfluss erhalte, so Caroni. Den Ständerat verglich er mit einem Orchester. Als Präsident sei er weder Vorsänger noch Dirigent.
Stattdessen sieht sich der neue Ständeratspräsident in der Rolle des Schlagzeugers: Er bleibe im Hintergrund, halte Takt und Tempo und lege gemeinsam mit dem Ratssekretariat, der restllichen «Rhythm Section», den Klangteppich. So könnten die anderen «einzeln solieren und gemeinsam harmonieren.»
(rbu/sda)