Was du vor der Abstimmung im Mai zur «Lex Netflix» wissen musst
Neben dem Ausbau der europäischen Grenz- und Küstenschutzwache (Frontex) und der Organspende stimmen wir am 15. Mai 2022 auch über die Änderung des Filmgesetzes ab. Falls du von der «Lex Netflix» noch nichts verstehst, keine Bange: Wir geben dir einen Überblick über die wichtigsten Punkte:
Worum geht's bei der «Lex Netflix»?
Laut Bundesrat kann die Filmindustrie in der Schweiz nicht aus eigener Kraft bestehen. Alleine die geringe Grösse der sprachregionalen Filmmärkte machten es nötig, den Schweizer Film staatlich zu unterstützen. Das geschieht einerseits durch den Bund und die Regionen, andererseits aber auch durch die SRG und andere Schweizer Fernsehsender. Private Sender sind seit 2007 dazu verpflichtet, vier Prozent ihres Umsatzes in die hiesige Filmindustrie zu investieren.
Aus Sicht des Bundesrates und des Parlaments hat sich durch den digitalen Wandel – und das veränderte Konsumverhalten – eine Lücke im Filmgesetz aufgetan: in der Schweiz werden immer mehr Filme über Netflix, Amazon Prime, Disney+ und Co. geschaut. Streaminganbieter müssen aber bis heute keine Abgaben zur Förderung des Filmschaffens in der Schweiz bezahlen.
Am 1. Oktober 2021 hat das Parlament deshalb die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Filmgesetzes beschlossen. Sie beinhaltet im Wesentlichen drei Punkte:
- Sowohl inländische wie auch ausländische Streamingdienste müssten bei Annahme der Änderung neu vier Prozent ihres in der Schweiz erwirtschafteten Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen investieren. Wollen die Anbieter dies nicht, so müssten sie als Alternative eine Ersatzabgabe an das Bundesamt für Kultur (BAK) bezahlen.
- Streamingdienste würden neu dazu verpflichtet, zu mindestens 30 Prozent Filme anzubieten, die in Europa produziert wurden.
- Die Investitionspflicht soll ausserdem neu auch für ausländische Fernsehsender gelten. Dies, solange sie Werbeblöcke gezielt für Schweizer Publikum schalten und so auf dem Schweizer Werbemarkt Geld verdienen.
Gegen die Änderung des Filmgesetzes wurde das Referendum ergriffen, wodurch es am 15. Mai zur Volksabstimmung kommt.
Wer sind die Befürworter des neuen Filmgesetzes?
Sowohl der Bundesrat als auch das Parlament befürworten die Änderung des Filmgesetzes. Im Nationalrat wurde dem Gesetz mit 124 zu 67 Stimmen zugestimmt. Dabei gilt klar: Je bürgerlicher, desto geringer ist die Zustimmung zur Änderung des Filmgesetzes. Nur in der SVP gab es keine Stimme für die Änderung des Filmgesetzes.
Das überparteiliche Ja-Komitee präsentierte am 24. März seine Argumente. Dabei waren Vertreterinnen und Vertreter aller grösseren Parteien ausser der SVP anwesend.
Was sind die Argumente dafür?
Mit der Änderung des Filmgesetzes werden laut den Befürwortern die Streamingdienste in ihren Rechten und Pflichten den hiesigen Fernsehsendern gleichgestellt. Ein weiteres Argument ist, dass die meisten europäischen Länder bereits eine solche Abgabe für Streamingdienste kennen. Filme oder Co-Produktionen aus der Schweiz hätten demgegenüber ohne Unterstützung der ausländischen Konzerne einen deutlich schlechteren Stand.
Ausserdem argumentieren die Befürworter der «Lex Netflix», dass internationale Streaminganbieter in der Schweiz sehr viel Geld verdienten. Geld, das heute ausschliesslich ins Ausland fliesse. Mit dem neuen Filmgesetz würden zumindest vier Prozent dieser Einnahmen in die Schweiz zurückfliessen.
Die Investitionspflicht stellt laut dem Ja-Komitee keine Steuer oder Subvention dar. Die Streamingdienste seien frei in der Auswahl, welche Projekte in der Schweiz sie unterstützen wollen. Vier Prozent seien deshalb kein Mehraufwand, sondern eine Investition in den Schweizer Film. Die Befürworter zeigen sich überzeugt, dass durch eine Investitionspflicht für Streamingdienste künftig mehr Schweizer Produktionen zu sehen sein werden.
Wer sind die Gegner?
Gegen die Änderung des Filmgesetzes wurde das Referendum ergriffen. Das Referendumskomitee besteht hauptsächlich aus Mitgliedern der Mitte-Rechts-Jungparteien. Bei der Präsentation seiner Argumente gegen das «Lex Netflix» am Dienstag, 29. März, waren auch Vertreterinnen und Vertreter des Konsumentenforums, des Verbandes Schweizer Privatfernsehen, der Gewerbeverband und des Verbandes für Kommunikationsnetze anwesend.
Was sind die Argumente der Gegner?
Entgegen des Ja-Lagers argumentieren die Gegner, die neue Abgabe käme «faktisch einer Filmsteuer» gleich, da sie eine zwingende Abgabe sei. Sie zeigen sich überzeugt, dass dabei Kosten auf Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt würden.
Den Gegnern sind ausserdem die 30 Prozent europäischer Produktionen, zu deren Anbieten sich die Streamingdienste verpflichten müssten, ein Dorn im Auge: Eine Vorgabe über den Inhalt ihrer Filmkataloge sei Bevormundung der Streaminganbieter und die Konsumfreiheit würde massiv eingeschränkt.
Letztlich gehe es dem Schweizer Film sehr gut. Rund 120 Millionen Franken Steuer- und Serafe-Geldern würden jährlich der Filmbranche zugute kommen. Eine zusätzliche Unterstützung ist in den Augen des Referendumskomitees deshalb unnötig.