«Arena» nach Prämienschock: Von Rabatten und Abnehmspritzen
Selten war das Thema der «Arena» so aufgelegt wie diese Woche. Eine Woche, in der sich die politische Linke zunächst über die Aussagen von Novartis-CEO Vas Narasimhan ärgerte («In der Schweiz sind die Medikamentenpreise viel zu tief»).
Eine Woche aber auch, in der Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider einen erneuten Anstieg der Krankenkassenprämien kommunizieren musste. Und als wäre dies des Übels nicht genug, liess US-Präsident Donald Trump am Freitag auch noch verlauten, künftig einen Zoll von 100 Prozent auf Pharmaprodukte zu erheben.
Es gab viel zu besprechen im Schweizer Fernsehen, zur gesundheitspolitischen Debatte versammelt waren:
- Mattea Meyer, SP-Co-Präsidentin und Nationalrätin (ZH)
- Patrick Hässig, GLP-Nationalrat (ZH)
- Lukas Engelberger, Mitte-Regierungsrat (BS) und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz
- Diana Gutjahr, SVP-Nationalrätin (TG)
Die Ausgangslage
Die Hauptsorge der geladenen Gesundheitspolitiker waren die Krankenkassenprämien. Im schweizweiten Durchschnitt steigen sie aufs kommende Jahr um 4,4 Prozent, die mittlere Prämie wird neu 393,30 Franken pro Monat betragen.
Für SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr ist der Fall klar: Einer der Hauptgründe für den Anstieg ist der Leistungsausbau in der Grundversicherung. Die Bevölkerung wolle das so, am Schluss wundere man sich, «dass die Prämien immer weiter steigen».
Dass der Aufschlag verglichen mit den Vorjahren niedriger ausfällt, mag SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer nicht milde stimmen. «In den letzten 30 Jahren haben sich die Krankenkassenprämien verdreifacht. Wir alle wissen: Die Löhne haben sich nicht verdreifacht.» Sie betont:
Mattea Meyer (SP): «Die Prämien sind regelrecht explodiert»
GLP-Nationalrat und Pflegefachmann Patrick Hässig begründet die steigenden Gesundheitskosten und damit die höheren Prämien mit dem medizinischen Fortschritt:
Sparpotenzial sieht Hässig dennoch: «Wir müssen endlich raus aus dem Steinzeitalter der Digitalisierung, in dem wir als Schweiz immer noch stecken (Anm. d. Red. Stichwort elektronisches Patientendossier). Etwas weniger Föderalismus würde dem Schweizer Gesundheitswesen auch guttun.»
Für Lukas Engelberger, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, sind die Auswüchse im Schweizer Gesundheitswesen eine Folge der «Hochleistungsgesellschaft, die wir geworden sind». In der Schweiz müsse niemand monatelang auf eine Operation warten und sei in dieser Zeit nicht produktiv. Engelberger betonte: «Das Ziel muss sein, die Gesundheitskosten stärker an das allgemeine Wachstum zu binden.»
Mögliche Lösungen
Wie so oft in politischen Debatten waren zahlreiche Ansätze zu hören, wie den steigenden Gesundheitskosten denn zu begegnen sei. Was sich die Schweizer Bevölkerung jedoch wünscht, sind konkrete Massnahmen. In diesem Jahr steigen die Gesundheitskosten gemäss Prognosen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich erstmals auf über 100 Milliarden Franken (2023: 94 Milliarden Franken).
Gutjahr plädiert für mehr Eigenverantwortung. Die Thurgauer Nationalrätin stört sich daran, dass die Leute bei jedem Wehwehchen zum Arzt rennen. Sie habe in ihrem Unternehmen extra eingeführt, dass man nicht mehr ab dem ersten Tag ein Arztzeugnis bringen müsse. Sie sagte:
Auch mit Abnehmspritzen wie Ozempic kann Gutjahr wenig anfangen. Sie seien ein Lifestyle-Produkt. Statt selbstständig abzunehmen, griffen übergewichtige Menschen zu einer Spritze und dann werde dies auch noch von den Krankenkassen bezahlt. «Da ist etwas am System total falsch.»
Diana Gutjahr (SVP): «Es werden Anspruchshaltungen in der Bevölkerung ausgelöst»
Den Vorwurf, wonach die Menschen bei jedem Wehwehchen zum Arzt rennen würden, wies SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer zurück. Die Leute in der Schweiz würden dies verglichen mit dem Ausland nicht öfter tun, wie Studien zeigten. Im Gegenteil: Bis zu 20 Prozent würden aus Angst vor Folgekosten auf einen notwendigen Arztbesuch verzichten. «Das verursacht im Nachhinein für die Gesellschaft höhere Kosten.»
Das viel grössere Problem ist aus Sicht der Sozialdemokratin die ungleich verteilte Finanzierung im Gesundheitswesen: «Private Haushalte bezahlen 60 Prozent der Gesundheitsleistungen aus dem eigenen Sack. Völlig unabhängig davon, wie arm oder reich sie sind. Das ist unsolidarisch und unsozial.»
Des Rätsels Lösung aus Meyers Sicht: die Prämien-Rabatt-Initiative der SP. Sie möchte weg von der Kopfprämie und die Gesundheitskosten fairer verteilen. Gutverdienende bezahlen einen Aufschlag auf ihre Prämie, alle anderen erhalten einen Rabatt. Für bis zu 85 Prozent der Bevölkerung könnte die Prämienrechnung sinken.
GLP-Nationalrat Patrick Hässig wünscht sich mehr Prävention. «Die Gesundheitskompetenz der Menschen in unserem Land hat Luft nach oben.» Man müsse Massnahnen ergreifen, dass die Leute gar nicht krank würden. Zum Beispiel mit einer nationalen Präventionskampagne, wie es in der Corona-Pandemie oder bei der HIV-Prävention in den 1980er-Jahren der Fall war, so Hässig.
Auch was die Zusammenarbeit der Kantone angeht, bestehe dringender Handlungsbedarf. Notfalls solle der Bund eingreifen können. Hässig nimmt das Thema der Spitalplanung auf: «Die entscheidende Frage ist nicht, wie viele Spitäler wir haben, sondern was die machen und in welcher Qualität.»
Patrick Hässig (GLP): «Viele Spitäler kommen nicht auf die empfohlenen Mindest-Fallzahlen»
Trumps Pharma-Zoll
Grossmehrheitlich verlief die Gesundheitskosten-Arena in trauter Harmonie. Selbst als es um Donald Trumps angekündigten Pharma-Zoll von 100 Prozent ging – der US-Präsident hat schon manche Schweizer Diskussionsrunde ideologisch gespalten –, blieb es im Leutschenbach ruhig und sachlich.
Lukas Engelberger, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, bezeichnete Trumps Pläne als «Protektionismus in Reinkultur», als «Irrpfad». Tragisch sei, dass dies zulasten derjenigen gehe, die auf Medikamente angewiesen seien. «Als Erstes betroffen sind die Amerikanerinnen und Amerikaner.»
Lukas Engelberger (Mitte): «Man kann nur hoffen, dass Präsident Trump gebremst wird»
Auch wenn derzeit vieles noch unklar sei, müsse die Schweiz dafür kämpfen, ein guter Pharma-Standort zu bleiben. «Die Pharmamanager sind derzeit enorm unter Druck, weil ihnen aus den USA vorgerechnet wird, wie günstig die Medikamentenpreise in der Schweiz sind.»
Auch Hässig betont die Wichtigkeit von Pharmaunternehmen für den Wirtschaftsstandort Schweiz. «Auf die Pharmabranche gehen 50'000 Arbeitsplätze in unserem Land, diese Menschen verdienen gut und dies generiert Steuern. Mit diesen Steuern finanzieren wir etwa die Prämienverbilligung.»
Fehlendes Engagement und Ideen konnte man den Politikerinnen und Politikern in der «Arena» nicht vorwerfen. Es sind Ansätze da, wie man den ausufernden Gesundheitskosten entgegenwirken kann. Mehrere Reformen treten in den nächsten Jahren zudem in Kraft. Ob diese den Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen können, wird die Zukunft zeigen.