JSVP-Fiechter fordert wegen der Swisscom neue Abstimmung – so reagiert ein Politologe
Die Schweiz hat die E-ID mit 50,4 Prozent Ja-Stimmen angenommen – am Schluss haben etwas über 20’000 Stimmen den Unterschied gemacht. Ein Ausgang, den viele so knapp nicht erwartet hatten.
Denn die Gegner der E-ID konnten überraschend stark mobilisieren, auch ohne eine breite politische Allianz. Getragen wurde der Widerstand von Gruppierungen wie Freunde der Verfassung, Digitale Integrität, EDU und der Jungen SVP.
JSVP-Präsident Niels Fiechter, Mitglied des Nein-Komitees, sieht im Resultat vor allem ein Signal gegen die politische Elite, wie er zu watson sagt: «Es gibt eine Diskrepanz zwischen Politik und Volk. Im Ständerat war praktisch niemand dagegen, im Nationalrat nur wenige und doch steht das Land 50:50.»
Dass die E-ID angenommen wurde, erklärt Fiechter mit zwei «groben Verfehlungen»: Umfrageinstitute und Swisscom.
«Manipulierende Umfragen»
Fiechter findet deutliche Worte: «Die Umfragen im Vorfeld lagen falsch und sie manipulieren die Stimmbürger. Viele wollen zu den Gewinnern gehören und stimmen entsprechend.» Er fordert deshalb ein Verbot von Umfragen «mehrere Monate» vor Abstimmungen. Denn sie seien «manipulierend» und hätten «keinen Mehrwert für die Bürger». Zudem würden laut dem JSVP-Präsidenten nur Menschen Umfragen ausfüllen, die «keine Arbeit» hätten.
Politologe Oliver Strijbis von der Franklin University in Lugano räumt zwar gegenüber watson ein, dass es immer einen gewissen Vorteil gebe für das Lager, bei dem die Bevölkerung das Gefühl hat, es werde gewinnen. Doch das würde es auch ohne die Umfrage geben.
«Ohne Umfragen hätten die Leute trotzdem Erwartungen, dann aber gestützt auf Gerüchte und Kampagnen. Eine Demokratie ohne Umfragen wäre schlechter.»
Strijbis bestätigt, dass die Umfrageinstitute dieses Mal danebengelegen haben. Den Grund dafür sieht er darin, dass staatskritische Milieus, die während der Corona-Zeit gewachsen seien, in Umfragen systematisch unterrepräsentiert seien: «Das ist ein Lager, das ungern an Umfragen teilnimmt. Es ist staats- und elitekritisch, und das hatten wir unterschätzt.»
Ein Verbot der Umfragen hält Strijbis aber für brandgefährlich: «Das wäre ein massiver Eingriff in die demokratische Transparenz und Pressefreiheit.»
Der Swisscom-Fauxpas
Eine weitere «Schuld» am Ja zur E-ID gibt JSVP-Fiechter der Swisscom. Konkret kritisiert er die 30’000-Franken-Spende der Swisscom an das Ja-Komitee sowie die Logo-Präsenz auf Flyern, welche für die E-ID warben. «Die Swisscom ist halbstaatlich. So ein Konzern beeinflusst Tausende. Bei diesem knappen Resultat braucht es eine Wiederholung der Abstimmung.»
Das Nein-Komitee hat deshalb bereits eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht wegen der «unlauteren Einmischung» der Swisscom.
Politologe Strijbis findet das übertrieben: «30’000 Franken entscheiden keine nationale Abstimmung – auch keine knappe.» Politisch unsensibel sei es aber trotzdem gewesen: «Swisscom hätte sich neutraler verhalten sollen.» Deswegen nun die Abstimmung zu wiederholen, sei jedoch eine überrissene Forderung.
Dass es nun so ein knappes Ja gegeben habe, sei für Strijbis auch ein Zeichen für das wachsende Misstrauen gegenüber Institutionen – ein Trend, der nicht nur die E-ID betreffe.