Die Linke hat sich beim Eigenmietwert verzockt
Ein Indiz, dass es beim Eigenmietwert anders kommen würde als erwartet, lieferte am Sonntagvormittag der Bericht einer Kollegin. Sie hatte das Couvert ganz «alte Schule» ins Abstimmungslokal in Zürich gebracht, und dort sei es gähnend leer gewesen. Es war eine Momentaufnahme und trotzdem ein Hinweis auf eine schwache Mobilisierung von Rot-Grün.
Bei den Bürgerlichen sah es anders aus. Der negative Umfragetrend dürfte bei ihrer Klientel – unterstützt von Staatskritikern wegen der E-ID und einem üppigen Kampagnenbudget – einen Schlussspurt ausgelöst haben. Hauseigentümer stimmen ohnehin diszipliniert ab, und mit Beihilfe der «Möchtegern-Hausbesitzer» konnte der Eigenmietwert gekippt werden.
Wunder darf man davon keine erwarten. Die drohenden Einnahmeausfälle sind eine Tatsache. Es besteht das Risiko, dass wir am Ende alle dafür bezahlen. Das Problem auf dem Immobilienmarkt ist zudem das knappe Angebot und nicht der Eigenmietwert. Verständlich waren auch die Bedenken von Teilen des Gewerbes wegen der wegfallenden Abzüge.
Systemwechsel als Knackpunkt
Dieser Aspekt aber war das beste Argument für die Vorlage. Endlich konnten sich Bürgerliche und Hauseigentümerverband zum seit Jahrzehnten geforderten Systemwechsel durchringen: kein Eigenmietwert mehr, dafür auch keine Steuerabzüge von Schuldzinsen und Sanierungskosten. Das fanden sogar linke Exponenten wie Jacqueline Badran gut.
Dennoch wechselte die SP vom anfänglichen Ja ins Nein-Lager. Haben sie die Erfolge des letzten Jahres mit der 13. AHV-Rente und dem Nein zur BVG-Reform übermütig gemacht? Witterte sie eine weitere Chance, den Bürgerlichen eins auszuwischen? Vertrauten sie zu stark auf die im internationalen Vergleich sehr tiefe Eigentumsquote in der Schweiz?
Emotionen ziehen
Wenn dem so wäre, hätten sich Linke und Grüne grandios verzockt. Ihr Manöver war zu fadenscheinig. Es schafft kein Vertrauen, wenn eine sonst gradlinige Politikerin wie Badran zur Windfahne wird. Am Abstimmungssonntag glänzte sie durch Abwesenheit. Vielleicht hat sie das «Unheil» kommen sehen. Denn der Eigenmietwert ist ein emotionales Thema.
Das Argument der «armen» Rentner, die unter dem Eigenmietwert leiden, kam besser an als die abstrakten Nein-Parolen. Das schafft auch neue Probleme. Die Regierungen der Gebirgskantone bekämpften die Vorlage, weil sie der Zweitwohnungssteuer misstrauen. Jetzt müssen sie versuchen, diese umzusetzen, und das wird kein Spaziergang.
Nun droht ein Angriff auf Mieten
Mit ihren Warnungen kamen sie selbst in der eigenen Bevölkerung nicht durch, ausser im Wallis. Denn gerade in den Bergen gibt es viele Eigentümer von Liegenschaften, für den eigenen Gebrauch oder als Ferienwohnungen. Das könnte es schwierig machen, die neue Objektsteuer auf Zweitliegenschaften auf kantonaler Ebene durchzubringen.
Genau aus diesem Grund dürfte auch der Eigenmietwert nicht sofort verschwinden, denn der Bund will den Kantonen Zeit lassen. Die «Geistersteuer» könnte noch einige Zeit lebendig bleiben. Gleichzeitig muss man sich Gedanken machen über den Röstigraben. Denn die Romandie wollte von der Abschaffung des Eigenmietwerts nichts wissen.
Und auch die Hauseigentümer dürfen sich nicht zu sehr freuen. Im Parlament ist von ihrer Seite ein Vorstoss hängig, der darauf abzielt, dass die Mietpreise einfacher erhöht werden können. Und das in einer Zeit, in der die Wohnungssuche zum Glücksspiel wird. Ziehen sie das durch, gibt es ein Referendum – und eine grosse Mobilisierungschance für die Linke.