Mitte Juli hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Asylpraxis für Mädchen und Frauen aus Afghanistan geändert – ohne dies aktiv zu kommunizieren. Seither werden Afghaninnen in der Regel als Flüchtlinge anerkannt. Bis anhin wurden sie meistens vorläufig aufgenommen und hatten damit weniger Rechte als mit dem Flüchtlingsstatus. Der Entscheid des SEM sorgt auch Monate danach noch immer für rote Köpfe. In der Wintersession berät das Parlament Vorstösse von Politikern, welche eine Rückkehr zur alten Praxis fordern. Darum geht es.
Beantragt eine afghanische Frau in der Schweiz Asyl, erhält sie grundsätzlich den Flüchtlingsstatus. Das gilt auch für afghanische Frauen und Mädchen, die bereits als vorläufig Aufgenommene in der Schweiz leben. Sie können in einem erneuten Gesuch den Flüchtlingsstatus beantragen und haben Anrecht auf Familiennachzug. Ehemänner und minderjährige Kinder dürfen somit in die Schweiz nachreisen. Das SEM hält fest, es behandle nach wie vor jedes Gesuch individuell und prüfe immer zuerst, ob bereits in einem anderen Dublin-Staat ein Asylverfahren laufe.
Kathrin Buchmann leitet beim SEM den Bereich Asylverfahren und Praxis. Sie begründet die Praxisänderung mit der aktuellen Lage in Afghanistan: Seit der Machtübernahme der Taliban würden Frauen aufgrund ihres Geschlechts «systematisch menschenunwürdig behandelt». Sie seien in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt, dürften nicht arbeiten und würden beim Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung diskriminiert. «Die Grundrechte der Afghaninnen sind massiv eingeschränkt», so Buchmann. Ihre Situation habe sich zuletzt kontinuierlich verschlechtert. Frauen und Mädchen hätten in Afghanistan «begründete Furcht vor Verfolgung».
Zwar sei die Zahl der Asylgesuche afghanischer Staatsangehöriger diesen Herbst gestiegen, sagt SEM-Vizedirektor Claudio Martelli. Doch dieser Anstieg sei in erster Linie saisonal bedingt und auch bereits in Vorjahren beobachtet worden. Martelli bekräftigt: «Wir beobachten keinen nachhaltigen Pull-Effekt.» Das SEM löse mit der Praxisänderung keinen Flüchtlingsstrom in die Schweiz aus. Ein Grund: Die Schweiz hat damit bloss nachvollzogen, was andere europäische Staaten schon seit längerer Zeit umsetzen.
Zwar stieg im September die Zahl der Asylgesuche von afghanischen Staatsangehörigen an. Total wurden über 1400 Gesuche eingereicht. Allerdings stammt etwa die Hälfte davon von Personen, die bereits zuvor in der Schweiz gelebt haben und hier vorläufig aufgenommen wurden. Im Oktober ging die Zahl der Gesuche bereits wieder zurück – auf rund 900. Zum Vergleich die Zahlen aus dem Vorjahr: Im Oktober 2022 wurden über 1100 Asylgesuche von Personen aus Afghanistan eingereicht, im September 2022 waren es 777.
Zwischen Januar und September des laufenden Jahres haben 219 Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit ein Gesuch für den Nachzug von Familienmitgliedern gestellt. Dabei handelt es sich laut SEM meist um Männer, die ihre Ehefrauen nachziehen wollen. Seit Juli hat knapp ein Dutzend Afghaninnen ein Gesuch um Familiennachzug eingereicht, im vergangenen Jahr waren es 30 Gesuche. Total seien seit Beginn des Jahres 77 Frauen und 35 Männer aus Afghanistan im Rahmen des Nachzugs eingereist.
Die FDP kritisiert, mit der grundsätzlichen Anerkennung von Frauen aus Afghanistan als Flüchtlinge riskiere die Schweiz, zum bevorzugten Zielland in Europa zu werden. Zudem drohe mit dem Familiennachzug das «Risiko eines Kontrollverlusts über die Einwanderung ins Asylsystem». Auch die SVP griff Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider nach Bekanntwerden der Praxisänderung an. Sie befürchtet eine Sogwirkung und verweist auf die bereits angespannte Asylsituation in der Schweiz.
Parlamentarier beider Parteien haben Vorstösse eingereicht mit dem Ziel, zur alten Praxis zurückzukehren. Ein Argument lautet, die neue Regelung befeuere die Migration aus Drittstaaten. Künftig soll deshalb nicht die Nationalität entscheidend sein für den Asylentscheid, sondern das Land, in dem sich die Gesuchsteller zuvor aufgehalten haben.
Viele Afghaninnen und Afghanen kommen nicht direkt aus Afghanistan in die Schweiz. Sie bleiben zum Teil über mehrere Jahre in einem Drittstaat. Reisen sie aus einem sicheren Drittstaat in die Schweiz und haben dort bereits einen geregelten Aufenthaltsstatus, dann haben sie kein Anrecht auf Asyl und müssen das Land wieder verlassen. Haben sie zum Beispiel bereits in einem EU-Staat ein Asylgesuch gestellt, werden sie als sogenannte Dublin-Fälle dorthin zurückgeschickt.
Doch die afghanische Community ist vor allem in den Nachbarländern Pakistan und Iran sowie in der Türkei gross. Diese Länder gelten gemäss SEM nicht als sichere Drittstaaten für Afghaninnen und Afghanen, weil die Gefahr besteht, dass sie nach einer Rückweisung weiter abgeschoben werden. Das SEM führe deshalb im Normalfall keine Rückführungen in diese Staaten aus, so die Experten des Bundes. (aargauerzeitung.ch)
Unsere Kulturen sind nicht Kompatibel nicht jetzt und nicht später.
Wollen wir denn die Welt retten?
Mit dem Familiennachzug kommen bestimmt auch gewisse Traditionen zu uns, welche nicht mit unserer Gesetzen und Werten vereinbar sind.