Enttäuscht stehen sie da, die Befürworterinnen und Befürworter der Umweltverantwortungsinitiative. Das Berner Kulturlokal Progr wird zum Ort der schallenden Ohrfeige. Die Schweizer Stimmbevölkerung lehnt die von den Jungen Grünen lancierte Vorlage noch klarer ab, als es die letzten Umfragen erwarten liessen: Der Nein-Stimmenanteil beträgt deutliche 69,8 Prozent.
Das hehre Ziel, die Umwelt bis in zehn Jahren nur noch so stark zu belasten, wie sich diese regenerieren kann, kollidierte mit dem Wohlstand, an den sich die Bevölkerung gewöhnt hat. Der Wille, staatliche Eingriffe zur Reduktion des persönlichen Konsums hinzunehmen, ist nicht allzu ausgeprägt.
Doch genau solche Eingriffe wären bei einer Annahme der Umweltverantwortungsinitiative erforderlich gewesen. Sprich: Steuern, Vorschriften und Verbote. Auch wenn die Initiantinnen und Initianten den Ressourcenverbrauch der Gesamtschweiz und nicht die Anzahl Cervelats einer einzelnen Person reduzieren möchten – die Sorge vor Einschränkungen beim Fliegen, Autofahren, Heizen oder Essen hat beim Stimmvolk verfangen.
Die Gegner warnten davor, dass die Schweiz bei einer Annahme zum Entwicklungsland würde, zu einem «öko-sozialistischen Labor», zu einer «DDR 2.0». Der Staat hätte die Wirtschaftsleistung und den Konsum um zwei Drittel reduzieren müssen, Firmen hätten abwandern, Arbeitsplätze verloren gehen können. Die Ziele der Vorlage sozialverträglich zu erreichen, wie es die Initianten forderten, wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Haushalte mit wenig Einkommen hätten besonders stark gelitten, war aus dem Nein-Lager zu hören.
Dass das Skizzieren von drastischen Massnahmen beim Schweizer Stimmvolk rascher greift als das im Grundsatz sinnvolle Konzept der planetaren Grenzen – die Basis der Initiative –, hätte den Befürwortern bereits bei der Lancierung klar sein müssen. Die Debatte um Steuern, Verbote und Abgaben hat 2021 bereits das CO₂-Gesetz gebodigt. Und das, obwohl von den grossen Parteien nur die SVP das Referendum der Erdöl- und Autolobby unterstützte.
Auch die Tatsache, dass der Initiativtext offen liess, wie die Ziele der Vorlage zu erreichen sind, hat den Initianten das Leben nicht einfacher gemacht. Sie argumentierten, die Klimapolitik sei dynamisch. Dem sei Rechnung zu tragen, weswegen das Parlament bei einem Ja konkrete Massnahmen zu erarbeiten habe.
Für die Gegner war das ein gefundenes Fressen. Sie attestierten den Initianten Unehrlichkeit, fragten, wofür es ein 30-seitiges Argumentarium brauche, wenn es sich dabei nur um Lösungsvorschläge handle.
Auch wenn die Jungen Grünen mehrfach betonten, trotz aussichtsloser Umfrageresultate bis zuletzt für eine Annahme kämpfen zu wollen, macht es den Anschein, als wäre die Umweltverantwortungsinitiative in erster Linie ein PR-Instrument gewesen. Den Initianten gelang es, ihre Anliegen prominent auf der politischen Agenda zu platzieren, die Folge waren zahlreiche Auftritte in den publikumsstärksten Medien und Sendeformaten.
Die Schweiz hat das Pariser Klimaabkommen mitunterzeichnet und damit das Netto-null-Ziel bis 2050 verbindlich festgelegt. Das vergangene Jahr war das erste überhaupt, in dem die globale Durchschnittstemperatur 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Beim Pro-Kopf-CO2-Ausstoss gehört die Schweiz zu den weltweiten Spitzenreitern. Diese Parameter zeigen, dass die Schweiz mehr machen kann, mehr machen muss.
Es ist richtig, dass die Jungen Grünen und ihre Mitstreiter aufs Gas drücken, zusätzliche Massnahmen fordern, ambitionierte Ziele formulieren. Nur müssen diese Ziele mehrheitsfähig sein.
Dass der Umwelt- und Klimaschutz Herrn und Frau Schweizer bis zu einem gewissen Grad am Herzen liegen, haben vergangene Abstimmungen gezeigt. Das Klimaschutzgesetz und das Stromgesetz – beide fussten auf Subventionen und nicht auf Steuern und Abgaben – erreichten jeweils eine klare Mehrheit.
Doch wenn der Cervelat auf dem Teller auch nur ansatzweise zur Debatte steht, geht das einer Mehrheit der Bevölkerung schlicht zu weit.