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Geld für Armee und Ukraine: Der «Kuhhandel» steht vor dem Absturz

Bundesraetin Viola Amherd, rechts, und Staenderaetin Andrea Gmuer, Mitte-LU, links, sprechen waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 26. September 2023 im Staenderat in Ber ...
Bundespräsidentin Viola Amherd unterstützt den Deal von Parteikollegin Andrea Gmür (l.).Bild: keystone
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Dem «Kuhhandel» zu Armee und Ukraine droht eine harte Landung

Die Idee schien bestechend: Die Aufrüstung der Armee und der Wiederaufbau der Ukraine sollten an der Schuldenbremse vorbei finanziert werden. Nun aber steht sie vor dem Aus.
22.05.2024, 17:55
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Ein 15 Milliarden Franken schweres Paket sorgt in Bundesbern für Aufregung. Es wurde von einem Grüppchen um die Mitte-Ständerätinnen Marianne Binder und Andrea Gmür «geschnürt», um die Wiederaufrüstung der Armee und den Wiederaufbau der Ukraine mit einem Spezialgesetz unter Umgehung der Schuldenbremse zu finanzieren.

Am letzten Samstag zeigte sich auch Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone gegenüber Radio SRF zähneknirschend offen für den «Kuhhandel». Dieses Einschwenken ändert jedoch nichts daran, dass er zum Scheitern verurteilt ist. Das Bundesamt für Justiz kam zum Schluss, dass die Kriterien für eine Aushebelung der Schuldenbremse nicht erfüllt sind.

Lisa Mazzone, Praesidentin, von der Gruenen Partei spricht an einem Point de Presse zum Urteil des Europaeischen Gerichtshof fuer Menschenrechte, EGMR, am Dienstag, 9. April 2024, in Bern. Der EGMR ha ...
Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone zeigt sich offen für den Deal, doch das wird ihn nicht retten.Bild: keystone

Obwohl es sich beim Ukraine-Krieg um ein «ausserordentliches Ereignis» handle, müssten die Ausgaben für die Armee und den Wiederaufbau aus dem ordentlichen Budget finanziert werden. Die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat teilt gemäss dem «Blick» diese Meinung. Sie stellte sich damit gegen Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd.

«Pragmatische Lösung»

Wie weit sie in den Plan eingeweiht war, ist unklar. Doch nachdem er publik wurde, setzte sich die Walliserin trotz Ablehnung durch die Bundesjuristen dafür ein. Ihr Departement VBS bezeichnete ihn als «pragmatische Lösung», die rasch umgesetzt werden könne, geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die an Blick und NZZ am Sonntag durchgereicht wurden.

Die Indiskretionen zeigen, dass mit harten Bandagen um das Geschäft gekämpft wird. Und dessen Gegner nicht davor zurückschrecken, die Bundespräsidentin blosszustellen. Selbst in der Mitte-Partei teilen nicht alle die Haltung von Viola Amherd, Marianne Binder und Andrea Gmür. Das zeigte sich letzte Woche in der Finanzkommission des Ständerats.

Wer hat mit Nein gestimmt?

Sie schmetterte den beantragten Spezialfonds mit 11:2 Stimmen regelrecht ab. Das klare Ergebnis deutet darauf hin, dass nicht nur alle vier Mitte-Vertreter dagegen waren, sondern auch zwei der vier Mitglieder von SP und Grünen. Eine Nein-Stimme könnte von Eva Herzog stammen, die als ehemalige Basler Finanzdirektorin mit der Materie vertraut ist.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter, links, diskutiert mit Pierre-Yves Maillard, SP-VD, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 14. Maerz 2024 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE ...
Finanzministerin Karin Keller-Sutter und SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard im Gespräch während der Frühjahrssession.Bild: keystone

In Karin Keller-Sutters Finanzdepartement (EFD) aber hat man jemand anderen im Visier: den Waadtländer SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard. Er hat sich für die 13. AHV-Rente eingesetzt und kämpft für die Prämienentlastungs-Initiative seiner Partei. Als «Sparfuchs» kann man den Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds nicht bezeichnen.

Kompensation im Budget

Trotzdem glaubt man im EFD, dass Maillard den Armee-Ukraine-Deal abgelehnt haben könnte, aus grundsätzlichen Erwägungen. Es geht um einen wichtigen Aspekt, der in der Debatte bislang nur am Rande beachtet wurde: Alle ausserhalb der Schuldenbremse beschlossenen Ausgaben müssen mittelfristig im Bundesbudget kompensiert werden.

Das ist schon beim bis 2035 geplanten Abbau der Corona-Schulden ein Kraftakt, wie man im EFD unumwunden einräumt. Ein zusätzlicher 15-Milliarden-Fonds könnte das System endgültig ans Limit bringen und zu schmerzhaften Einsparungen im sozialen Bereich führen. Und das ist so ziemlich das Letzte, was ein Pierre-Yves Maillard will.

Drei Alternativen

Das Geschäft ist während der Sommersession am 3. Juni im Ständerat traktandiert. Er dürfte kurzen Prozess damit machen. Damit müssen andere Wege gefunden werden, um die Armee und den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren, ebenso weitere Ausgaben wie die 13. AHV-Rente. Drei Möglichkeiten bieten sich an, wobei keine einfach zu realisieren ist.

Ansetzen könnte man bei den Subventionen, die fast 60 Prozent der Bundesausgaben ausmachen. Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat dies am Dienstag vor den Medien kritisiert und Einsparungen angemahnt. Eine vom Finanzdepartement eingesetzte Expertengruppe soll bis nach den Sommerferien einen Bericht mit Vorschlägen vorlegen.

Also doch die Schuldenbremse?

Allerdings haben einmal beschlossene Subventionen die «Angewohnheit», dass man sie kaum mehr wegbringt. Das beste Beispiel ist die Landwirtschaft. Sie findet immer wieder Gründe, warum sie mehr Geld vom Bund braucht, ob direkt oder indirekt. Und stösst gerade bei jenen Bürgerlichen auf offene Ohren, die sonst gerne mit dem Sparzeigefinger fuchteln.

Der zweite Weg wären höhere Steuern und Abgaben. Die NZZ forderte am Dienstag für die Armee einen Mix aus Einsparungen und Mehreinnahmen, die «zeitlich begrenzt» wären. Doch auch einmal beschlossene Steuererhöhungen sind in der Regel gekommen, um zu bleiben. Das zeigt die 1940 eingeführte Wehrsteuer, die heutige direkte Bundessteuer.

Es bliebe somit eine Lockerung der Schuldenbremse. Bislang sträuben sich die Bürgerlichen mit Händen und Füssen dagegen. Und weil die Schuldenbremse in der Verfassung verankert ist, müsste das Stimmvolk entscheiden. Eine kurzfristige Lösung wäre dies nicht, doch angesichts des zunehmenden Finanzbedarfs müssen Tabus hinterfragt werden.

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bild: watson/keystone
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29 Kommentare
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Denkblase
22.05.2024 18:24registriert Juli 2020
Das Paket schien niemals bestechend, sondern roch meilenweit nach Beschiss! Es wurde etwas paketiert, was nicht zusammenpasst!
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Maurmer
22.05.2024 18:08registriert Juni 2021
Der Artikel suggeriert ja schon eine Lösungsmöglichkeit: "Das beste Beispiel ist die Landwirtschaft. Sie findet immer wieder Gründe, warum sie mehr Geld vom Bund braucht, ob direkt oder indirekt."


Da könnte man doch viel Geld aus den Subventionstöpfen verwenden um es an die Rüstungsindustrie zu verteilen. Bei Parmelins Winzern könnten wir anfangen...
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Denkerin2
22.05.2024 18:38registriert April 2022
Diese drei Frauen wollen unseren Staat ohne mit der Wimper zu zucken tief verschulden. Unter Umgehung der Schuldenbremse. Diese hat den Zweck, das Volk vor masslosen Politikern zu schützen. Diese drei Frauen wollen weiterhin in Saus und Braus von unserem - jedes Jahr höheren - Steuernsubstrat leben, aber ja keine Anstrengung unternehmen, „sparen“ zu müssen. Abwählen bei den nächsten Wahlen. Die Jungen interessieren sie offensichtlich nicht, die sollen später die Schulden zurück zahlen,
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