Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) hat ein Problem. Nach einer langen Zeit mit sprudelnden Einnahmen und Überschüssen ist bei den Bundesfinanzen Magerkost angesagt. Der Bund rechnet mit strukturellen Defiziten von rund drei Milliarden Franken pro Jahr. Was tun? Eine Lockerung der Schuldenbremse lehnt Keller-Sutter kategorisch ab.
«Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem», betont die selbst ernannte «Sparfüchsin» bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Folglich hat sie eine Expertengruppe zur Überprüfung von Aufgaben und Subventionen eingesetzt. Sie sollte den Bundeshaushalt auf Sparpotenzial «abklopfen» und mögliche Massnahmen vorschlagen.
Geleitet wurde die fünfköpfige Gruppe von Serge Gaillard, in jungen Jahren Marxist, später Gewerkschaftsfunktionär und schliesslich Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Als solcher wurde er selbst von den Bürgerlichen respektiert. Am Donnerstag legte sie ihren Bericht vor. Gross waren die Erwartungen nicht, denn der Politik fällt das Sparen schwer.
Besonders «immun» ist die linksgrüne Seite. Die SP bezeichnete die Vorschläge der Gruppe Gaillard prompt als «Frontalangriff auf die soziale Schweiz». Für Einsparungen ist Keller-Sutter deshalb auf Mitte-rechts angewiesen. Und auch das ist leichter gesagt als getan, denn die Bürgerlichen geben ebenfalls gerne Geld aus, etwa für die Landwirtschaft.
Man darf der Spartruppe attestieren, dass ihre Vorschläge nicht durchwegs «blöd» sind. Es ergibt Sinn, das Ausgabenwachstum beim Bundespersonal zu hinterfragen, ebenso den Subventionsdschungel, der auf 48 Milliarden Franken pro Jahr angewachsen ist. Besonders bei «Bagatellsubventionen» ist das Verhältnis von Kosten und Nutzen häufig fraglich.
In einem zentralen Punkt aber hat die Gruppe in ein Wespennest gestochen. Sie anerkennt, dass sich die Sicherheitslage in Europa mit dem russischen Überfall auf die Ukraine verschärft hat und die Armee mehr Geld benötigt. Sie schlägt aber vor, dass das Militärbudget bis 2035 bloss um 4,25 statt wie geplant um 6,14 Prozent pro Jahr ansteigen soll.
Die Begründung hat es in sich. Im Bericht wird insinuiert, dass «die Wahrscheinlichkeit eines umfassenden militärischen Angriffs auf die Schweiz gering ist». Die Schweiz solle sich in erster Linie auf die Bereiche Cybersicherheit und Luftabwehr konzentrieren. Die Vorschläge sind dermassen brisant, dass sie an die «NZZ am Sonntag» durchgereicht wurden.
Im (rechts-)bürgerlichen Lager ist die Empörung gross. «Mit Sparbefehlen wehrt man keine feindlichen Raketen ab», meinte die Aargauer Mitte-Ständerätin Marianne Binder. Und der Schwyzer FDP-Nationalrat Heinz Theiler zeigte sich «sehr enttäuscht» von der Gruppe: «Ich hoffe, sie hat die anderen Verwaltungseinheiten seriöser analysiert.»
Indirekt kritisierte er damit auch seine Parteikollegin Karin Keller-Sutter. Marianne Binder nahm gegenüber der «NZZ am Sonntag» kein Blatt vor den Mund: «Finanzministerin Keller-Sutter ist auf die Schuldenbremse fixiert.» Für bürgerliche Sicherheitspolitiker ist das im letzten Dezember beschlossene Ausgabenwachstum bis 2035 ohnehin zu langsam.
Sie wollen, dass das Armeebudget bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigt. Die rechtsbürgerliche Vereinigung Pro Militia hat keineswegs zufällig am Donnerstag ein Manifest mit dieser Forderung lanciert. Indem sie ihre wichtigsten Verbündeten beim Sparen vor den Kopf stösst, hat sich die Gruppe Gaillard selbst ein Bein gestellt.
Denn auch andere Vorschläge werden es schwer haben, etwa die Aufhebung von «Steuergeschenken». Der Sondersatz bei der Mehrwertsteuer für die Hotelbranche, einst provisorisch geplant, oder die Rückerstattung der Mineralölsteuer auf von Pistenfahrzeugen verbrauchten Treibstoff werden gerade von bürgerlicher Seite erbittert verteidigt.
In anderen Bereichen ist Widerstand von links programmiert, etwa beim vorgeschlagenen Verzicht auf Bundesbeiträge für Kitas. Und über die Idee, Bund und Kantone sollten das Kostenwachstum bei der obligatorischen Krankenversicherung dämpfen, kann man angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre eigentlich nur resigniert lächeln.
Die Asylkosten zu reduzieren, indem Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen rascher ins Erwerbsleben integriert werden, ist schön und gut. Doch das Stigma «vorläufig» schreckt viele Arbeitgeber ab. Und in der Klimapolitik auf Lenkungsabgaben und Vorschriften statt auf Subventionen zu setzen, hat schon bislang nicht funktioniert.
Immerhin zeigt sich die Gruppe auch offen für Mehreinnahmen, etwa durch eine Grundstückgewinnsteuer auf nationaler Ebene. Sie würde rund eine Milliarde Franken pro Jahr einbringen. Allerdings waren sich die Mitglieder in diesem Punkt nicht einig, wie im Bericht eingeräumt wird. Und Widerstand der Kantone wäre programmiert.
Sparen ist leichter gesagt als getan. Das anerkennt indirekt auch der Bundesrat. Er macht, was er in solchen Fällen häufig tut: Er beruft runde Tische mit Kantonen, Parteien und Sozialpartnern ein, wie er am Donnerstag mitteilte. Bis Ende Jahr will er beschliessen, welche Massnahmen er weiterverfolgen und in die Vernehmlassung schicken will.
Ob am Ende überhaupt etwas resultiert, ist zweifelhaft. Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte), deren Verhältnis zu Kollegin KKS angespannt sein soll, hat gemäss der «NZZ am Sonntag» in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats die Vermutung geäussert, dass kein einziger dieser Sparvorschläge durchs Parlament kommen werde.
Allzu falsch dürfte die Walliserin nicht liegen. «Wer einmal eine Subvention hat, wehrt sich dafür», sagte Serge Gaillard aus eigener Erfahrung vor den Medien. Und räumte ein, dass die Umsetzung der Sparvorschläge nicht einfach wird. Das sei «eine politische Frage».
Wie überzeugt man die Politiker - bzw. die Bevölkerung - von sowas?
Auch KKS hat Recht, wir haben ein Ausgabenproblem. Die beinahe 50 Mia Subventionen gehören da wohl prioritär angeschaut.
Zudem: Super malt den Teufel an die Wand und Panikmache mit 3 Mrd. strukturellem Defizit....Wetten, dass es 2024 "nur" knapp 1 Mrd sein wird?