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Nationalrat will Regeln für Homeoffice lockern und flexibilisieren

ARCHIVBILD ZUR GEPLANTEN AUFHEBUNG DER HOMEOFFICE-PFLICHT AB AB 31. MAI 2021 BEI REGELMAESSIGEM TESTEN - Ein Bildredaktor der Nachrichtenagentur Keystone-SDA arbeitet an seinem Arbeitsplatz im Homeoff ...
Im Homeoffice sollen künftig weniger starre Regeln gelten.Bild: keystone

Nationalrat will Regeln für Homeoffice lockern und flexibilisieren – das musst du wissen

23.09.2025, 14:3723.09.2025, 16:14

Im Homeoffice sollen künftig weniger starre Regeln gelten. Dieser Meinung ist der Nationalrat. Er hat am Dienstag entsprechenden Gesetzesänderungen zugestimmt. Für die bürgerliche Mehrheit bedeutet das mehr Flexibilität, für die Linke einen Angriff auf Arbeitsrechte.

Konkret beschloss die grosse Kammer nach einer animierten Debatte, die maximale Zeitspanne für die tägliche Arbeitszeit von 14 auf 17 Stunden zu verlängern. Die Mindestruhezeit soll von elf auf neun Stunden verkürzt werden. Vorgesehen ist dafür das explizite Recht auf Nichterreichbarkeit – und zwar für alle und nicht nur für jene Angestellten, die zu Hause oder ausserhalb ihres Betriebs arbeiten. Dieser Entscheid fiel mit 102 zu 86 Stimmen bei einer Enthaltung.

Sonntagsarbeit soll an höchstens neun Sonntagen für jeweils bis zu fünf Stunden bewilligungsfrei möglich sein. In diesem Punkt ging der Nationalrat über den Vorschlag seiner vorberatenden Kommission hinaus, welche sechs bewilligungsfreie Sonntage forderte.

Die flexiblere gesetzliche Regelung der Arbeitszeiten soll für jene Personen gelten, die ihre Arbeitszeit zu einem namhaften Teil selbst festlegen können. Denn nur sie könnten vom Anliegen der Vorlage profitieren, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit möglichst gut zu gestalten, machte die Mehrheit geltend. Auf das Erfordernis einer schriftlichen Homeoffice-Vereinbarung soll verzichtet werden.

Vorlage mit langer Geschichte

Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative von Thierry Burkart (FDP/AG) im Jahr 2016 zurück, der beide Kommissionen Folge gaben. Nach der Corona-Pandemie präsentierte die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) einen Umsetzungsvorschlag, den der Bundesrat grundsätzlich befürwortet. Punktuelle Anpassungen des Obligationenrechts (OR) sind ebenfalls geplant.

FDP Parteipraesident Thierry Burkart bei seiner Rede anlaesslich der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz vom Samstag, 28. Juni 2025 in Hergiswil im Kanton Nidwalden. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative von Thierry Burkart zurück.Bild: keystone

In der Gesamtabstimmung hiess die grosse Kammer die Vorlage mit 119 zu 63 Stimmen bei 5 Enthaltungen gut. Die Fraktionen von SVP, Mitte, FDP und GLP sagten Ja. Die Vorlage passe das Arbeitsrecht an die aktuellen Gegebenheiten an, ohne den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen, lautete der Tenor.

«Der Wunsch nach Homeoffice hat sich seit der Corona-Pandemie stark erhöht», sagte Kommissionssprecher Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS). Das seit 1964 geltende Arbeitsgesetz sei jedoch noch auf fixe Arbeitszeiten, industrielle Arbeitsweisen und Produktionsprozesse zugeschnitten.

«Mehr Flexibilität und weniger Vorgaben»

Die bürgerliche Mehrheit verspricht sich von der Möglichkeit einer individuelleren Arbeitszeitgestaltung im Gesetz Vorteile für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für Betreuungsaufgaben. Arbeitnehmenden könnten so ihre Arbeitszeiten individueller gestalten.

Im Arbeitsalltag gebe es heute viele Konflikte mit dem Arbeitsgesetz, sagte Marcel Dobler (FDP/SG). Der Gesetzgeber, also das Parlament, müsse deshalb Klarheit schaffen.

«Wir brauchen im heutigen Umfeld mehr Flexibilität und weniger Vorgaben», hielt Thomas Burgherr (SVP/AG) fest. Viele der vorgeschlagenen Änderungen würden seit Längerem in der Praxis gelebt. Laut Jürg Grossen (GLP/BE) ist die Vorlage «angemessen, ausgewogen und praxistauglich».

Linke ist empört

Starke Kritik und Ablehnung kommen aus dem linken Lager. SP und Grüne befürchten schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Gesundheitsschutz. «Dieser frontale Angriff auf die Arbeitnehmendenrechte ist beispiellos», sagte Emmanuel Amoos (SP/VS). Die Vorlage führe zu unnötiger Bürokratie und missachte sozialpartnerschaftliche und branchenspezifische Lösungen, doppelte David Roth (SP/LU) nach.

Auch die Grünen kritisierten die neuen Regelungen. Es gebe schon heute immer mehr Möglichkeiten für Arbeitnehmende, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten, sagte Franziska Ryser (Grüne/SG). «Dazu braucht es diese Gesetzesänderungen nicht.»

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisierte den Entscheid des Nationalrats in einer Mitteilung scharf. «Die Sonntage und der Feierabend von mehr als zwei Millionen Arbeitnehmenden sind bedroht.»

Nun ist der Ständerat am Zug. Die Gegnerinnen und Gegner haben bereits angekündigt, mit allen Mitteln gegen die Vorlage vorzugehen, sollte diese auch im Ständerat eine Mehrheit finden. (sda)

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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ABWESEND
23.09.2025 14:42registriert September 2024
der Titel hört sich an, als bekämen mehr Arbeitnehmer Chancen auf Homeoffice. dann kam mir in den Sinn, unsere Politik hat ja eine rechte Mehrheit und so kam es, dass die Regel ja für den Arbeitgeber positiv angepasst werden sollen.

ich kleines Dummerchen.
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kettcar #lina4weindoch
23.09.2025 14:50registriert April 2014
Passt für mich, da es mehr meiner Arbeitsrealität entspricht. Und schon heute kümmert es kaum einen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, ob diese Zeiten eingehalten werden, solange es für beide stimmt.

Nur bin ich halt kein libertäres Arsch, dass nicht weiss, dass es auch Arbeitnehmer gibt, die diesen Schutz benötigen. Aber genau darum geht es vielen in der "bürgerlichen" Mehrheit: Diesen Schutz aufzuweichen und das dann auszunutzen, um die Arbeitnehmer noch mehr unter Druck zu setzen.
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Pafeld
23.09.2025 14:56registriert August 2014
Für jemand, der selbst 95% im Homeoffice verbringt, sehe ich nicht, wieso ich als Arbeitnehmer von dieser Vorlage irgendwie profitieren soll.
Ach, die ist ja von Thierry Burkart, ich Trottel...
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