Die Durchhaltefähigkeit ist sehr eingeschränkt, die Ausrüstunglücken gross, die Munitionsvorräte knapp: In ihrem Schwarzbuch «Die Verteidigungsfähigkeit stärken» dokumentiert die Schweizer Armee ihren Schwächezustand gleich selbst – und das in geopolitisch schwierigen Zeiten. Der Ukraine-Krieg oder der Nahostkonflikt offenbaren, wie unberechenbar und volatil die Sicherheitslage ist.
Der Bundesrat und die bürgerlichen Parteien wollen deshalb mehr Geld in die Armee pumpen – trotz düsterer Finanzlage. Der Bundesrat möchte das Armeebudget bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts hochschrauben, Verteidigungsministerin Viola Amherd eigentlich lieber schon bis 2030. Das Parlament wälzt derzeit mehrere Ideen, mehr Geld in die Verteidigung zu lenken. Etwa via Spezialfonds, mit einer befristeten Mehrwertsteuererhöhung oder mit Einsparungen bei der Entwicklungshilfe. Der Bedarf ist gross. Zur Wiedererlangung der vollständigen Verteidigungsfähigkeit veranschlagt Armeechef Thomas Süssli 40 Milliarden Franken – mit dieser Summe könnte man drei weitere Gotthardbasistunnel graben.
Jetzt möchte die SVP eine neue Geldquelle erschliessen: Ausländische Männer, die zur ständigen Wohnbevölkerung zählen, sollen eine Wehrpflichtersatzabgabe entrichten – so wie es Schweizer Männer tun müssen, die ihren Dienst am Vaterland nicht erbringen können. Die Fraktionsmotion hat die SVP in der laufenden Session eingereicht. Sie stammt aus der Feder von Alfred Heer.
Der Zürcher Nationalrat sagt: «Schweizer Bürger leisten einen solidarischen Beitrag zur Sicherheit des Landes. Davon profitieren Ausländer, ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erbringen.» Heer fordert deshalb, dass sie als Kompensation eine Sicherheitsabgabe zugunsten der Armee beisteuern. Die Höhe soll sich an der Wehrpflichtersatzabgabe der dienstuntauglichen Schweizer Männer orientieren.
Die Wehrpflicht besteht im Alter von 19 bis 37 Jahren. In diesem Lebensabschnitt müssen Dienstuntaugliche elf Ersatzzahlungen entrichten (3 Prozent des steuerbaren Einkommens). Im letzten Jahr mussten 196'800 Männer insgesamt 170 Millionen Wehrpflichtersatz entrichten. Das entspricht 863 Franken pro Kopf. Rund 389'000 ausländische Männer im Alter von 19 bis 37 Jahren haben ihren Wohnsitz in der Schweiz. Wenn sie in dieser Lebensphase elfmal zur Kasse gebeten werden und man den Durchschnittsbetrag der ersatzpflichtigen Schweizer zum Massstab nimmt, würde eine Sicherheitsabgabe à la SVP jährlich um die 200 Millionen in die Armeekasse spülen.
Bürgerliche Sicherheitspolitiker zeigen sich offen für die Sicherheitsabgabe. Eine solche sei «prüfenswert», sagt der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Das findet auch der Schwyzer FDP-Nationalrat Heinz Theiler – und ergänzt: «Es gibt viele Ausländer, die hier aufwachsen und ihre Einbürgerung verschieben, um keinen Militärdienst leisten zu müssen.» Die Gewährung unserer Sicherheit durch die Armee sei aber nicht gratis zu haben.
Die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf hingegen winkt ab: «Es kann doch nicht sein, dass man der ausländischen Bevölkerung überhaupt nicht entgegenkommt wie zum Beispiel beim Ausländerstimmrecht, aber bei den Pflichten eine zusätzliche Sonderlösung will», sagt die Präsidentin der sicherheitspolitischen Kommission. Es sei auch seltsam, für etwas eine Ersatzabgabe zu zahlen, für das man gar keine Leistung erbringen könne. In der Tat dürfen Ausländer nicht der Schweizer Armee beitreten: Sie hat keine Söldner.
Neu sind die Pläne für eine Sicherheitsabgabe nicht. Heer reichte dazu schon einmal eine parlamentarische Initiative ein. Die Mehrheit des Nationalrats versenkte sie aber im Juni 2011 deutlich. Ein Argument lautete: Sicherheit ist Staatsaufgabe und wird durch die Steuern finanziert – womit sich auch Ausländer an den Kosten der Armee beteiligen.
Klar ist: Auch wenn die SVP im Parlament dieses Mal eine Mehrheit für ihr Anliegen findet, ist der Weg zu einer Sicherheitsabgabe für Ausländer noch lang. Es bräuchte eine Volksabstimmung. Denn in der Verfassung steht heute explizit, dass nur Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, eine Abgabe schulden.
(aargauerzeitung.ch)
Gleichberechtigung ist keine Einbahnstrasse.
Wenn man als Begründung die Abgaben von dienstuntauglichen Männern herzieht, muss man den ausländischen Männern aber auch eine Möglichkeit bieten, die Abgaben zu reduzieren (z.B. mit Zivildienst).