Ein in Venezuela vorübergehend inhaftierter Schweizer Journalist hat in einem Zeitungsinterview scharfe Kritik am Schweizer Aussendepartement geäussert. «Der Schweizer Botschaft war meine Verhaftung offensichtlich egal», sagte der 27-jährige Tessiner Filippo Rossi.
Die Schweizer Vertretung habe ihm keinen Anwalt gestellt, sagte der freie Journalist in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» vom Samstag. Stattdessen hätten sich die italienischen Behörden um ihn gekümmert.
Die Schweizer Konsulin habe ihm geraten, einen venezolanischen Pflichtverteidiger zu nehmen, sich vom Anwalt der italienischen Botschaft verteidigen zu lassen oder einen Anwalt zu kontaktieren, den sie kenne, sagte Rossi. Leider sei dieser aber im Moment nicht erreichbar gewesen.
Weiter habe ihn auch kein Botschaftsvertreter im Gefängnis besucht. Nach seiner Freilassung habe die Schweizer Botschaft erst ein Auto für den Transport zum Flughafen geschickt, nachdem eine Mitarbeiterin der italienischen Vertretung darum gebeten habe, erklärte Rossi.
Die Schweizer Botschaft habe sich vielleicht einfach streng ans Protokoll gehalten. In diesem Fall hätte sie aber die protokollarische Korrektheit höher gewichtet als Menschlichkeit, sagte Rossi. «Mein Glück war, dass ich mit einem italienischen Kollegen verhaftet wurde. Wenn die italienische Botschaft nicht so beherzt eingegriffen hätte, sässe ich vielleicht jetzt noch im Gefängnis.»
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) dementierte die Vorwürfe laut «Tages-Anzeiger». In einer Stellungnahme an die Zeitung hält das EDA fest, dass Schweizer Botschaften nicht verpflichtet seien, einem festgenommenen Schweizer einen Anwalt zu stellen. Dass die Botschaften auch Vertrauensanwälte von Nachbarstaaten der Schweiz empfehlen würden, sei üblich.
Gefängnisbesuche durch die Schweizer Vertretungen erfolgen laut EDA in der Regel nicht umgehend, sondern erst wenn feststehe, dass es sich nicht nur um eine temporäre Festhaltung handle. Die Schweizer Vertretungen im Ausland könnten nicht für die Sicherheit ihrer Staatsangehörigen garantieren; dafür sind einzig die lokalen Behörden zuständig. Dass Rossi dann doch zum Flughafen begleitet wurde, sei als Entgegenkommen zu verstehen.
Rossi war bei einer Recherche für einen Dokumentarfilm zu dem für prekäre Verhältnisse und Gewaltakte berüchtigten Gefängnis Tocorón im Bundesstaat Aragua zusammen mit einem italienischen und einem venezolanischen Kollegen verhaftet worden. Das Justizministerium warf ihnen fehlende Bewilligungen und das Mitführen von unerlaubten Aufnahmegeräten vor. Zwei Tage später kamen die drei Männer ohne Auflagen frei.
Er habe Angst um seine Sicherheit gehabt, erzählte Rossi. Die Zelle sei grässlich gewesen. «Eine einzige Matratze voller Läuse für alle drei, Blut an den Wänden, Ratten, Gestank nach Urin und Kot, ein Loch als Toilette. Wasser und Zahnpasta erhielten wir von anderen Gefangenen.» (sda)