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Basel-Landschaft

Mahnwache vor der KESB in Sissach gegen Impfzwang hält an

Mutter muss Kinder gegen Masern impfen lassen – die Reaktion der Trychler folgt prompt

Das Bundesgericht hat entschieden, dass zwei Kinder gegen Masern geimpft werden müssen, nachdem sich die Eltern nicht einigen konnten. Der Zorn von Impfgegnern über diesen Entscheid trifft nun die KESB Gelterkinden-Sissach (BL), die sicherstellen muss, dass die Impfungen durchgeführt werden.
22.09.2023, 05:0022.09.2023, 12:45
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Vor der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in Sissach (BL) schellen Freiheitstrychler ihre Glocken, wehen mit Schweiz-Flaggen. Das zeigt ein Video auf X, das am Mittwoch online ging. Gemäss dem Post habe die KESB ihre Türglocke abgestellt und «sich selber eingesperrt».

Die Kantonspolizei Baselland bestätigt, dass die Demonstrierenden eine Mahnwache abhalten. Und das schon seit letzter Woche. Am vergangenen Donnerstag pilgerten sogar 200 Menschen nach Sissach. Gemäss der «BZ Basel» soll an diesem Tag auch Nicolas Rimoldi, der Gründer der Corona-Massnahmen-kritischen Bewegung «Mass-Voll», vor Ort gewesen sein.

Sie alle demonstrieren gegen Impfzwang.

Doch was ist eigentlich passiert?

Wenn Eltern sich streiten, entscheidet das Gericht

Wir spulen zurück ins Jahr 2019. Ein Paar steht vor Gericht. Es hat sechs gemeinsame Kinder. Und will sich scheiden lassen. Während des Scheidungsverfahrens beantragt der Vater, dass das Gericht darüber entscheidet, ob die beiden jüngsten Kinder gegen Masern geimpft werden. Er ist dafür. Die Mutter ist dagegen.

Gemäss der «Basler Zeitung» lehnt das Gericht das Anliegen des Vaters mehrfach ab. Doch dieser zieht das Urteil weiter. 2020 beschäftigt sich schliesslich das Bundesgericht mit der Frage. Und entscheidet am 16. Juni 2020: In einem Fall, in dem sich die Eltern über das Impfen ihrer Kinder nicht einig sind, müssen die KESB oder ein Gericht entscheiden. Dabei müssten die Behörden im Interesse des Kindeswohls handeln. «Richtschnur für den Entscheid ist dabei die Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit zur Durchführung der Masernimpfung», schreibt das Bundesgericht.

Das BAG empfiehlt die Masernimpfung, da die Krankheit bei praktisch allen Erkrankten eine ausgeprägte Schwächung des Immunsystems herbeiführe. In zehn Prozent der Fälle kommt es gemäss BAG gar zu schweren Komplikationen. Das Bundesgericht argumentiert darum, dass mit dem Nichtimpfen der Kinder, das Kindeswohl gefährdet wird.

In ihrer Medienmitteilung hält das Bundesgericht aber auch fest:

«Das Urteil bedeutet nicht, dass die Kindesschutzbehörde eine Masernimpfung auch anordnen könnte, wenn die Eltern übereinstimmend erklären, ihr Kind nicht impfen zu wollen. Über einen Impfzwang entscheidet der Gesetzgeber.»

Dennoch schaffte das Bundesgericht damit einen Präzedenzfall, der für die künftige Rechtssprechung in solchen Fällen weisend sein wird.

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Eine Masernimpfung.Bild: sda

Polizei könnte Kinder zum Impftermin begleiten

Die beiden Kinder des Ex-Ehepaars müssen nun also geimpft werden.

Darum forderte die zuständige KESB Gelterkinden-Sissach die Mutter mehrfach auf, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Diese Aufforderungen ignorierte die Mutter.

Schliesslich setzte ihr die KESB ein Ultimatum: Entweder weist sie einen Beleg für die Impfung ihrer beiden Söhne bis zum 15. September 2023 vor, oder die Impfung wird zwangsweise durchgeführt «mittels polizeilicher Vollstreckung durch die Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft», wie «20 Minuten» aus einem Schreiben der KESB zitiert.

Zu so einer Situation – dass die Polizei Kinder zur Arztpraxis begleiten und sicherstellen muss, dass ihnen eine Impfung verabreicht wird – ist es in der Schweiz noch nie gekommen.

Das Corona-Massnahmen-kritische und Klimawandel-leugnende Newsportal «Hoch2.tv» lud die Mutter der beiden heute 9- und 10-jährigen Buben Ende August darum in ihr Fernsehstudio ein. Dort erzählte sie, dass ihre Buben selbst sagen, dass sie nicht geimpft werden möchten.

Die Mutter sagte ausserdem, dass sie ihre älteren vier Kinder gegen Masern hat impfen lassen. Bei den jüngeren beiden Buben habe sie sich jedoch komplett gegen Impfungen entschieden. Weshalb?

«Ich habe meine eigene, interne Impfstudie, wo ich sehe: Meine älteren Kinder haben Krankheiten, Allergien. Und die anderen, die haben nichts. Und das zeigt für mich im Kleinen, dass mein Gefühl richtig war.»
Mutter der beiden Kinder, die sich impfen lassen müssen.Quelle: hoch2.tv
Masern, Impfen, Impfgegner
Ein Kind mit Masern. Bei zehn Prozent der Fälle kommt es gemäss BAG bei Maserninfektionen zu schweren Komplikationen.Bild: shutterstock

Gemeinde, Polizei und KESB wollen nichts sagen

Am Tag vor der Deadline versammelten sich schliesslich erstmals Demonstrierende vor der KESB Gelterkinden-Sissach. Gemäss eines anderen X-Users haben sie sich aber inzwischen eingerichtet, um längerfristig vor dem Gebäude auszuharren. «Sie haben Gartenmöbel und Küchenutensilien mitgebracht und ‹wohnen› und übernachten auch hier», schreibt er am Mittwoch. Ausserdem habe die Gemeinde inzwischen einen Sicherheitsdienst organisiert, der durchgehend vor dem Eingang der KESB wache.

Gemeindepräsident Peter Buser möchte die Geschehnisse vor der KESB gegenüber watson nicht kommentieren und bestätigt auch keinen Sicherheitsdienst. Von der Kantonspolizei Baselland heisst es, die stattfindende Mahnwache sei ihnen bekannt. Von den Demonstrierenden gehe aber keine Gefahr für Drittpersonen aus.

Und was ist mit der Gefahr für KESB-Mitarbeitenden? Darauf will Polizeisprecher Adrian Gaugler nicht antworten. Auch zu einem Sicherheitsdienst kann er nichts sagen.

Ebenso wenig möchte sich die KESB Gelterkinden-Sissach zur aktuellen Situation äussern. Auf mehrfache Anfrage von watson reagiert die Behörde lange nicht. Schliesslich verspricht die Co-Präsidentin einen Rückruf, sagt dann aber kurzfristig ab. Ruft man die Behörde an, geht die automatische Mailbox ran: «Das Sekretariat ist derzeit nicht besetzt.» Kann die KESB wegen den Demonstrierenden nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen? Dazu bezieht die KESB Gelterkinden-Sissach am Freitag in einer Medienmitteilung Stellung: «Die Mitarbeitenden der KESB gehen ihren Aufgaben weiterhin uneingeschränkt nach.»*

Immerhin sagt Polizeisprecher Adrian Gaugler, dass ihm noch «kein polizeiliches Ereignis bekannt ist». Das heisst, zu einem Polizeieinsatz, damit die Kinder ihre Impfung verabreicht bekommen, ist es wahrscheinlich noch nicht gekommen.

Transparenzhinweis
*In einer ersten Version dieses Artikels war noch unbekannt, ob die KESB-Mitarbeitenden unter diesen Umständen arbeiten können. Nach der Medienmitteilung der KESB Gelterkinden-Sissach am Freitagmorgen wurde dies im Artikel angepasst.
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444 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Purscht
22.09.2023 06:49registriert Oktober 2017
"Dort erzählte sie, dass ihre Buben selbst sagen, dass sie nicht geimpft werden möchten."

Wenn die Mutter ihnen jeden Tag erzählt wie schlimm dass diese Impfung ist, haben diese Kinder natürlich Angst vor der Impfung.
Sie hat ihre eigene Impfstudie mit einer Versuchsgruppe von 4 (!) Personen. Ohne Worte...
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Kaffeetasse
22.09.2023 06:49registriert Januar 2023
"Ich habe meine eigene, interne Impfstudie [...]" Der Satz zeigt das Problem exemplarisch auf: Wir haben Leute in diesem Land, die glauben, ihre Meinung sei gleichwertig zur gesamten medizinischen Forschung. Mit viel Gebimmel wollen sie diese auch allen anderen aufzwingen. Schade, schützt der Kanton die eigenen Mitarbeiter der KESB nicht besser vor diesem Terror oder als was sonst soll man diese "Mahnwache" bezeichnen?
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Cancel Washington
22.09.2023 06:49registriert November 2022
«Ich habe meine eigene, interne Impfstudie…»

Medizinstudium auf Youtube absolviert.
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