Um die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) ist es in den letzten vier Jahren ruhig geworden. Mit dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf Ende 2015 verlor sie den Status als Bundesratspartei und damit viel Medienpräsenz. «Gopfertelli Landolt, warum bisch nie me i dr Ziitig?», werde er an Parteianlässen gefragt, sagte BDP-Präsident Martin Landolt letztes Jahr gegenüber watson.
Eine Folge davon ist akuter Wählerschwund. Bei den Zürcher Wahlen im März flog die BDP aus dem Kantonsrat. Es scheint fraglich, ob sie bei den Wahlen im Oktober nochmals Fraktionsstärke in Bundesbern erreichen wird. Also macht sie aus der Not eine Tugend und setzt mit originellen Plakaten und dem Slogan «Langweilig, aber gut» auf einen Mix aus Selbstironie und Galgenhumor.
Derzeit aber kann von Langeweile keine Rede sein. Mitten im Sommerloch sorgt die BDP für Schlagzeilen. Ob sie ihr nützen werden, ist eine andere Frage, denn schmeichelhaft sind sie nicht.
Die Tat sorgte weitherum für Entsetzen: Am 29. Juli stiess ein in der Schweiz wohnhafter Eritreer in Frankfurt einen achtjährigen Knaben und seine Mutter vor einen einfahrenden ICE. Der Bub kam ums Leben. Worauf Roland Basler, Präsident der Aargauer BDP, auf Twitter schrieb, er komme «wieder ins Grübeln, ob doch die Todesstrafe die gerechte Bestrafung dafür wäre».
Der Tweet wurde anfangs kaum beachtet – Basler hat etwas mehr als 100 Follower. Dann griff ihn die «NZZ am Sonntag» auf, und Roland Basler legte nach: In diesem Fall halte er die Todesstrafe für angemessen. Auge um Auge. Der Täter habe «jedes Recht auf Leben verwirkt». Dabei war schon relativ bald nach der Tat klar, dass er offensichtlich psychisch krank war.
Ab dieser zu teifst verabscheuungswürdigen Tat, welche man nur aufs aller Schärfste verurteilen kann, komme ich wieder ins Grübeln, ob doch die Todesstrafe die gerechte Bestrafung dafür wäre. Ich bin erschüttert und wütend zu gleich. Mein Beileid den Hinterbliebenen.
— Roland Basler (@rolandbasler) July 29, 2019
Der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl, der zu den «Wackelkandidaten» der Partei gezählt wird, distanzierte sich via Twitter «vehement» von der Todesstrafe. Ständeratskandidatin Maya Bally äusserte immerhin Verständnis dafür, «wenn bei ganz schlimmen Verbrechen kurzfristig ganz temporär solche Gefühle aufkommen können».
Die BDP Aargau betonte in einer Mitteilung, ihr Präsident habe in keinem Tweet explizit die Einführung der Todesstrafe ins Strafrecht gefordert. Roland Basler selbst sagte der «Aargauer Zeitung», die Todesstrafe passe «nicht in ein zivilisiertes Land und zu unserem Rechtssystem». Er habe auf Twitter «ein sehr persönliches Urteil» über die Tat in Frankfurt ausgedrückt.
Der Shitstorm zur Todesstrafe dürfte bald abflauen. Länger beschäftigen könnte die BDP eine andere Problematik: Der Genfer Rechtspopulist Eric Stauffer will sich der Partei anschliessen. Langeweile ist das letzte Wort, das man mit ihm verbindet. Er ist vielmehr einer der buntesten Vögel der Schweizer Politik. Bekannt machte ihn seine Hetze gegen französische Grenzgänger.
Stauffer war schon Mitglied mehrerer Parteien. 2005 gründete er mit dem Mouvement citoyens genevois (MCG) eine eigene rechtspopulistische Partei, mit der er sich 2016 mit Getöse überwarf. Im Kantonsparlament sorgte er für Skandale, etwa als er ein Wasserglas gegen einen FDP-Politiker warf. 2015 erhielt er eine «goldene Genferei» für sein «Lebenswerk».
Letztes Jahr zog Eric Stauffer ins Wallis, wo er sich der CVP als Kandidat für den Nationalrat andienen wollte. Die Partei sagte dankend ab. Nun ist Stauffer wieder in Genf. Er hat mit einem Mitstreiter eine Liste für die Nationalratswahlen gebildet und diese mit der Genfer BDP verbunden. In der «Tribune de Genève» sagte Stauffer, er sei Mitglied der BDP Schweiz.
Diese reagierte prompt und präzisierte in einer Mitteilung, Eric Stauffer habe ein Beitrittsgesuch eingereicht. Die Geschäftsleitung werde darüber beraten, doch «nach heutigem Wissensstand betreffend der politischen Positionierung von Eric Stauffer erscheint eine Aufnahme und damit eine entsprechende Kandidatur für die BDP sehr fraglich».
Der rabiate Polemiker gegen Grenzgänger passt tatsächlich kaum in eine Partei, die sich mit zunehmendem Erfolg als «progressive bürgerliche Alternative» positioniert, wie Martin Landolt vor vier Jahren im Interview mit watson angekündigt hatte. Dazu gehört etwa, dass die BDP als einzige Partei neben der GLP das Rahmenabkommen mit der EU vorbehaltlos befürwortet.
Die Genfer BDP allerdings scheint gewillt, die Allianz mit dem Enfant terrible einzugehen, wie Kantonalpräsident Thierry Vidonne in der «Tribune de Genève» erklärte. Viel zu verlieren hat sie nicht: Ihr bisheriger Wähleranteil bewegt sich im Promillebereich. «Wir haben lange gezögert, uns aber gesagt: Wenn das für uns politischen Suizid bedeutet, werden wir nicht sehr tief fallen.»
Zumindest in Sachen Galgenhumor passen die Genfer perfekt zur nationalen Partei. Diese hat mit einem vermeintlichen Zugpferd in der Westschweiz schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. 2015 trat die bekannte Kinderschützerin Christine Bussat, Gründerin der Organisation «Marche Blanche», für die Waadtländer BDP als Nationalratskandidatin an.
Bussat hatte zwei erfolgreiche Volksinitiativen (Unverjährbarkeit von pornographischen Straftaten an Kindern und Berufsverbot für Pädophile) gestemmt. Mit ihr erhoffte sich die BDP den Durchbruch in der Romandie. Am Ende entpuppte sich ihre Kandidatur als Missverständnis auf beiden Seiten. Trotz Listenverbindung mit CVP, GLP und EVP scheiterte Bussat klar.
Kurz darauf verliess sie die BDP im Streit um die Durchsetzungsinitiative – die sie befürwortete – und trat in die SVP ein. Mit Eric Stauffer droht ein ähnliches Szenario. Er machte in der «Tribune de Genève» keinen Hehl daraus, dass er die BDP nur als Vehikel sieht zur «Rückeroberung» seiner alten Partei, des MCG. Er wolle einen «Elektroschock» erzeugen und das MCG «wiederbeleben».
Das Sommertheater könnte sich bis in den Herbst hinein ziehen. Vielleicht betrachten Landolt und Co. die Schlagzeilen um Todesstrafe und Rechtspopulismus ja nach dem Motto «Egal ob positiv oder negativ – Hauptsache man spricht über uns». Nur langweilig ist eben nicht zwangsläufig gut.