«Es ging ums Aussehen, nicht um Leistung»: Verteidiger von «Dr. Pump» fordert Freispruch
Ein als «Dr. Pump» bekannt gewordener Arzt stand am Donnerstag vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland. Während die Staatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe forderte, plädierte die Verteidigung für einen Freispruch.
Bekannt geworden war der 46-Jährige, weil er im Mai 2023 die Stelle als Solothurner Kantonsarzt hätte antreten sollen. Dazu kam es aber nie, weil er das laufende Verfahren im Bewerbungsprozess verschwiegen hatte.
Gemäss mehreren Medienberichten war der Arzt als «Dr. Pump» in der Bodybuilding-Szene bekannt. Er soll Medikamente verschrieben haben, die möglicherweise gegen das Antidopinggesetz verstiessen.
Staatsanwältin weist auf fehlende Distanz hin
Im Vordergrund beim Prozess am Donnerstag stand die Frage, ob der Arzt die Substanzen im Rahmen einer legalen, medizinischen Behandlung an seine Patienten abgegeben hatte oder als Dopingmittel. Zweiteres wäre gemäss Sportförderungsgesetz verboten.
Der Arzt habe sich mehr als Coach seiner Athleten denn als ihr Arzt verstanden, sagte die Staatsanwältin. Das hätten die Befragungen der Patienten im Verlauf des Verfahrens und die verschiedenen Patientendossiers mit entsprechenden Einträgen zum Trainingsalltag gezeigt.
Als Bodybuilder mit eigener Anabolika-Vergangenheit habe ihm die Distanz für einen kritischen Blick auf seine Patienten gefehlt, so die Staatsanwältin weiter. Der Angeklagte habe sich in einem Zielkonflikt zwischen seiner Funktion als Coach und Arzt befunden. «Er hatte nie den Willen, seine Athleten nicht mit leistungssteigernden Mitteln zu versorgen. Das war ein Bestandteil seines Coachings. Deshalb gingen viele zu ihm.»
Manchmal sei nicht einmal ein Gespräch nötig gewesen für ein Rezept. «Er machte die Beratungen nicht aus altruistischen Gründen. Es ging ihm um seinen Erfolg als Coach.»
Verteidigert fordert Freispruch
Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. Über einen allfälligen Entzug der Berufsausübungsbewilligung solle die Berner Gesundheitsdirektion entscheiden.
Der Verteidiger des Angeklagten forderte hingegen einen Freispruch. In der Bodybuilding-Szene sei der Konsum von Substanzen weit verbreitet, der Bezug im Internet sehr einfach. Anwender würden ihr Verhalten kaum als Suchtverhalten einstufen, der Konsum aber sei in der Gesellschaft stark stigmatisiert.
«Betroffene sind für medizinisches Fachpersonal nur schwer erreichbar.» Dieses sei zudem oft überfordert. Anwender würden deshalb eher Szenegurus glauben als Ärzten.
Sein Mandant hingegen befasse sich schon lange intensiv mit Bodybuilding und allem, was dazugehöre. «Er verfolgte einen ganzheitlichen Ansatz.» Sein Ziel sei gewesen, die gesundheitlichen Folgen des in der Szene weit verbreiteten Substanzmissbrauchs zu mindern.
Angeklagter: Es ging ums Aussehen, nicht um Leistung
Bei ihm habe es ein konkretes Behandlungskonzept mit Beratung und Plänen gegeben. «Er war kein Dopingmittel-Dealer, wie er hier dargestellt wird.»
«In der Fitnessszene geht es um Freizeit, um Aussehen, um persönliches Wohlbefinden», sagte der Angeklagte. Die Verwendung von Testosteron und anderen Substanzen sei in der Szene ein Problem. «Es gibt viele Faktoren, die dazu führen, dass eine Person zu Testosteron greift.»
Seine Strategie sei es gewesen, solche Leute abzuholen, «bevor sie irgendwo landen, im totalen Nirwana.» Es habe keine Beratungsangebote gegeben. «Es war besser, die Leute kamen zu mir und der Konsum war kontrolliert.»
Diese Leute hätten sich die Substanzen sonst andernorts besorgt. Er habe Schadensminderung betrieben. Er sei weder von finanziellen Interessen noch von krimineller Energie getrieben gewesen. Nichts zu tun und seinen Patienten nicht zu helfen, sei keine Option gewesen.
Es sei um das Aussehen gegangen, nicht um Leistungssteigerung. Er habe seinen Patienten die Substanzen nicht zu Dopingzwecken verschrieben.
Eigenen Anabolika-Umgang als problematisch bezeichnet
Die Anklage wirft dem 46-Jährigen vor, zwischen 2017 und 2020 an 12 Männer bewusst und ohne therapeutischen Zweck verbotene Mittel wie Anabolika, andere anabol wirkende sowie sonstige Substanzen verschrieben zu haben. Sie legt dem Mann mindestens 82 Fälle zur Last, in denen er verbotene Substanzen verschrieben haben soll. Bei einer Hausdurchsuchung 2021 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft zahlreiche Arzneimittel, Utensilien und Dokumente.
Der Angeklagte war Trainer in einem Fitnesscenter. Gegenwärtig betreut er keine Personen mehr aus dem Kraftsport. «Ich habe damit aufgehört nach der ganzen Story», sagte der Angeschuldigte vor Gericht. Er arbeitet als Facharzt in einem Departement des Bundes.
Der 46-Jährige trainiert selber regelmässig und bezeichnete dies als wichtigen Bestandteil seines Lebens. Er befinde sich aktuell in einer Testosteron-Ersatztherapie. Seinen früheren Umgang mit Anabolika bezeichnete er als problematisch.
Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Urteilsverkündung ist auf den 19. August angesetzt. (sda)