Schweiz
Bern

Berner Polizei deckt grossen Fall von Menschenhandel auf

146 Opfer: Berner Polizei deckt grossen Fall von Menschenhandel auf – das wissen wir

19.05.2025, 11:2319.05.2025, 14:02
Mehr «Schweiz»

Was ist passiert?

Die Berner Kantonspolizei hat einen grossen und komplexen Fall von Menschenhandel mit 146 Opfern aufgedeckt. Der Fall soll demnächst zur Anklage kommen. Politik und Justiz nutzten am Montag die Gelegenheit, Forderungen für eine griffigere gesetzliche Grundlage und Lockerungen im Datenaustausch aufzustellen.

Menschenhandel
Im Kanton Bern sorgt ein Menschenhandel-Fall für Aufsehen.Bild: Shutterstock

Welche Details sind bekannt?

Wie die Behörden am Montag erklärten, wird gegen fünf Personen ermittelt. Die Vorwürfe sind schwer: Ihnen wird vorgeworfen, chinesische Frauen in die Schweiz gelockt zu haben, um sie für Sexarbeit auszubeuten.

Die Frauen wurden in Privatwohnungen untergebracht, die sie kaum je verlassen haben. Ihr Entgelt mussten sie zur Hälfte an die mutmasslichen Täter abgeben. Mit dem ihnen verbleibenden Geld mussten sie Schulden bei den mutmasslichen Tätern abtragen und für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Die Verhandlung über die Dienstleistungen der Frauen führten die Angeschuldigten.

Warum wird der Fall zum Politikum?

Beim Informieren zum Fall sprachen die Behörden diverse Probleme an. Immer wieder würden Ermittlerinnen und Ermittler in solch komplexen Fällen an Grenzen stossen, vor allem an solche struktureller Art, betonte der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) vor den Medien. Er sprach insbesondere den strengen Datenschutz an. Oft sei der Datenaustausch mit ausländischen Behörden einfacher als über die Kantonsgrenze hinweg, kritisierte Müller.

Regierungsrat Philippe Mueller, Sicherheitsdirektor, spricht zu den Medien ueber eine Polizeikontrolle des Jahres 2021, bei der ein sich wehrender Mann zu Boden gefuehrt worden war, am Donnerstag, 23. ...
Der bernische Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP).Bild: keystone

«Wir legen uns selbst Steine in den Weg», führte Müller aus und forderte eine grundlegende Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es brauche mehr als Betroffenheit und Empörung, um gegen Menschenhandel vorzugehen. Es brauche eine intensive Polizeiarbeit mit den nötigen Mitteln.

Ohne Unterstützung durch die Politik könne die Polizei ihre Aufgabe nicht machen, doppelte Christian Brenzikofer, Kommandant der Berner Kantonspolizei nach. Der nun aufgedeckte Fall zeige eindrücklich die Dimensionen eines komplexen, mehrjährigen Ermittlungsverfahrens im In- und Ausland auf.

Warum werden solche Fälle nicht schneller aufgedeckt?

Es sei eine grosse Herausforderung, Menschenhandel überhaupt erst zu erkennen, berichtete Reto Waldmeier, Chef Spezialfahndung 4 der Berner Kantonspolizei. Viele Oper trügen keine physischen Spuren oder würden von sich aus an die Polizei gelangen.

Letzteres habe verschiedene Gründe. So hätten die Opfer oftmals im Ausland eine noch schlimmere Behandlung erlebt als in der Schweiz oder sie verlören mit einer Anzeige ihre einzige Einnahmequelle, mit der sie ihre Familie in der Heimat unterstützen könnten. Auch fürchteten viele Repressalien durch ihre Drangsalierer.

Weil sich die Opfer oft nicht meldeten, seien behördliche Kontrollen umso wichtiger, um Menschenhandel auf die Spur zu kommen, sagte Schultz.

Die Generalstaatsanwältin wünschte sich jedoch auch eine griffigere Umschreibung des Tatbestandes des Menschenhandels im Strafgesetzbuch. Der bestehende Artikel lasse viel Raum zur Auslegung, was erheblichen Aufwand verursache.

Oft werde daher auf andere Tatbestände ausgewichen wie etwa jener der Förderung der Prostitution oder Wucher. Hier seien die Strafen allerdings weniger hart als beim Tatbestand des Menschenhandels. Auf Bundesebene sind aktuell mehrere Vorstösse in diese Richtung hängig.

Gibt es vergleichbare Fälle in der Schweiz?

Fälle von Menschenhandel sind hierzulande per se nicht neu. Seit 2008 kam es im Kanton Bern zu insgesamt 41 Verurteilungen wegen Menschenhandels, wie Generalstaatsanwältin Annatina Schultz ausführte. Mehrheitlich betrafen die Fälle sexuelle Ausbeutung, aber auch Ausbeutung von Arbeitskräften in anderen Branchen wie etwa der Landwirtschaft, auf dem Bau oder im Haushalt.

Der von der Berner Kantonspolizei aufgedeckte Menschenhandelsfall dürfte aber zu den grösseren im Land gehören. Konkretere Angaben zur Tat will die Justiz nach Anklageerhebung bekannt geben. Wann dies geschieht, ist derzeit noch offen.

(dab/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
John Henry Eden
19.05.2025 15:14registriert Januar 2014
Bei einer Verurteilung die Täter bitte an China ausliefern. Die haben sicher ein passendes Programm zur, sagen wir mal Resozialisierung dieser Männer.
321
Melden
Zum Kommentar
avatar
Amarillo
19.05.2025 15:22registriert Mai 2020
Vielleicht müsste man auch bei Ländern mit Personenfreizügigkeit genauer hinschauen, was für Arbeitsverträge und mit wem da vorliegen. Oder kommen alle im Kofferraum über die Grenze? Bei den Frauen aus China wären die offiziellen Wege noch komplizierter. Wie kommen sie über die Grenze, wo wohnen sie, wer vermietet usw.? Mal ist es Prostitution, mal sind es Nagelstudios - letztlich scheint man aber Null Kontrolle zu haben.
202
Melden
Zum Kommentar
avatar
Paedu87
19.05.2025 14:28registriert Juni 2017
Ich weiss nicht, ob der Artikel nicht gut geschrieben oder die Bedürfnisse nicht klar ausgedrückt wurden, aber mir sind die Aussagen hier zu wage.

Was genau muss beim Datenschutz angepasst werden? Welche Änderungen wünscht man sich im Bereich der rechtlichen Anpassung zur Definition von Menschenhandel?

Sobald das klar ist, können wir eine Diskussion halten, ob es uns das Wert ist oder nicht. Grundsätzlich sollte man solche Vergehen aber sicher möglichst einfach und schnell aufdecken können.
215
Melden
Zum Kommentar
15
    Deutsche Grenzkontrollen «nur noch einige Wochen» stemmbar

    Knapp zwei Wochen nach der Einführung der verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen gibt es Diskussionen über die Belastung der Polizeikräfte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte am Montag vor einer personellen Überlastung und forderte eine klare zeitliche Begrenzung. «Die intensiven Kontrollen kann die Polizei nur noch einige Wochen aufrechterhalten», sagte GDP-Chef Andreas Rosskopf den Funke-Zeitungen.

    Zur Story