Schweiz
Bern

Bundeshaus: Visuelle Weltreise an der Fassade – doch ein Land fehlt

Visuelle Weltreise an der Fassade des Bundeshauses – doch ein Land fehlt

Die Lichtshow an der Fassade des Bundeshauses führt auf eine Reise rund um den Globus und wird zum Politikum. Die visuelle Weltreise besucht internationale Wahrzeichen und macht halt an den verschiedensten Orten – auf eine Destination mussten die Organisatoren allerdings verzichten.
24.10.2025, 12:4024.10.2025, 12:40
Vera Leuenberger / ch media

Von Bern zum Eiffelturm nach Paris, weiter zu den Pyramiden von Gizeh, dann zum Taj Mahal in Indien: In 30 Minuten führt die Lichtshow Rendez-vous Bundesplatz um die Welt und projiziert bekannte Wahrzeichen auf die Fassade des Bundeshauses.

Die Lichtershow auf dem Bundesplatz führt mit dem Heissluftballon um die Welt. Welche Destinationen angeflogen werden dürfen, entscheiden die Parlamentsdienste.
Die Lichtershow auf dem Bundesplatz führt mit dem Heissluftballon um die Welt. Welche Destinationen angeflogen werden dürfen, entscheiden die Parlamentsdienste. bild: keystone

Was die Besuchenden nicht wissen: Auf eine Destination mussten die Organisatoren verzichten. «Es hiess, Tibet sei zu politisch, bereist doch ein anderes Land», sagt Brigitte Roux, die Organisatorin der Lichtershow Rendez-vous Bundesplatz. «Und dann ging die Reise halt nach Thailand», so Roux weiter. Das sei früh genug im Herstellungsprozess gewesen, der Tausch des Reiseziels war kein Problem. «Wie bei den anderen Motiven auch, wollten wir eigentlich Monumente und Wahrzeichen Tibets zeigen», erklärt Roux.

In der Show erscheint jetzt ein thailändischer Buddha - die Besucherinnen und Besucher landen in Thailand statt in Tibet. Noch bis zum 22. November wird die Lichtshow täglich aufgeführt. Immer um 19, 20 und 21 Uhr. Die Aufführungen dauern jeweils eine halbe Stunde.

Thailand statt Tibet: An dieser Stelle der Lichtshow wollten die Organisatoren ursprünglich die Destination Tibet zeigen.
Thailand statt Tibet: An dieser Stelle der Lichtshow wollten die Organisatoren ursprünglich die Destination Tibet zeigen. bild: keystone

Gegen eine Reise nach Tibet

Interveniert hat die Verwaltungsdelegation der Parlamentsdienste. Sie untersagte den Halt in Tibet und bewilligte darum die erste Version des Storyboards nicht. Erlaubt seien nur Projektionen «ohne politische Absichten», heisst es seitens der Parlamentsdienste.

«Mit Tibet werden politische Fragen assoziiert, insbesondere da es sich um eine Projektion an die symbolträchtige Fassade des Parlamentsgebäudes handelt», schreiben die Parlamentsdienste auf Anfrage weiter.

«Das ist ein Einknicken des Parlaments»

Der Entscheid sorgt für Kopfschütteln: «Es ist ein Einknicken des Parlaments gegenüber dem Begehren Chinas», sagt Fabian Molina, Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe Tibet. «Zudem ist es eine Beschneidung der Kunstfreiheit, wenn tibetische Landschaft und Kultur in der Bundesstadt nicht gezeigt werden dürfen», so Molina weiter. Er kann nicht verstehen, was problematisch daran ist, wenn Besucherinnen und Besucher visuell in die tibetische Kultur eintauchen.

«Tibet aus chinesischer Perspektive ist immer eine politische Angelegenheit», sagt Ralph Weber, der Professor für European Global Studies an der Universität Basel. Der Bund wisse, dass man sich bei Angelegenheiten in Bezug auf Tibet die Finger verbrennen könne, so Weber. China versuche das Narrativ über Tibet zu kontrollieren und reagiere auf allerlei, was der Linie der Kommunistischen Partei nicht entspricht, führt der China-Experte aus.

«Die Sache ist bemerkenswert ironisch», meint Weber. «Vermutlich hätte man mit den Projektionen die landschaftliche Schönheit Tibets gezeigt – Bilder, die China so wohl auch zeigen würde und eigentlich den Propagandabemühungen entsprechen.»

Es stelle sich die grundlegende Frage, inwiefern das Parlament dadurch den Willen anderer Länder nicht nur akzeptiert, sondern auch Folge leiste, sagt Weber.

Zusammenfassend sagt der Wissenschaftler: «Wenn die offizielle Schweiz diesem sensiblen Thema so begegnet, dass man es für «zu politisch» deklariert, dann heisst das übersetzt, dass man sich dafür entschieden hat, den Interessen der Volksrepublik im vorauseilenden Gehorsam Priorität einzuräumen.»

Interessen Chinas beeinflussen die Unterstützung Tibets

1950 setzte China der Autonomie Tibets ein Ende und unterwarf die gesamte Region seiner Kontrolle. Die wachsende Unzufriedenheit der Tibeterinnen und Tibeter über die zunehmende Unterdrückung endete 1959 schlussendlich in einer Revolte. Der Dalai Lama, das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, flüchtete ins Exil nach Indien, gefolgt von zahlreichen Anhängerinnen und Anhängern. Im September 1965 gründete China die autonome Region Tibet. Eine autonome Verwaltung der ethnischen Minderheit existiert in der Praxis nicht. Die chinesische Zentralregierung herrscht über das Gebiet.

Die Beziehung zu Tibet stand zunächst im Zeichen von humanitärer Hilfe, als die Schweiz in den Sechzigerjahren tausende Geflüchtete aufnahm. Es folgte prompt die Reaktion des chinesischen Botschafters. Er beschwerte sich beim Aussendepartement, dies sei eine politische Aktion gegen China. Seither ist die Beziehung mit Tibet belastet, immer wieder musste sich der Bundesrat rechtfertigen, er verwies jeweils auf die humanitäre Tradition der Schweiz.

Auch wenn die Schweiz die tibetische Gemeinschaft kulturell und humanitär unterstützt, erkennt sie Tibet offiziell als Teil Chinas an. «Je bedeutender die Wirtschaftsbeziehungen zu China werden, desto weniger wird die Unterstützung der tibetischen Sache und der damit verbundenen Werte», beobachtet Ralph Weber.

Immerhin: Beim Lichtspektakel auf dem Bundesplatz in Bern kommt nicht nur Tibet nicht vor, auch China wird nicht gezeigt.

Was dich auch noch interessieren könnte:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Reiseverhalten Schweizer:innen
1 / 4
Reiseverhalten Schweizer:innen

Die Schweizerinnen und Schweizer reisen pro Jahr rund dreimal in die Ferien.

Auf Facebook teilenAuf X teilen
Der übelste Horrorfilm des Jahres
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
40 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Garp
24.10.2025 13:01registriert August 2018
Ok, man unterwirft sich China. Das ist alles andere als neutral.
669
Melden
Zum Kommentar
avatar
Granola_Agricola
24.10.2025 13:05registriert Februar 2022
Die Schweiz macht wieder mal im Voraus den Bückling und möchte auf keinen Fall China verärgern? Nichts Neues im Westen (Bern).
357
Melden
Zum Kommentar
avatar
ABWESEND
24.10.2025 13:51registriert September 2024
wollte man nun die Wahrzeichen in Tibet zeigen oder die Wahrzeichen in Tibet und Tibet als eigenständiges Land zeigen?

warum gleich so politisch den Bückling machen? die Wahrzeichen sind ja nun einmal in Tibet, da kann ja Tibet nichts dafür.
274
Melden
Zum Kommentar
40
Werbung «irreführend»: Beschwerde gegen Plenty-Haushaltspapier gutgeheissen
Die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) hat eine Beschwerde gegen das Haushaltspapier Plenty gutgeheissen. Dies berichtet das SRF.
Zur Story