Es müssen sich dramatische Szenen kurz nach zwei Uhr nachts am Montag an der Wengistrasse 40 abgespielt haben: Verzweifelte Menschen schreien an Fenstern um Hilfe, eingehüllt in dicken Rauch, der aus dem brennenden Erdgeschoss aufsteigt.
Gegenüber «Tele M1» wird ein Mann berichten, er sei aus dem Fenster gesprungen, ein anderer, der es von höher oben versucht hatte, sei dabei zu Tode gestürzt. Auch ein Baby sei in der Verzweiflung hinuntergeworfen worden, heisst es.
Daneben kämpfen die Rettungsdienste um das Leben von Evakuierten. In einigen Fällen vergeblich: Auf sechs Tote, darunter Kinder, wächst die traurige Bilanz. Zuletzt bestätigt die Kantonspolizei: Noch seien vier Personen mit schweren Verletzungen im Spital. Und eine Person wurde am Montagnachmittag vorläufig festgenommen.
Boris Anderegg, Kommandant der Stützpunktfeuerwehr Solothurn, schilderte seinen ersten Eindruck an der Brandstätte: «Überall war Rauch.» Um 2.10 Uhr sei man alarmiert worden, «ich habe dann das ganze Korps aufgeboten.»
Die 60 Feuerwehrleute hätten sich sofort auf die Rettung der Hausbewohner konzentriert, die aus den Fenstern in den Obergeschossen um Hilfe gerufen hätten. «Wir setzten auch den Atemschutzzug ein. Es kam zu sehr vielen Rettungen auch über Leitern.» Genau kann er die Zahl noch nicht nennen, «aber es waren wohl zwischen 10 und 20 Bergungen.»
Der Kommandant bestätigt, dass der Brandherd im Parterre gewesen sei. Vor Ort seien auch sehr viele Ambulanzen, sogar aus dem Nachbarkanton Bern aufgefahren, bestätigt Anderegg ebenfalls. Die Rettungskräfte versuchten die leider teilweise ergebnislosen Reanimationen von Opfern, die laut Augenzeugen offenbar bis zu einer halben Stunde gedauert hätten.
Die Feuerwehrleute waren in der Nacht mit sehr belastenden Szenen konfrontiert. «Ja es war einschneidend», muss auch der Kommandant einräumen. Die Solothurner Feuerwehr hatte zuletzt 2012 bei einem Wohnungsbrand in der Greibengasse ein Todesopfer bergen müssen. Bei einem ähnlichen Fall an der Hans-Huberstrasse mit einem toten Bewohner gab es gestandene Feuerwehrmänner, die in Tränen aufgelöst waren. «Unsere Leute wurden deshalb nach Ende des Einsatzes um 6 Uhr gleich vom Care Team des Kantons betreut», so Boris Anderegg.
Belastend war die Situation auch für die Rettungsdienste. Beat Walser, Betriebsleiter der Rettungsdienste Solothurner Spitäler, bestätigte gegenüber «Tele M1», dass insgesamt zehn Rettungswagen im Einsatz gestanden hätten, darunter die Hälfte eingetroffen aus Grenchen und der bernischen Nachbarschaft. «Insgesamt wurden elf Patienten aufgenommen.» Wobei eine Person das Spital noch gleichentags hatte verlassen können.
Morgens um 5 Uhr war Stadtpräsident Kurt Fluri von Feuerwehrkommandant Boris Anderegg über das tragische Drama an der Wengistrasse 40 informiert worden und an die Brandstätte geeilt.
«Das ist ein schwarzer Tag für Solothurn», hatte er vor Ort geäussert. Und später: «Das Feuer war ja nicht das Schlimmste, es war ja nur ein Zimmerbrand.» Fatal sei die enorme Rauchentwicklung gewesen. «Es ist unvorstellbar», so der Stadtpräsident, «meines Wissens hat es bei uns in der Region noch nie eine solche Brandkatastrophe gegeben.»
Als Fluri am Brandort eintraf, war die Lösch- und Rettungsaktion bereits beendet, die Leichname in einem Zelt auf dem City-Parkplatz aufgebahrt. In der Liegenschaft Nummer 40 habe der Kanton zwei Stockwerke für die Unterbringung von Asylsuchende angemietet, «einige Kinder gingen bei uns in den Kindergarten». Allerdings seien nur neun Personen an der Wengistrasse 40 angemeldet gewesen – tatsächlich hielten sich aber zur Brandzeit um die 20 Personen in den Wohnungen auf. «Die Evakuierten wurden vorläufig in der Zivilschutzanlage Schöngrün untergebracht», bestätigte Fluri weiter.
Claudia Hänzi, Chefin des kantonales Amtes für Soziale Sicherheit, wollte zum Status der Bewohnerschaft keine Angaben machen. Sie bestätigte lediglich: «Ja wir haben Wohnraum in der Liegenschaft angemietet.»
Ebenfalls schon Gedanken hat sich Kurt Fluri zu einer Gedenkfeier für die Verstorbenen gemacht. «Wir müssen jedoch zuerst wissen, ob und welchen Glaubensgemeinschaften die Opfer angehört haben.» Danach werde man sich mit einer ökumenischen Gedenkfeier im Detail befassen können.