Bundesrat greift durch: Primarschulen sollen zweite Landessprache unterrichten müssen
Der Bundesrat will den Unterricht in einer zweiten Landessprache an Primarschulen falls nötig mit einem Gesetzesartikel durchsetzen. Angesichts von Bestrebungen in einzelnen Kantonen, Frühfranzösisch aus dem Stundenplan zu streichen, hat er eine Vorlage dazu bestellt.
Am Freitag forderte der Bundesrat beim Departement des Innern vorsorglich eine Vernehmlassungsvorlage an. Er lässt zwei Varianten für eine Vorgabe an die Kantone ausarbeiten.
Zwei Varianten für Regelung
Die eine ist die Übernahme der geltenden Konkordatslösung der Kantone im Sprachengesetz. Im Konkordat steht, dass in den Primarschulen zwei Fremdsprachen unterrichtet werden, eine zweite Landessprache und Englisch.
Die zweite Variante ist eine Minimalvorgabe, die den für das Bildungswesen zuständigen Kantonen mehr Spielraum lässt. Demnach soll eine zweite Landessprache ab der Primarschule und bis zum Ende der Sekundarstufe I unterrichtet werden müssen, also bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit.
Der Bundesrat reagiert mit seinem Entscheid auf Bestrebungen in der Deutschschweiz, das Frühfranzösisch für Primarklassen abzuschaffen. Er will vorbereitet sein für den Fall, dass diese im Rahmen des Harmos-Konkordates beschlossene Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts scheitert.
«Wesensmerkmal der Schweiz»
«Bleiben die Kantone bei der 2004 vereinbarten Sprachenstrategie oder gelingt es ihnen, die Strategie anzupassen, ohne die Landessprachen zu schwächen, erübrigt sich eine Änderung des Sprachengesetzes», hält der Bundesrat denn auch fest. Die Mehrsprachigkeit sei ein Wesensmerkmal der Schweiz.
Entsprechend enthalte die Bundesverfassung einen umfassenden sprachpolitischen Auftrag an Bund und Kantone. Bund und Kantone müssten gemeinsam für die Erhaltung und Förderung der Landessprachen und die Stärkung der Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften eintreten. Werde die nationale Sprachenstrategie nicht oder nur teilweise umgesetzt oder werde der erreichte Stand der Harmonisierung rückgängig gemacht, gefährde das diese Verständigung.
Ausscherende Kantone
Aus staats- und auch bildungspolitischen Gründen seien harmonisierte Vorgaben für den Schulunterricht nötig. Die Landesregierung sieht den Bund auf Grund der Verfassung in der Pflicht, Vorgaben zu erlassen, sollten sich die Kantone nicht einig sein.
Zuletzt scherten die bevölkerungsreichen Kantonen Zürich und St. Gallen beim Frühfranzösisch aus. Ihre Parlamente fordern, das Frühfranzösisch aus den Stundenplänen der Primarschule zu streichen. In Zürich soll Französisch erst ab der Oberstufe und nicht wie heute bereits ab der fünften Klasse unterrichtet werden.
Das St. Galler Kantonsparlament hiess am Mittwoch eine Motion gut, die die Verschiebung von Frühfranzösisch in die Oberstufe verlangt. Für Primarschülerinnen und -schüler stelle die zweite Landessprache eine zusätzliche Belastung ohne langfristige Vorteile dar, hiess es im Vorstoss.
Im Harmos-Konkordat verankert
Die Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts verankerten die Kantone 2004 in der Sprachenstrategie, und diese wurde später ins Harmos-Konkordat aufgenommen. Für jene 15 Kantone, die Mitglied des Konkordats sind, sind die Vorgaben verbindlich. Zürich und St. Gallen sind beide Harmos-Mitglieder.
Die Debatte über Fremdsprachen an Primarschulen neu angestossen hat ein im Mai veröffentlichter Bericht der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) zu den erreichten Grundkompetenzen. In den Fremdsprachen Französisch und Deutsch hatten die Getesteten weniger Kompetenzen als in Englisch.
Die EDK nehme den Entscheid des Bundesrates zur Kenntnis, teilte sie auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Sie verwies auf laufende Diskussionen zum Unterricht in den Landessprachen und in Englisch. Ein Thema ist dabei die Überprüfung der Sprachenstrategie von 2004. (sda)