Es ist der fast verzweifelte Versuch, eine inhaltliche Debatte auszulösen: Innenminister Alain Berset (SP) gibt in seinem politischen Umfeld unüblich deutlich zu verstehen, dass er das Departement wechseln will. Er erhebt Anspruch auf das Finanzdepartement (EFD), das nach dem Abgang von Ueli Maurer frei wird. Berset wäre auch bereit, das Aussendepartement zu übernehmen.
Aber im Bundeshaus hat sich zuletzt die Überzeugung gefestigt, dass das Fell des Bären längst verteilt ist. Dass sich SVP und FDP mit ihrer Vierer-Mehrheit im siebenköpfigen Bundesrat längst auf die Departementszuteilung geeinigt haben.
Demnach wechselt Justiz- und Polizeiministerin Karin Keller-Sutter (FDP) ins Finanzdepartement (EFD), das nach dem Abgang von Ueli Maurer vakant wird. Sie meldete diesen Anspruch seit längerem dezidiert an. Die SVP erhält dafür mit Albert Rösti das gewichtige Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement (Uvek) von Simonetta Sommaruga (SP). Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) bleibt Aussenminister. Er sei sehr von seiner eigenen Leistung angetan und kündige den Durchbruch bei den EU-Verhandlungen an, rapportieren Parlamentarier. Der Vierte im Bunde, Guy Parmelin (SVP), bleibt Wirtschaftsminister.
Die neue SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider muss nach diesem Szenario ins EJPD, das Keller-Sutter verlässt, obwohl gerade grosse Migrationsherausforderungen anstehen.
Aber vor allem: Berset müsste per Mehrheitsbeschluss bleiben, wo er ist. Dabei steht ihm als amtsältestem Bundesrat gemäss Anciennitätsprinzip das Recht zu, als erster zu sagen, ob er eines der frei werdenden Departemente EFD oder Uvek übernehmen möchte.
Eine derartige Machtdemonstration des Vierer-Blocks wäre die zweite Desavouierung von Berset innert Tagen, nachdem er am Mittwoch mit einem beschämenden Resultat von nur 140 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Mehr als 100 Parlamentsmitglieder straften ihn demnach für irgendetwas ab.
Der Bundespräsident 2023, von seinen bürgerlichen Kolleginnen und Kollegen dazu verknurrt, im EDI zu bleiben? Kein guter Start für die Regierung in neuer Zusammensetzung. Und, was Kritiker nicht nur aus der SP stört: Es wird keine inhaltlich-politische Debatte darüber geführt, welches Regierungsmitglied in welchem Departement am meisten für das Land erreichen kann. Energie, EU, Migration: Es stehen grosse Herausforderungen an. «Jeder nimmt sich, was ihm passt, ohne ans Gesamtinteresse zu denken», sagt ein SP-Nationalrat.
Stattdessen müsste sich der Bundesrat die Frage stellen, ob die Schweizer Aussen- und EU-Politik weitere Jahre einen Aussenminister Cassis erträgt. Sie müsste sich fragen, ob Öl- und Auto-Mann Rösti der Richtige ist, um das Land in eine erneuerbare Energiezukunft zu führen. Und wäre an der Spitze von Bersets Gesundheitsdepartement mit den verknorzten Problemen nicht eine Blutauffrischung sinnvoll?
Diese Debatte, so lesen manche Bersets Anspruch aufs Finanzdepartement, wolle der SP-Mann führen. Bewegung in die Sache könnte noch Viola Amherd (Mitte) bringen, falls sie, was naheliegend wäre, doch noch Anspruch aufs Uvek erhebt. Dieser wäre von ihrer energiepolitischen Positionierung und auch der Anciennität her überzeugender als der von Rösti. Und: Sowohl Berset als auch Amherd zu übergehen, das könnte sich die Mehrheit im Bundesrat nicht leisten. Aber Amherd will sich anscheinend partout nicht aus dem Verteidigungsdepartement (VBS) wegbewegen.
Eine Alternativ-Aufstellung könnte etwa sein: Mediziner Cassis ins Gesundheitsdepartement, Berset ins Äussere, Amherd ins Uvek, Keller-Sutter in die Finanzen, der Gefreite Rösti ins VBS, Baume-Schneider ins EJPD. Parmelin bleibt im WBF.
Wie es wirklich kommt, zeigt sich vielleicht schon heute Donnerstag. Der aktuelle Bundespräsident Cassis will die Departementsverteilung im Eiltempo durchziehen, noch vor dem Wochenende. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen, aber es gab zuletzt keinerlei Hinweise darauf.
Der neue Bundespräsident Berset würde, wenn er erneut brüskiert wird, in den Augen vieler Beobachter per Ende 2023 als Bundesrat zurücktreten. (aargauerzeitung.ch)
Eine Machtdemonstration eines bürgerlichen Viererblockes hätte mit dem Kollegialitätsprinzip nichts zu tun und wäre ein Schritt weiter Richtung Regierungs- und Oppositionsparteien wie es die SVP anstrebt und in repräsentativen Demokratien üblich ist.
Einfach eine weitere Aushöhlung der Willensnation CH.