Es gab eine Zeit, da standen die Risiken der Pflanzenschutzmittel im Vordergrund. Das Parlament reagierte mit Verschärfungen. Doch inzwischen gewinnt die andere Seite Oberwasser. Das Pendel schwingt zurück.
Bauernverband und Hersteller kritisieren, dass immer weniger Mittel zugelassen seien und es für die Landwirte schwieriger werde, Pflanzen gegen Schädlinge und Pilzkrankheiten zu schützen. Auch der Bund hält im neuen Agrarbericht fest, der Schutz der Kulturen werde «mit dem Rückzug unterschiedlicher Wirkstoffe zu einer immer grösseren Herausforderung».
Was also tun? Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, nannte vor den Medien kürzlich verschiedene Ansätze: das Züchten robuster Sorten, eine gute landwirtschaftliche Praxis, natürliche Pflanzenschutzmittel als Alternativen – und neue Pestizide.
Gerade hier hapert es jedoch, wie Bauernverband und Industrie kritisieren. Ende 2023 waren beim Bund 661 Gesuche hängig – ein ziemlicher Stau. Nun will die Politik, dass sich die Schweiz bei der Zulassung stärker an die EU anlehnt. Es ist ein diffiziler Balanceakt zwischen dem Schutz von Rosenkohl und Raps auf der einen und dem Schutz der Umwelt auf der anderen Seite.
Der Bundesrat hat letztes Jahr einen Vorschlag vorgelegt, wie die Zulassung optimiert werden soll. Bürgerlichen Politikern sowie Wirtschaftsverbänden wie Scienceindustries und dem Bauernverband genügt das jedoch nicht. Es seien zahlreiche Ausnahmen vorgesehen, insbesondere im Umwelt- und Gewässerschutzbereich, was die Vorlage kompliziert und träge mache, schrieb etwa der Bauernverband. Die Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats arbeitete daraufhin einen eigenen Vorschlag aus.
Beide Vorschläge gehen in die gleiche Richtung: Pflanzenschutzmittel aus gewissen EU-Ländern sollen in einem vereinfachten Verfahren zugelassen werden, wenn die Hersteller ein Gesuch einreichen. Die WAK will das Ganze im Gesetz regeln statt in der Verordnung, sodass das Parlament darüber entscheiden kann. Zudem geht der Vorschlag der WAK in gewissen Punkten weiter und sieht weniger Einschränkungen vor.
Die Pläne stossen jedoch auf Widerstand – nicht nur bei Umweltverbänden. Der Fachverband für Wasser, Gas und Wärme (SVGW), dessen Mitglieder rund 80 Prozent der Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen, stellt sich gegen eine automatische Übernahme von Pflanzenschutzmitteln, wie sie die beiden Änderungen vorsehen. «Dadurch würden die Risiken für das Grundwasser erhöht», sagt SVGW-Sprecher Christos Bräunle.
Der Verband befürchtet, dass mehr Stoffe zugelassen würden, die sich später als bedenklich herausstellen könnten; so wie kürzlich beim Herbizid S-Metolachlor. Der Wirkstoff ist inzwischen verboten. Doch bis die Rückstände im Grundwasser verschwunden sind, dauert es Jahrzehnte. Das ist ein Problem für die Wasserversorger, da 80 Prozent des Trinkwassers in der Schweiz aus Grundwasser gewonnen wird.
Es sei schwierig, diese chemischen Verunreinigungen – anders als etwa bei Fäkalkeimen – aus dem Wasser zu entfernen, sagt Bräunle. Es brauche dazu mehrstufige Verfahren, die aufwendig und energieintensiv seien. «Für kleinere Versorger ist eine solche Aufbereitung viel zu teuer.» Und davon gibt es viele: Rund 2500 Wasserversorger gibt es in der Schweiz. Auch die anderen Optionen – eine belastete Trinkwasserfassung aufgeben oder mit unbelastetem Wasser mischen – seien gerade im Mittelland nur beschränkt möglich.
Deshalb sei die Vorsorge sehr wichtig, sagt Bräunle. «Das Gesetz ist klar: Die Gewässer dürfen nicht verunreinigt werden. Die Wasserversorger sind nicht dazu da, die Schäden zu reparieren.» Wenn man die Zulassung der Pflanzenschutzmittel lockern wolle, müsse zuerst der vorsorgliche Schutz gestärkt werden, fordert der SVGW. Konkret: Die Kantone müssten bei Grundwasserfassungen die sogenannten Zuströmbereiche bezeichnen, in denen Pflanzenschutzmittel nur beschränkt verwendet werden dürfen.
Auch das geht bisher nur schleppend voran. Eine gute Nachricht gibt es aber: Das Trinkwasser kann bedenkenlos konsumiert werden, wie Bräunle betont.
Bis zum 9. Dezember ist der Vorschlag der WAK noch in der Vernehmlassung. Danach wird sich entscheiden, wie es weitergeht – und in welche Richtung das Pendel ausschlägt.
Der Schutz unseres Trinkwassers hat in meinen Augen die höchste Priorität!
1. Sie selbst sind am stärksten diesem Gift ausgesetzt…
2. Es ist zuallererst ihre Lebensgrundlage, die sie zerstören…
3. Ihren Hof wollen sie an die Kinder weitergeben. Wozu, wenn sie nun alles vergiften?