«Gewählt ist mit 125 Stimmen: Frau Widmer-Schlumpf.» Auf der linken Ratsseite brach Jubel aus, als der damalige Nationalratspräsident André Bugnon am 12. Dezember 2007 das Resultat des zweiten Wahlgangs verlas. Justizminister Christoph Blocher war abgewählt – die Mehrheit der Stimmen holte stattdessen eine Bündner Regierungsrätin, die selbst nicht damit gerechnet hatte.
Kommt es nun, achtzehn Jahre später, erneut zu einer grossen Überraschung am Tag der Bundesratswahlen? Die Frage steht im Raum, nachdem manch ein Parlamentarier – sei es öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand – in den vergangenen Wochen seine Unzufriedenheit über die Kandidatenauswahl der Mitte zum Ausdruck gebracht hat.
Vergangenen Freitag hat die Partei offiziell Martin Pfister und Markus Ritter als Bundesratskandidaten nominiert. «Es befriedigt mich nicht», sagte der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch schon vorher im Interview mit CH Media zum Ticket.
Auch Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone übte Kritik. Die Bundesversammlung habe faktisch die Wahl zwischen einem FDP- und einem SVP-Vertreter, spöttelte sie. Und Christoph Blocher, selbst einst der Abgewählte, wirbelte mit der Aussage Staub auf, dass man sich nicht ans Mitte-Ticket halten müsse.
Könnte das einem Sprengkandidaten den Weg ebnen?
Der ehemalige SP-Nationalrat Andrea Hämmerle verfolgt den Bundesratswahlkampf mit Interesse. Der Bündner sass von 1991 bis 2011 im Nationalrat – und gilt als Drahtzieher des Coups, der SVP-Übervater Blocher den Sitz kostete. Er weiss, was es braucht, damit ein Geheimplan gelingen kann.
Wichtig werde nun sein, wie die Hearings verlaufen, sagt Hämmerle.
Dabei müsse man sich vor Augen führen, dass es die «Hinterbänkler» seien, die eine Wahl entscheiden. Die stille Mehrheit der Nationalräte und Ständerätinnen also, die nicht zu den Führungsfiguren der Parteien gehören und nicht öffentlich Position beziehen, welchem Kandidaten sie näherstehen. Und die je nachdem ihre Meinung auch kurzfristig ändern.
Nur wer gut vernetzt ist, kann hingegen einen Geheimplan schmieden. «Dafür braucht es eine sehr kleine Gruppe einflussreicher Parlamentarierinnen und Parlamentarier», sagt Hämmerle. Allein deshalb, weil der Geheimplan sonst nicht geheim bleiben wird. Sie müssten sich auf einen Sprengkandidaten einigen können – auf «jemanden, über den man bisher nicht gesprochen hat». Von der Forderung des ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann, Noch-Parteichef Gerhard Pfister zu wählen, hält Hämmerle daher nichts. Aufgebracht hatte Bodenmann diese kürzlich in der «Weltwoche».
Will man ernsthaft verhindern, dass Ritter oder Pfister gewählt werden, müsse das ausserdem sehr kurzfristig eingefädelt werden, sagt Hämmerle. Eveline Widmer-Schlumpf selbst war erst vier Tage vor ihrer Wahl ausführlich in den Plan eingeweiht worden – per Telefon.
Hämmerle, inzwischen 78-jährig, schrieb einen Bestseller über die Tage und Stunden vor und nach der historischen Bundesrats(ab)wahl. Als Vizefraktionschef hatte er die Aktion damals orchestriert.
Dass es am 12. März erneut eine Überraschung gibt, hält er für unwahrscheinlich. Aber er sagt auch:
Wie viele Bürgerinnen und Bürger wird Hämmerle die Wahl am Fernsehen mitverfolgen – und gespannt warten, welchen Namen Nationalratspräsidentin Maja Riniker verlesen wird. (aargauerzeitung.ch)