Es war Adolf Ogi, der 1988 den Startschuss zur legendären nationalen Energiesparkampagne «Bravo» gab. Der SVP-Bundesrat zeigte damals am Fernsehen auf, wie man energiesparend Eier kocht – und die Eier mit Restwärme garen lässt.
34 Jahre später will die SVP das Energiedepartement (Uvek) unbedingt wieder übernehmen. Seit 1995 ist es in den Händen von Mitte-Links. Ogi war von 1988 bis 1995 letzter Vertreter der SVP.
Die SVP ist deswegen im Gespräch mit ihren Bundesräten, wie Recherchen zeigen. Es gibt zwei Wege, wie die SVP an das Uvek kommt. Erstens: Guy Parmelin wechselt nochmals das Departement. Zweitens: Energiepolitiker Albert Rösti übernimmt, falls er gewählt wird.
Um die Neubesetzung reibungslos über die Bühne zu bringen, müssten die SVP-Bundesräte einen Deal abschliessen mit den FDP-Magistraten. Der ginge so: Die SVP überlässt Karin Keller-Sutter (FDP) das Finanzdepartement. Im Gegenzug schanzen die FDP-Bundesräte der SVP das Uvek zu.
Es gibt Gerüchte, dass hinter den Kulissen ein solcher Deal diskutiert wird. Die beiden Parteien haben eine 4:3-Mehrheit im Bundesrat. «Das Uvek muss zwingend in SVP-Hände», sagt SVP-Vizepräsident und Nationalrat Marcel Dettling. «Es muss etwas gehen, sei es bei der Energie, in der Raumplanung, im Verkehr und beim Wolf. Die Wölfe haben in diesem Jahr erstmals über 1000 Tiere gerissen – und nichts geschieht.»
Ähnlich äussert sich FDP-Präsident Thierry Burkart. «Die Stromversorgungssicherheit ist das Hauptthema der nächsten Jahre», sagt er. «Die grossen Versäumnisse der letzten Jahre müssen nun korrigiert werden.»
Was Burkart damit meint: Mit der Energiestrategie seien Fehlannahmen getroffen worden. Etwa jene, «dass wir nicht mehr Strom verbrauchen», sagt er. «Das ist aber völlig illusorisch angesichts des Bevölkerungswachstums und der massiven Elektrifizierung, um den Bedarf an fossilen Energien zu reduzieren.»
Die Fehlentscheide seien unter den Mitte- und SP-Bundesrätinnen Doris Leuthard und Simonetta Sommaruga getroffen worden. Burkart plädiert deshalb dafür, dass das Uvek in die Hände der SVP kommt: «Es wäre besser, wenn eine Person das Uvek übernähme, die unbelastet Korrekturen anbringen kann.»
Klar ist: Die FDP beansprucht das Uvek nicht selbst. Sie möchte dort einen SVP-Vorsteher installieren. Damit stellt sich die Frage: Welche Korrekturen würde dieser im Uvek vornehmen?
Die Antwort liegt auf der Hand. Vor allem die SVP, aber teilweise auch die FDP, will einen grundlegenden ideologischen Strategiewechsel. Der Bau neuer Atomkraftwerke soll wieder ein ernsthaftes Thema werden, nachdem sie mit der Energiestrategie 2050 verboten wurden.
«Es ist völlig klar, dass es nochmals eine Debatte geben muss über neue Atomkraftwerke», sagt SVP-Energiepolitiker Christian Imark. Er sitzt im Komitee der Initiative für neue Atomkraftwerke.
Mit den 200'000 Personen, die 2022 neu in die Schweiz zogen, brauche es 1.4 Terawattstunden mehr Strom, sagt Imark. 10 bis 15 Terawattstunden seien zusätzlich nötig, weil Öl und Gas ersetzt werden müssten. Und die Digitalisierung erfordere 20 Prozent mehr Strom. «All diese Herausforderungen könnten mit dem Bau neuer AKW gemeistert werden.»
FDP-Präsident Burkart spricht davon, dass der Schweiz bis 2050 etwa 40 bis 50 Terawattstunden Strom fehlen. «Gemäss Berechnungen der ETH benötigt die Schweiz 2050 rund 90 Terawattstunden Strom pro Jahr», sagt er. «Heute sind es rund 60.» Gegen 20 Terawattstunden würden wegfallen, wenn die aktuellen Kernkraftanlagen vom Netz müssten.
Für Burkart braucht es «eine massive Offensive» bei den erneuerbaren Technologien. Parallel dazu dürfe man nicht schon jetzt «eine Technologie aus ideologischen Gründen ausschliessen». Das sei «völlig verfehlt». Dabei denkt Burkart an Gas- und Wasserkraft, aber auch an Atomkraft.
SVP-Nationalrat Franz Grüter hat dazu eine überraschende Entdeckung gemacht auf der Reise, die er als Präsident mit der aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats nach Japan durchführte. «Elf Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima», sagt er, «diskutiert Japan den Bau neuer Kernkraftwerke der neuesten Generation.»
Um kurz- und mittelfristige Engpässe zu lösen, will FDP-Präsident Burkart die Laufzeit der bestehenden AKW verlängern. Die Unternehmen sollen für die nötigen Investitionen teilweise staatliche Finanzierungshilfe erhalten – etwa über den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds.
Für den FDP-Präsidenten hat die Schweiz grosses wirtschaftliches Potenzial, wenn sie jetzt vorwärtsmacht. «Viele Unternehmen überlegen sich, ihre Produktion aus China abzuziehen», sagt er. «Das bietet für die Schweiz eine grosse Chance zur Re-Industrialisierung.»
Was es dafür braucht: eine sichere Strom- und Energieversorgung.
Die Menschheit katapultiert sich frohen Mutes und mit strahlendem Gesicht ins Verderben...