Es war eine erfreuliche Nachricht: Die Schweizer Haushalte und Firmen senkten ihren Stromverbrauch im September markant im Vergleich zu den letzten sieben Jahren. Zahlreiche Medien haben diese Nachricht verbreitet, darunter auch CH Media. Schon im ersten Monat nach dem Start der Energiesparkampagne des Bundesrats schien klar: Die Botschaft ist in der Bevölkerung angekommen.
Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Der Spareffekt hat so nicht stattgefunden.
Die Aussagen basierten auf der Energieübersicht der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid, die monatlich aktualisiert wird. In der Publikation Mitte Oktober wurde für den September eine endverbrauchte Energie von 3710 Gigawattstunden ausgewiesen - 13 Prozent weniger als im September vor einem Jahr. Bei der nächsten Veröffentlichung am vergangenen Dienstag gab es dann aber eine Überraschung: Swissgrid bezifferte den September-Verbrauch plötzlich auf 4220 Gigawattstunden. Der Spareffekt schmolz von rund 13 auf 1.1 Prozent, was im Bereich üblicher Schwankungen liegt.
Swissgrid-Mediensprecherin Stephanie Bos erklärt die Differenz auf Nachfrage mit Nachmeldungen, die ungewöhnlich hoch ausfielen. Nachträgliche Korrekturen sind in der Energieübersicht nichts Ungewöhnliches. Swissgrid erhält die Daten von den rund 650 Stromversorgungsunternehmen in der Schweiz geliefert, stellt sie zusammen und veröffentlicht sie. Die Unternehmen können die Daten bis sechs Monate nach der erstmaligen Publikation anpassen. Erst dann sind sie wirklich belastbar. Darauf wies Swissgrid stets hin.
Allerdings liegen die Unterschiede üblicherweise im Promille-Bereich. Das hiess es bis vor kurzem ebenfalls auf der Swissgrid-Website. Nachmeldungen verändern die Werte demnach nur geringfügig. Mittlerweile wurde der Satz von der Website entfernt.
Welche Unternehmen für den September wie viel nachgemeldet haben, ist unklar. Swissgrid analysiert die Daten selber nicht. Da man den Verbrauch der Haushalte und der Schweizer Wirtschaft nicht überwache, verfolge man allfällige Differenzen nicht, sagt Bos.
Die Swissgrid-Daten sind insofern interessant, als sie zeitnah über den Stromverbrauch der Haushalte und der Wirtschaft Auskunft geben. Die definitive Strombilanz der Schweiz veröffentlicht das Bundesamt für Energie (BFE) erst einige Monate später. Um eine drohende Mangellage dennoch rechtzeitig antizipieren zu können, arbeitet der Bund an einem Monitoring zum Strom- und Gaskonsum. Teile davon sollen bald der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen: Das BFE wird voraussichtlich ab Dezember ein öffentlich zugängliches Dashboard mit Kennzahlen publizieren.
Es gibt allerdings Echtzeitdaten, aus denen man schon Anfang Oktober lesen konnte, dass die Schweiz kaum Strom sparte. Dabei handelt es sich um Werte, die vom Verband europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) tagesaktuell publiziert werden.
Pikant: Der Verband erhält die Daten von Swissgrid gemeldet. Die Aussagekraft ist aber offenbar beschränkt: Laut Bos handelt es sich um Prognosedaten, die nicht einer Messung entsprechen. Sie seien statistisch nicht belastbar.
Im Oktober lag der Endkundenverbrauch gemäss Energieübersicht 13 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten sieben Jahre. Swissgrid rechnet jedoch erneut mit Nachmeldungen in ähnlicher Grössenordnung wie im September. Die Entso-E-Zahlen zeigen hingegen einen Minderverbrauch von rund vier Prozent. Der vielerorts wärmste Oktober seit Beginn der Aufzeichnungen dürfte zum gesunkenen Verbrauch beigetragen haben.
Wie gut die Sparbemühungen in der Schweiz sind, lässt sich weiterhin nicht in harten Zahlen ausdrücken. (aargauerzeitung.ch)