Für Aufsehen sorgte ein kürzlich verfasster Linked-in-Beitrag des St.Galler Chefarztes Sandro Stöckli. «Wir mussten heute bereits wieder dringliche Krebsoperationen verschieben, weil die Intensivstationen von ungeimpften COVID-Patienten gefüllt sind», so Stöckli. «Das ganze Theater fängt wieder an und wird in den nächsten Wochen noch schlimmer.»
Die Situation sei total frustrierend und belastend, schrieb Stöckli und forderte: «Lasst euch impfen, sonst geht das ewig so weiter.»
«Es macht uns wütend und hilflos, dass wir nach fast zwei Jahren nicht weiter sind», sagte am Freitagabend Martin Balmer, Leiter Pflege der Intensivstation (IPS) des Kantonsspitals Aarau, in der Arena. Er schilderte die Lage wie folgt:
Arena-Moderator Sandro Brotz fragte bei Balmer nach: «Wie viel Zeit bis zur Triage bleibt noch?»
Balmer antwortete: «Keine.» Das Entscheiden über Leben und Tod habe bereits begonnen.
„Es macht uns wütend und hilflos, dass wir nach fast zwei Jahren nicht weiter sind.“ - #MartinBalmer @ksaarau in der #SRFArena über die Angst vor der Triage. Von den 20 #Covid-Patienten auf seiner Station ist kein einziger geimpft. ^red @srfnews pic.twitter.com/Fe5TY5Kdf3
— Sandro Brotz (@SandroBrotz) December 4, 2021
Stephan Jakob, Chefarzt bei der Insel Gruppe in Bern, berichtete am 30. November von Personalengpässen. «Von 38 Betten können wir 28 betreiben. Im kommenden Monat noch 26. Wir haben zu wenig Personal, viele haben gekündigt, viele sind krank, auch länger krank. Grund dafür sind die letzten 21 Monate mit Covid. Die können einfach nicht mehr», so Jakob gegenüber SRF.
«Die Triage wird sicher kommen. Wenn nochmals eine Welle kommt, werden wir die Situation haben, dass zehn Patienten auf zwei Betten kommen.» In der ersten Welle habe man eine Liste mit 1000 Personen gehabt, die freiwillig ausgeholfen hätten, so Jakob weiter. «Diese Liste ist auf null jetzt». Man könne die Kapazitäten nicht mehr hochfahren wie noch in der letzten Welle. «Es ist ein Albtraum.»
Laut Stephan Jakob von der Insel Gruppe in Bern können die Spitäler ihre Kapazitäten nicht wie in der letzten Welle hochfahren. Grund dafür sei fehlendes #Personal, sowie der Fakt, dass für #Covid-Patienten mehrere #Intensivpfleger aufgeboten werden müssen. pic.twitter.com/oZvh5l8kTh
— SRF News (@srfnews) November 30, 2021
Die Situation am Lausanner Universitätsspital (CHUV) ist mittlerweile «besorgniserregend», wie Direktor Philippe Eckert am Wochenende sagte. Das Spital will kommende Woche zusätzliche Intensivpflegeplätze in Betrieb nehmen.
«Das Spital ist voll», sagte Eckert im am Samstag veröffentlichten Interview mit der Westschweizer Zeitung «24 Heures». Hinzu komme, dass gewisse Pflegende wegen Erschöpfung nicht zur Arbeit kommen könnten. Einige seien auch selbst an Covid-19 erkrankt.
Seit mehreren Tagen würden Patienten in andere Westschweizer Spitäler und Kliniken verlegt, sagte Eckert. Nicht möglich seien Verlegungen in Spitäler ennet der Saane. Die Deutschschweiz sei völlig «überschwemmt», so der CHUV-Direktor.
Am CHUV werden seit der laufenden Woche chirurgische Eingriffe verschoben, wie Eckert berichtete. Es gehe um Verschiebungen, die das Leben oder die Lebensqualität der Patienten nicht gefährdeten. Alle dringenden Operationen würden durchgeführt.
Interview de Philippe Eckert sur la 5e #vague: «La situation au @CHUVLausanne est préoccupante»#Vaud #Covid@MarieNicollierhttps://t.co/Ssammcc4X1
— 24heures Santé (@24heures_sante) December 3, 2021
Am 3. Dezember veröffentlichte das Spital Grabs eine kurze Dokumentation zur Situation auf der Intensivstation. Du kannst sie hier anschauen:
Darin kommt Dr. med. Christian Bürkle, ärztlicher Leiter der Intensivstation, zu Wort. Er berichtet davon, dass er und seine Familie angefeindet würden, was nicht einfach zu verarbeiten sei. Er ruft die Leute auf, sich seriös zu informieren.
Im rund zehnminütigen Video spricht auch Intensivpflegerin Flavia Giernoth über die aktuelle Lage. Sie würde die Leute am liebsten einen Tag auf die Intensivstation mitnehmen, damit diese sehen könnten, was dort gerade passiert.
Ernst ist die Lage auch im Stadtspital Zürich Triemli. Die Leiterin der Intensivstation, Patricia Fodor, sagte gegenüber watson vergangene Woche:
Die Intensivstation der Hirslanden Klinik Aarau musste vergangene Woche Triagen durchführen. Dies berichtete der «SonntagsBlick». Ein Krebspatient konnte demnach nicht auf die Intensivstation, da sie voll war.
«Die Hälfte unserer Intensivbetten ist mit Covid-Patienten belegt», sagte Christian Frey, stellvertretender Leiter der Intensivstation, gegenüber dem «SonntagsBlick». Sie seien alle ungeimpft, damit habe er Mühe. «Weil wir ihretwegen andere Patienten zurückstellen müssen.» Frey meinte: «Ohne Impfung geht es nicht.»
Im Kanton Zürich sind die Spitäler am Limit. Vergangenen Dienstag spielten sich dramatische Situationen ab. «Patienten, die auf die Intensivstation mussten, hatten kein Bett mehr zur Verfügung», sagte Peter Steiger, Intensivmediziner am Universitätsspital Zürich, gegenüber SRF. «Wir waren wie alle anderen Spitäler im Kanton Zürich voll belegt. Wir konnten die Patienten nicht auswärts verlegen. Es war wirklich schlimm.»
Die letzten Worte überlassen wir Frau Büchi:
Nachtdienst auf dem Notfall. Rundherum beim ganzen Gesundheitspersonal schlicht Resignation.
— Annina Büchi MD MSc (@AEBuechi) December 4, 2021
Ihr macht gerade das Gesundheitswesen auf Jahre hinaus kaputt. Danke für gar nichts.
Arbeit ist im Moment schwierig auszuhalten - einerseits z.B. Reanimation von Covidpatienten, und dann gleichzeitig Coronalügner behandeln. Ich mag nicht, was das ganze mit mir macht, und bin wütend, dass wir schwierige Entscheide treffen müssen, weil es die Regierung nicht tut.
— Annina Büchi MD MSc (@AEBuechi) December 6, 2021