Am Montagabend erstrahlten verschiedene Veranstaltungsorte der Schweiz in rotem Licht. Mit dieser Aktion wollten diverse Akteure der Eventbranche auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Sie befürchten, vom Bund im Stich gelassen zu werden. Drei verschiedene Branchenvertreter sagen, warum ihre Situation schwierig bleibt.
Seit Beginn des Lockdowns haben Bühnen- und Veranstaltungstechniker keine Arbeit mehr. Für sie gibt es keine Scheinwerfer zum Montieren, keine aufwendige Bühneninstallationen zum Aufbauen, keine Tontechnik-Anlage zum Steuern. Die meisten haben Kurzarbeit angemeldet, Selbstständige erhalten Erwerbsersatz. Einige haben sich temporär andere Arbeiten gesucht.
Seit Juni sind Veranstaltungen gemäss Bundesrat wieder erlaubt. Zuerst limitiert für maximal 300 Personen und einer Sperrstunde bis 24 Uhr, seit diesem Montag dürfen gar bis zu 1000 Personen an einem Event teilnehmen. Die Sperrstunde wurde aufgehoben. Doch für die Bühnen- und Veranstaltungstechniker bedeutet das kein Aufatmen. Im Gegenteil.
Denn die vermeintlich gute Nachricht kam zusammen mit einer schlechten: Im Juni wurde die Kurzarbeit für Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung gestrichen, zudem gab es Änderungen im Erwerbsersatz für Selbstständige. Weil die technische Bühnen- und Veranstaltungsbranche gerade zu einem grossen Teil aus kleinen und kleinsten inhabergeführten Unternehmen sowie aus Selbstständigerwerbenden besteht, stellt für sie diese Änderung ein grosses Problem dar.
Jörg Gantenbein, Präsident des Schweizer Verbands technischer Bühnen- und Veranstaltungsberufe, sagt: «Der Bundesrat irrt, wenn er denkt, dass wir wieder Arbeit hätten, jetzt da Veranstaltungen wieder erlaubt sind.» Alle würden sehr gerne wieder arbeiten, doch so einfach sei es eben nicht. «Die Entstehung eines Events braucht eine lange Vorlaufzeit. Man kann nicht von einem Tag auf den nächsten eine Veranstaltung aus dem Boden stampfen.» Darum sieht Gantenbein die Zukunft düster. Er geht davon aus, dass viele Technikerinnen und Techniker bis Ende Jahr keine Arbeit haben werden.
Es sei sehr schwierig, eine Prognose abzugeben. Gantenbein befürchtet, dass es auch im neuen Jahr schwierig bleiben wird. Bis es sich normalisiert habe, werde es noch eine Weile dauern. «Darum ist es jetzt wichtig, dass uns der Bund die Unterstützung sicherstellt. Ansonsten wird es zu Konkursen und Entlassungen kommen – wie es in gewissen Unternehmen bereits geschehen ist», so Gantenbein.
Alicia Keys, Die Toten Hosen, das Openair St. Gallen: Der Konzertsommer fiel dieses Jahr ins Wasser. Klar wurde dies bereits Mitte März, als der Bundesrat durchblicken liess, dass Grossveranstaltungen bis Ende August verboten sind. Für die Konzertveranstalter hiess das, dass sie sämtliche Sommer-Events absagen oder verschieben mussten.
Mit den neusten Lockerungs-Massnahmen sind Veranstaltungen von bis zu 1000 Personen zwar wieder erlaubt. Doch für die Branche ändert sich wenig. Derrick Thomson, Geschäftsführer beim Konzertveranstalter Mainland Music, sagt: «Veranstaltungen brauchen eine lange Vorlaufzeit, das kann nicht von einem Tag auf den anderen heraufgefahren werden.» Gerade die internationalen Konzerttourneen seien bereits abgesagt und auf kommendes Jahr verschoben worden. So kurzfristig neue Künstlerinnen und Künstler zu buchen, sei bis auf nationale Künstler sehr schwierig.
Ein weiteres Problem sei die Raumaufteilung. Denn bei der 1000er-Regelung gilt, dass die Konzertbesucher in 300er-Gruppen in abgetrennte Sektoren unterteilt werden müssen. Thomson: «Das ist nicht in jeder Lokalität möglich. Wir müssen also zuerst einmal schauen, wo Konzerte unter dieser Auflage überhaupt möglich sind und wo es wirtschaftlich Sinn macht.»
Für Konzertveranstalter wie Mainland Music stelle die Planung derzeit der grösste Knackpunkt dar. Thomson sagt: «Noch immer wissen wir nicht sicher, ob ab September wieder Grossveranstaltungen möglich sind. Wir können jetzt also keine Konzerte planen, diese bewerben, Vorauszahlungen tätigen und dann in zwei Monaten alles wieder absagen, falls sich die epidemiologische Lage verschlechtern sollte. Wir müssen weiter zuwarten.»
Wahrscheinlich sei, dass es ein paar kleinere Konzerte mit Schweizer Künstlerinnen und Künstlern geben werde. Doch solche Veranstaltungen würden nicht über das finanzielle Loch hinwegretten, das in den letzten und kommenden Monaten entsteht. «Wir hoffen auf die Ausfallentschädigung vom Bund, die wir beantragt haben. Noch ist unklar, wie viel wir bekommen und wann», so Thomson. Klar sei schon jetzt: Einen Teil des Verlusts müsse Mainland Music über die Eigenmittel auffangen. «Wir sind aber bei allen aktuellen Schwierigkeiten zuversichtlich, dass unser Publikum nächstes Jahr die Konzertdurststrecke nachholen will.»
Am Theater Basel werden auf der grossen Bühne normalerweise Opern- und Ballettproduktionen für rund 850 Zuschauer aufgeführt. Das Schauspielhaus fasst ein Publikum von ungefähr 450 Personen. Auf der kleinen Bühne, wo kleinere Produktionen aufgeführt werden, können etwa 300 zuschauen. Doch seit dem Lockdown blieben alle drei Spielstätten zu, die Scheinwerfer aus und die Bühnen leer.
Die Schauspielerinnen wurden in die Kurzarbeit geschickt, die Sänger absolvierten ihr Stimmtraining von zu Hause aus und die Balletttänzer folgten den Anweisungen ihrer Choreografen via Zoom auf dem Computer. Erst mit den Lockerungen der Massnahmen vom 27. Mai nahm das Theater Basel seinen Betrieb langsam wieder auf.
Susanne Benedek, designierte Kommunikationsleiterin beim Theater Basel, sagt: «Immerhin konnte unser scheidender Intendant Andreas Beck so am vergangenen Sonntag noch seinen Abschied feiern, wenn auch in einem sehr kleinen Rahmen.» 50 Personen waren zur Vorstellung zugelassen, in einem Raum, der Platz für das Neunfache bietet.
Man habe die Corona-Zeit genutzt, um die anstehenden Umbau- und Sanierungsmassnahmen des Stadttheaters vorzuziehen. Darum werde nun zuerst der Umbau beendet und dann mit dem regulären Saisonbetrieb im Herbst begonnen. «Ab dem 9. Oktober sind wieder Aufführungen geplant», sagt Benedek.
Doch auch für den Oktober bleibt vieles unklar. Benedek: «Hinter wie auch vor der Bühne gelten nach wie vor Sicherheitsmassnahmen. Derzeit werden verschiedene Szenarien durchdacht, die Künstlerinnen und Künstler müssen sich auf alle Eventualitäten vorbereiten.» Denn noch wisse man nicht, wie gross das Publikum sein wird, wie viele Leute gleichzeitig auf der Bühne stehen dürfen, ob ein Chor beisammenstehen darf und wie viele Personen das Technikteam umfassen kann.
«Die letzten drei Monate waren sehr arbeitsaufwendig und es sieht nicht danach aus, als ob es einfacher werden wird», sagt Benedek. So eine Situation habe es noch nie gegeben und alles müsse man sich zum ersten Mal überlegen. Der grösste Teil der Belegschaft sei in den letzten Monaten in Kurzarbeit gewesen. Die Einbussen bei den Einnahmen würden voraussichtlich bis zu vier Millionen Franken betragen.
Präzisierung: Veranstalter müssen sicherstellen, dass im Falle einer Infektion nicht mehr als 300 Leute kontaktiert werden müssen.
Das ist der Genickbruch für alle Messen, Konzerte und Kongresse mit mehr als 300 Leuten, die in Räumlichkeiten stattfinden, die nicht in Sektoren unterteilt werden können.