«Es ish Ziit, dass d'Jugend sech wehrt», schrieb Nicolas A. Rimoldi am 26. Februar 2021 in einen Telegram-Kanal und setzte damit den Startschuss der Gruppe «Mass-voll!». Mit Gleichgesinnten will er sich gegen die Massnahmen des Bundes zur Eindämmung der Corona-Pandemie wehren. Mit der «Jugendbewegung», wie er sie nennt, will er sich seine demokratischen und grundrechtbasierten Freiheiten zurückkämpfen.
So mauserte sich Rimoldi – mit seinen 26 Jahren nicht mehr ganz so jugendlich – innerhalb kürzester Zeit vom ehemaligen FDP-Lokalpolitiker und Auns-Vorstandsmitglied zum national bekannten Querschläger. Wo er auftritt, wird Staub aufgewirbelt. An Anti-Corona-Demos bringt er Pandemie-Verharmloserinnen zum Jubeln, in Fernseh-Talkshows Politiker und Wissenschaftlerinnen zum Verzweifeln. Und: Grosszügige Gönner bringt er dazu, fleissig Geld an die Vereinigung zu spenden.
So scheint es zumindest, wenn man sich die seit dieser Woche laufende Abstimmungskampagne der Bewegung ansieht. In der ganzen Schweiz hängen Plakate mit dem lilafarbenen Logo an Hausfassaden, Garagentoren oder in Schaufenstern. Laut Rimoldi sind es 1000 Stück, die für ein Nein zum Covid-19- und PMT-Gesetz werben. Auch auf 1000 Bildschirmen in Poststellen und Bussen springt einem das grosse «M» der Bewegung ins Auge. Am auffälligsten sind die Mega-Screens in den Bahnhofshallen von Zürich, Bern und Luzern.
Nach der Gründung vor etwas mehr als drei Monaten schaltet Mass-voll damit Werbung am Hauptbahnhof Zürich, einem der meist frequentierten Orte der Schweiz. Billig ist das nicht. Und so stellt sich unweigerlich die Frage: Wie kann sich eine so junge Vereinigung eine derartige Abstimmungskampagne leisten? Vor etwas mehr als drei Monaten gegründet und jetzt Werbung am meist frequentierte Ort der Schweiz.
Laut dem Politologen Mark Balsiger ist das ein beachtlicher Erfolg: «Die Bewegung wurde schnell bekannt und hat sich ein klares Profil geschaffen.» Den Telegram-Kanal haben inzwischen etwas mehr als 7000 Personen abonniert. Dem Mass-voll-Account auf Instragram folgen 5700 Personen. Aufgrund des Themas, das sie bewirtschaften, geht Balsiger davon aus, dass Mass-voll nicht nur ideel, sondern auch finanziell kräftig unterstützt werde.
Für die Jugend. Für die Zukunft. Für Menschenrechte. Gegen Willkür. NEIN zum #PMT, NEIN zum #Covid19-Gesetz! ✊🏻💜 pic.twitter.com/MBdMtXTNLP
— Nicolas A. Rimoldi 💜 (@narimoldi) May 31, 2021
Rimoldi gibt sich zugeknöpft. Eigentlich habe man schon lange die ganze Buchhaltung transparent machen wollen. «Doch wir sind einfach noch nicht dazu gekommen, bei dem was momentan alles läuft.» Das gesammelte Geld stamme vor allem von Kleinspendern. Es seien geschätzt mehrere hundert Personen, die einen finanziellen Beitrag geleistet hätten. Wie hoch die gesamten Einnahmen inzwischen sind, könne er gerade nicht sagen. Etwas konkreter wird Rimoldi bei den Ausgaben für die Abstimmungskampagne. «Alles in allem, inklusive der grossen Anzeigen an den Bahnhöfen haben wir einen mittleren 5-stelligen Betrag ausgegeben», sagt er.
Diese Aussage macht allerdings stutzig. Laut der Webseite der Werbefirma APG kostet eine 10-sekündige Werbung auf dem Rail eBoard in Zürich, Bern und Luzern 7500 Franken pro Tag. Rimoldi sagt, die Anzeige in Zürich sei für zehn Tage gebucht, in Bern und Luzern wisse er noch nicht, wie lange sie bleibe. Geht man davon aus, dass die Flächen in allen drei Städten für zehn Tage gebucht wurden, kommt man inklusiv einem Mengenrabatt auf 44'000 Franken – eine Summe im mittleren 5-stelligen Bereich also, allein für die Werbung auf den grossen Screens. Auf diese Unstimmigkeit angesprochen, windet sich Rimoldi weiter und sagt: «Gut, das ist der Listenpreis.»
Wie viel die Werbung der Mass-voll-Bewegung und ihren Anliegen nützen wird, zeigt sich am Abstimmungssonntag, dem 13. Juni. Sowohl beim Covid-19-Gesetz als auch beim Anti-Terror-Gesetz zeichnet sich ein dickes Ja ab, sagt Balsiger. Das werde die Ambitionen der Gruppierung dämpfen. Nicht nur seien die Niederlagen an der Urne ein Rückschlag, auch neige sich die Pandemie dem Ende zu. «Und damit verliert die Bewegung ihren Stachel.»
Anders sieht das Rimoldi. «Wir befürchten, dass es noch lange nicht vorbei ist. Die Massnahmen müssen sofort aufgehoben und nicht an die Bedingung eines Zertifikats geknüpft werden.» Die Jugendbewegung werde kämpfen, solange bis die Grundrechte wieder hergestellt seien. Gemunkelt wird, eine Parteigründung sei angedacht. Doch Rimoldi winkt ab. Diese Idee sei derzeit nicht auf dem Tisch. Vielmehr gehe es jetzt darum, nicht locker zu lassen.
Aber, wenn alle Parteien in diesem Land ihre Ausgaben nicht deklarieren müssen und auch nicht, wer ihnen wieviel Geld zukommen lässt, nun ja, dann gilt das eben auch für Gruppierungen ala Massvoll.
Zeit, dass man das endlich ändert!