«Blick»-Herausgeberin Ringier nahm vor einer Woche gegenüber dieser Zeitung nur allgemein Auskunft zu den Corona-Leaks: «Weder die Ringier AG, Tochtergesellschaften, Organe noch Mitarbeitende sind Beschuldigte in diesem Verfahren. Ringier AG kooperiert mit den zuständigen Behörden, unter Wahrung des Quellenschutzes.» Nach der Berichterstattung in der «Schweiz am Wochenende» und nachdem ab Sonntag alle grossen Zeitungen, Onlineportale und SRF das Thema aufgegriffen hatten, schwiegen die Ringier-Medien.
Am Dienstag dann titelte der «Blick» auf seiner Frontseite: «Niemand beeinflusst Blick!» Die Redaktion recherchiere und arbeite unabhängig von Verlag und Konzern. Trotz der pauschalen Zurückweisung der Kritik nimmt man bei Ringier den Fall ernst – und auch die rechtlichen Risiken. Diese wurden in einer internen Prüfung unter Beteiligung von Juristen abgeklärt. Auch das Zustandekommen einzelner Texte zu Corona wurde überprüft.
Ringier-CEO Marc Walder äusserte sich bislang in keinem Medium. Er lehnte Anfragen für Interviews und TV-Auftritte bei SRF und TeleZüri ab. Vor einem Jahr hatte er noch ausführlich Auskunft gegeben zu Corona, der Nähe zur Regierung und der Rolle des «Blicks». Im Januar 2022 äusserte sich Walder in einem bisher nur wenig beachteten Video-Interview des «Communication Summit» gegenüber SRF-Journalist Reto Lipp.
Interessant dabei: Den Link zum betreffenden Video, das auf Youtube abrufbar ist, schickte Walder per E-Mail an Peter Lauener, den damaligen Kommunikationschef von Alain Berset, einen Tag nach der Aufschaltung des Videos. «Danke für den Hinweis», bedankte sich Lauener per E-Mail. Um am Tag danach nochmals an Walder zu mailen: «Du hast Argumentation erweitert.»
In dem Video sagt Walder, er sei «sehr stolz» darauf, dass die «Blick»-Gruppe sehr früh für die Mitarbeitenden Massnahmen getroffen habe: «Distanzhalten, Maskentragen, Homeoffice, 3G- und 2G-Regel, Impfen, Boostern». Walder weiter: «Entlang dieser Punkte habe ich auch die Berichterstattung des ‹Blicks› vorbildlich gefunden.» Die firmeninterne Politik stand offenbar im Einklang mit der publizistisch-politischen Haltung der Zeitung.
Von Moderator Lipp gefragt, ob der «Blick» nicht zu regierungstreu berichtet habe, antwortet Walder: «Der ‹Blick› hat die Regierung immer wieder auch hart kritisiert – in der Tendenz aber dafür, dass die Massnahmen in der Schweiz vielleicht nicht schnell genug oder hart genug waren. Die Schweiz war schon ein bisschen eine Insel der Öffnung, verglichen mit anderen Ländern um uns herum.»
Walder betont auch, dass der Erfolg der Berichterstattung in Zahlen messbar sei: «In der Coronapandemie hat der ‹Blick› bei den Digital-Nutzern über 40 Prozent zugelegt.» Es sei eine «Genugtuung», dass die Linie des «Blicks» goutiert worden sein. «Es ist in Zahlen definitiv ein Erfolg. Die ‹Blick›-Gruppe hat wahnsinnig an Publikum dazugewonnen.»
Lipp sprach Walder auch auf das Magazin «Interview by Ringier» an, bei dem Berset laut Lipp «Journalist spielt», und fragte, ob es da nicht mehr Distanz brauche. «Das sehe ich komplett anders.» Ein Medienunternehmen von der Grösse Ringiers brauche einen «intensiven Austausch» mit Politikern, aber auch mit Vertretern von Wirtschaft, Kultur und Sport, sagte Walder.
Ringier hat neue Anfragen der «Schweiz am Wochenende» nicht beantwortet. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (bzbasel.ch)