In der Schweiz setzt sich die britische Variante B.1.1.7 durch – wie von der Covid-Science-Taskforce vor ein paar Monaten prognostiziert. Per Anfang April machte die britische Mutation knapp 90 Prozent aller Sequenzierungen aus. Mittlerweile dürfte die Quote noch höher liegen.
Einen Lichtblick gibt es jedoch: Die Verbreitung verlangsamt sich, wie die Grafik unten zeigt. Seit dem Anstieg der Fälle Mitte März lag die Wachstumsrate bei zwischen 10 und 40 Prozent. Mittlerweile steht sie kurz davor, wieder ins Negative zu drehen. Ein Grund dafür dürfte die fortschreitende Impfkampagne sein.
#B117 was growing at a biweekly rate of about 40% for months, but the growth rate is finally close to turning negative.
— b117science (@b117science) April 30, 2021
I hope the good development will not be given away with irresponsible premature openings.
If vaccination will further accelerate, we can soon get out of this. pic.twitter.com/n358IDbgNr
Die Daten der ersten Grafik stammen von Analysen des Projekts «Nextstrain». Die Epidemiologin Emma Hodcroft von der Universität Bern ist federführend bei dem Projekt.
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Ähnlich wie in der Schweiz. B.1.1.7 scheint sich auf dem ganzen Kontinent durchgesetzt zu haben.
Schweden, Grossbritannien, Deutschland, Norwegen und Italien weisen gar eine noch höhere Dichte der Mutation aus. Erst an elfter Stelle kommt die USA mit einem Anteil von 53 Prozent.
In der Schweiz sind noch nicht sehr viele Fälle der indischen B.1.617-Mutation bekannt. Im Ausland verbreitet sie sich jedoch rasant. Ein Blick nach Indien legt nahe, dass sich B.1.617 womöglich noch schneller verbreitet als die britische Variante.
Im indischen Bundesstaat Westbengalen hat die indische Variante in Windeseile alle anderen verdrängt. Der belgische Professor für Biostatistik Tom Wenseleers hat aufgezeigt, dass der Wachstumsvorteil der indischen Variante gegenüber der britischen Variante ähnlich ist, wie jener der britischen Variante gegenüber dem Wildtyp in anderen Ländern. «Also eine UK-Variante im Quadrat», schrieb Wenseleers auf Twitter.
(7/11) A multinomial fit shows growth advantage of Indian variant relative to UK variant is similar to that of the UK variant relative to the wild type in other countries. So sort of like the UK variant squared. Epidemic waves also coincide with B.1.617 becoming dominant. pic.twitter.com/8LP72yOVtL
— Tom Wenseleers (@TWenseleers) April 30, 2021
Auch in anderen Ländern macht sich die indische Variante breit. So waren am 19. April bereits vier Prozent aller Sequenzierungen aus Grossbritannien B.1.617 zuzuschreiben. In Singapur wuchs der Anteil zwischen Ende März und Anfang April binnen zwei Wochen von 10 auf 31 Prozent.
Die Datenlage ist bis jetzt aber zu dünn, um ein genaues Bild der Lage zu bekommen.
Diese Frage stand bis jetzt offen und kann auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit hundertprozentiger Sicherheit geklärt werden. Es gibt jedoch erste Anzeichen, dass die Impfstoffe auch gegen die indische Variante funktionieren werden.
Zweifel an der Wirksamkeit der Vakzine gegen B.1.617 kamen auf, weil die indische Variante eine sogenannte «Doppelmutante» ist. Das heisst, dass sie gleich zwei Veränderungen am Oberflächenprotein aufweist. Die beiden Veränderungen (E484Q und L452, um genau zu sein) sind schon von anderen Mutationen wie jene aus Brasilien (P.1) oder Südafrika (B.1.351) bekannt. Sie sind allerdings noch nie im Doppelpack aufgetreten. Da bekannt ist, dass die Mutationen den Effekt der Vakzine schmälern können, wird befürchtet, dass die indische Mutation die Impfstoffe neutralisieren könnte.
Ersten Erkenntnissen zufolge dürfte dies jedoch nicht der Fall sein.
Here is the REALLY IMPORTANT part. The combination of the two mutations gives a value of 4, in other words the two mutations DO NOT confer substantial antibody evasion and we can stop using the term 'Double Mutant'.
— Gupta Lab, Cambridge (@GuptaR_lab) May 1, 2021
Das renommierte Gupta-Labor an der Universität Cambridge hat in einem kleinen Versuch mit neun Personen festgestellt, dass die Kombination der beiden Veränderungen, die die indische Mutation ausmacht, nicht zu einem höheren Wirksamkeitsverlust führt als zum Beispiel P.1 oder B.1.351. Die Forscher erklären deshalb auf Twitter, dass man damit aufhören könne, von einer «Doppelmutante» zu sprechen.
Trotzdem müssen erst weitere Studien zeigen, wie effektiv die Impfungen gegen die indische Variante ist. Pharmahersteller bereiten sich bereits jetzt darauf vor, dass zukünftige Mutationen die Antikörper umgehen könnten und tüfteln deshalb an angepassten Impfstoffen, die das verhindern.